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„Den Kindern fehlte Struktur“Schleidener Schulleiterin schafft mit Regeln Normalität

Lesezeit 5 Minuten

Die neuen Chemieräume nimmt Schulleiterin Roswitha Schütt-Gerhards in Augenschein.

  1. Zu Beginn der Pandemie trat Roswitha Schütt-Gerhards ihr Amt als Schulleiterin an.
  2. Das Virus bescherte ihr keinen leichten Start als neue Chefin des Clara-Fey-Gymnasiums und -Realschule.
  3. Doch das Hadern über schwierige Umstände war nun gar nicht Schütt-Gerhards’ Ding.

Schleiden – Es hätte durchaus weniger herausfordernde Zeiten für Roswitha Schütt-Gerhards geben können, ihr Amt als Chefin von Clara-Fey-Gymnasium und -Realschule, die knapp 1000 Schüler besuchen, anzutreten. Nachdem der langjährige Schulleiter Helmut Schuster in den Ruhestand gegangen war, wurde sie im Februar kommissarische Chefin und im August zur Schulleiterin ernannt. In der Phase hatten sie und ihr Team gefühlt eine Million Sachen zu organisieren, damit der Schulbetrieb nach der corona-bedingten Schließung im Frühjahr wieder anlaufen konnte.

Doch das Hadern über schwierige Umstände ist nun gar nicht Schütt-Gerhards’ Ding – ihre pragmatische, zupackende Art, in der sie so viel Warmherzigkeit und Humor ausstrahlt, lässt das nicht zu. Logisch, dass jemand wie Schütt-Gerhards, die so leidenschaftlich gerne Lehrerin ist, das Direktorinnenzimmer nicht in den Elfenbeinturm einer Oberverwalterin verwandelt. Auch wenn sie derzeit nicht mehr so viel unterrichten kann, nutzt sie jede Gelegenheit, in der Schule unterwegs zu sein, den Kontakt zu den Schülern und das warmherzige Miteinander, das ihr so wichtig ist, zu pflegen.

Auf leisen Sohlen unterwegs

Dafür hat sie auch ein Hilfsmittel für sich entdeckt, an dem sie fast schon diebische Freude hat: Turnschuhe! Denn wenn sie auf deren leisen Sohlen unterwegs ist, hören die Schüler sie nicht sofort, wenn sie in einen Gang einbiegt. Das hat in Corona-Zeiten durchaus Vorteile, wenn jemand an die Regeln erinnert werden muss. Eine hochgezogene Augenbraue, ein strenger Blick, eine kleine Ermahnung – und schon ist die Maske wieder oben, so lästig es der angesprochene Teenager in dem Moment auch finden mag.

MINT und Co.

Im Fokus stehen an der Clara-Fey-Schule unter anderem die MINT-Fächer, also die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das zeigt sich daran, dass die Schule jüngst erneut das Gütesiegel „Digitale Schule“ samt der Einstufung „Expert-Level“ des Vereins „MINT Zukunft schaffen“ erhalten hat. Zudem hat die Schule gerade zwei Chemieräume aufwendig sanieren und auf den neusten Stand der Technik bringen lassen.

Erfolge feiern in dem Bereich auch die Schüler. Als die Universität Köln und die Dr.-Hans-Riegel-Stiftung Ende September – corona-bedingt virtuell – die Fachpreise für herausragende Schülerarbeiten verliehen haben, war auch eine Schülerin des Clara-Fey-Gymnasiums dabei: Vanessa Klimek gewann den ersten Preis im Fach Biologie.

Das digitale Klassenzimmer treibt man in Schleiden seit einigen Jahren kontinuierlich voran. Gerade in Corona-Zeiten hat sich das bewährt und gezeigt: Durch eine einheitliche Lernplattform ist Distanzunterricht jederzeit möglich. Dadurch können die Schüler Partner- und Gruppenarbeiten erledigen, es gibt eine Chatfunktion, demnächst kommt auch das Video-Tool hinzu. Zudem sind alle digitalen Pendants der Lehrwerke – soweit erhältlich – angeschafft worden.

Den dicken Geldbeutel benötigen die Eltern dafür nicht unbedingt: Wo kein Laptop oder Tablet zur Verfügung steht, hilft der Förderverein mit Leihgeräten. Auch darin sieht Schulleiterin Schütt-Gerhards eine wichtige Aufgabe: „Wir müssen solche Ungleichheiten egalisieren und auch Kindern aus bildungsferneren Familien die gleichen Chancen geben.“ (rha)

Neben den Abstandsregeln sind die Mund-Nasen-Schutze auch an der Schleidener Schule ein wichtiges Thema. Seit Anfang September müssten die im Unterricht nicht mehr getragen werden. Doch sieben Lehrer und rund 25 Schüler gehören an der Schule zu Risikogruppen. Also stellte sich die Frage: Bleiben die Masken auch im Unterricht auf oder bleiben die Risikogruppen daheim? Per Order Mufti hätte Schütt-Gerhards das Maskentragen nicht anordnen können. Doch Empfehlung und Überzeugung wirken: Bis auf einen Schüler, der Distanzunterricht erhält, sind alle in der Schule.

Ausgeklügeltes Schutzkonzept

Einbahnstraßen, feste Plätze in den Unterrichtsräumen, Flächendesinfektion, sobald eine Klasse den Raum wechselt – und natürlich Lüften gehören ebenso zum Schutzkonzept. Alle 15 Minuten ist für zwei Minuten Stoßlüften angesagt. Im Sommer kein Problem. Doch nun wird’s kalt, was Schütt-Gerhards kurzerhand zum Mikro hat greifen lassen: Die Schüler sollten bitte an warme Klamotten denken, hat sie per Durchsage verkündet. „Da muss ich auch mal Mama sein“, sagt die Schulleiterin und lacht herzlich.

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Zuweilen, das gibt Schütt-Gerhards unumwunden zu, sei es anstrengend, immer wieder an das Einhalten der Regeln zu erinnern: „Das funktioniert nur über gegenseitige Erziehung und die Vorbildfunktion der Kollegen.“ Denn: Alle Regeln sind besser, als wenn der Schulbetrieb erneut zum Erliegen käme. „Den Kindern fehlte die Struktur“, hat sie in der Zeit des Distanzunterrichts beobachtet. Längst nicht alle seien schon in der Lage, selbst ihrem Tag eine Struktur zu geben und sich zeitlich zu organisieren.

Unterstützung auf vier Beinen

Entsprechend schwer sei es auch dem einen oder anderen gefallen, sich wieder in den Schulbetrieb einzugliedern. Wertvolle Unterstützung sei dabei auch von einem Vierbeiner gekommen: Schulhund Samson, der Zwergpudel von Lehrerin Annika Hartmann, der durch die Klassen tourt. Ihn zu streicheln habe eine beruhigende Wirkung. Wie sehr die Schüler die Schule vermisst haben, macht Schütt-Gerhards auch daran fest, dass noch nie so viele Schüler in der Übermittagsbetreuung gewesen seien wie in diesem Schuljahr. Zudem werden seit den Ferien auch die meisten AGs wieder angeboten.

Dass auch das ausgefeilteste Schutzkonzept keinen hundertprozentigen Schutz bieten kann, hat man in Schleiden ebenfalls erfahren: Zwei Schüler einer Klasse waren mit dem Virus infiziert. Als die Antwort des Gesundheitsamts, wie weiter zu verfahren sei, auf sich habe warten lassen, habe sie, so Schütt-Gerhards, in Absprache mit dem Bistum als Schulträger beschlossen, die betreffende Klasse am darauffolgenden Tag sicherheitshalber zu Hause zu lassen.

Dass es danach vom Gesundheitsamt geheißen habe, dass sie das gar nicht hätte anordnen dürfen, stört sie eher wenig. Zu groß war die Erleichterung, dass nur acht Schüler aus dem nächsten Umfeld der Infizierten in Quarantäne mussten und sich herausstellte, dass es keine weiteren Infektionen gab: „Wir haben gesehen, dass die freiwillige Einhaltung der strengen Regeln etwas bringt.“