Berlin – Als das 0:0 zwischen Hertha BSC Berlin und dem 1. FC Köln am Samstag schon ein paar Minuten amtlich war, gingen die Blicke der Kölner noch einmal zurück auf den Rasen im Olympiastadion. Sehnsüchtig und wahrscheinlich auch ein bisschen neidisch. Hertha-Coach Pal Dardai hatte seine Mannschaft in der Nähe der Mittellinie im Kreis versammelt. Bestens gelaunt und hörbar befreit feierten die Berliner dort nach ihren Quarantäne-Strapazen ausgelassen den Klassenerhalt.
Jenes Ziel, das auch den FC umtreibt. Der Punkt von Berlin hat die Situation der Geißböcke auf dem vorletzten Tabellenplatz der Fußball-Bundesliga zwar nicht wesentlich verbessert, war aber ausreichend, um die Hoffnung auf den Klassenerhalt am Leben zu erhalten. Die Kölner brauchen am letzten Spieltag am Pfingstsamstag einen Heimsieg gegen Absteiger Schalke 04 und Schützenhilfe aus Mönchengladbach (in Bremen) und/oder Stuttgart (gegen Bielefeld), um noch auf Relegationsplatz 16 oder sogar Rang 15 springen zu können.
Mut für geknickten Sportchef
„Ich gratuliere Hertha BSC zum Klassenerhalt. Das war kein einfacher Weg“, gab sich Friedhelm Funkel als fairer Sportsmann. Der FC-Coach hatte kurz zuvor noch seinem sichtlich geknickten Sportchef Horst Heldt auf der Auswechselbank Mut machen müssen. „Für uns ist es ein ganz wichtiger Punkt. Wir wussten, wie es auf den anderen Plätzen steht und sind nicht mehr volles Risiko gegangen. Mit dem Remis haben wir den Druck auf Bielefeld erhöht, die jetzt auch gewinnen müssen, um sicher zu sein. Wir müssen natürlich selbst gewinnen und dafür werden wir alles tun.“ Gesagt ist immer leichter als getan. Gewinnen wollte und musste der FC auch schon gegen Freiburg und Berlin. Es sprangen nur ein Tor und ein Punkt heraus, so dass die Kölner nun abhängig von Glück und anderen Clubs sind.
Wie beim 1:4 gegen Freiburg fehlten dem Funkel-Team auch in der Hauptstadt Mut und Selbstverständnis. Wohl auch gewollt, denn Funkel hatte sein Team mit der Maßgabe auf den Platz geschickt, „der Hertha nicht in die Falle zu laufen“. Tatsächlich warteten die durch zehn Ausfälle personell gebeutelten Berliner tief in der eigenen Hälfte auf die Kölner Angriffsbemühungen und waren darauf aus, mindestens einen Punkt aus diesem Spiel mitzunehmen.
Dem Druck standhalten
„Sie haben kompakt gestanden und diszipliniert gespielt, um uns zu locken. Gegen Schalke werden wir mehr Risiko gehen müssen. Ich bin mir sicher, dass wir dem Druck standhalten werden“, sagte der erfahrene Funkel. Die Kölner werden am Samstag auch ihr Nervenkostüm in den Griff bekommen müssen, um ihren Teil zur Rettung beitragen zu können. „Man sieht auf dem Platz, was es für eine Anspannung ist“, erklärte Horst Heldt die Unsicherheiten der Kölner.
Ein Abstiegskampf ist nicht jedermanns Ding. Tragende Säulen wie Sebastiaan Bornauw, Ellyes Skhiri und Ondrej Duda waren nach dem befürchteten Ausfall von Kapitän Jonas Hector (Risswunde) jedenfalls nicht in der Lage die Last der Verantwortung zu tragen. Vor allem Skhiris Spiel war wie schon gegen Freiburg von großer Unsicherheit geprägt. Neben dem Überlebenskampf des FC belastet den sonst so zuverlässigen Tunesier offensichtlich sein im Sommer geplanter Verkauf. Berlin war vielleicht schon sein letzter Auftritt im Geißbock-Trikot. Gegen Schalke wird er wie Ismail Jakobs nach der fünften Gelbe Karte gesperrt fehlen.
Leistungsloch für den FC
Erschwerend hinzu kommt, dass Sebastian Andersson und Florian Kainz nach ihren langen Verletzungspausen in einem nachvollziehbaren Leistungsloch hängen. Der FC generierte am Samstag über 90 Minuten trotz 59 Prozent Ballbesitz keine klare Torchance und musste sich am Ende bei Timo Horn bedanken, der gegen Nemanja Radonjic (30.) und Jessic Ngankam (39.) die Null festhielt. „Sie hatten ein paar Szenen, wo es übel hätte enden können. Wir haben uns das Endspiel verdient und hoffen natürlich auf Schützenhilfe. Wir stehen in der Verantwortung für den Verein, bis zuletzt alles zu geben“, sagte der FC-Keeper hoffnungsvoll, aber auch „mit gemischten Gefühlen“.
An Optimismus und Glauben fehlt es den Kölnern nicht. Spätesten nach dem 4:3 gegen Frankfurt sollte aber jedem klar sein, dass die Schalker nicht automatisch als Verlierer den Platz verlassen werden. „Es wird nicht einfach, aber wir werden gegen Schalke gewinnen und bleiben dann drin“, zeigte sich Horst Heldt überzeugt. Wohl auch, weil der 67-jährige Funkel ihm noch in Berlin Mut zugesprochen hatte und am Sonntag im Sport1-Doppelpass eine positive Nachricht verkündete: „Jonas Hector wird am Samstag wieder dabei sein. Davon gehen ich fest aus, denn er war schon in Berlin ganz dicht dran.“
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Neben der Rückkehr seines Kapitäns hofft der FC gegen Schalke auch auf die Unterstützung von Zuschauern. Die aktuelle Corona-Schutzverordnung macht das möglich. Bleibt die Inzidenz in Köln fünf Werktage lang unter 100, sind Besucher bei Sportveranstaltungen zulässig. In welcher Anzahl muss geklärt werden. In Köln lag der Inzidenzwert am Sonntag bei 89,8 – Tendenz sinkend. Geschäftsführer Alexander Wehrle befindet sich bezüglich des Themas Zuschauer-Rückkehr mit den zuständigen Ämtern ohnehin im ständigen Austausch. Ein tragfähiges Hygienekonzept des FC für 9200, 15 000 und 23 000 Zuschauer liegt vor.