Heitersheim – Frühmorgens um 5 Uhr startet die Vogelstimmenwanderung. Die Teilnahme ist freiwillig - doch Thomas Griesohn-Pflieger ist jedes Mal aufs Neue erstaunt, wie viele sich den morgendlichen Wanderungen noch vor dem Frühstück anschließen. Der 67-Jährige ist Mitbegründer von Birdingtours, einem auf Vogelbeobachtungsreisen spezialisierten Anbieter.
Der Start sieht für alle, die beim morgendlichen Ausflug dabei sind, wie folgt aus: Zwei Stunden wandern, anschließend Frühstück im Hotel und dann geht's ins eigentliche Zielgebiet.
In kleinen Gruppen mit circa 15 Teilnehmenden geht es je nach Reise an die Küste, an einen See, einen Teich, auf Felder, Wiesen oder in den Wald. Eigentlich ist man den ganzen Tag in der Natur und an der frischen Luft. Stets mit dabei: ein kundiger Reiseleiter.
Entspannung wie beim Yoga
„Bei der Vogelbeobachtung gehen wir aus uns heraus und schauen uns ein wunderschönes Objekt an. Es ist eine Entspannung, ähnlich wie beim Yoga”, sagt Griesohn-Pflieger. Den meisten Reisenden geht es dabei zunächst nicht darum, seltene Tiere vors Objektiv zu bekommen. Sondern vielmehr darum, die Natur zu erleben und sich in die Beobachtung zu vertiefen.
Nach dem Abendessen geht es zum Beispiel noch mal ins Moor, um den Ziegenmelker zu sehen. Dieser nachtaktive Vogel lässt sich mit Beginn der Dämmerung beobachten. Um ihn ranken sich einige Mythen. „Weil er mit aufgerissenem Rachen durch die Luft rast und Nachtfalter fängt”, sagt der Fachmann.
Vogelbeobachtungen sind vielerorts in Deutschland möglich. Im Wattenmeer zum Beispiel können Brachvögel, Schnepfen, Strandläufer oder Seeschwalben beobachtet werden. Im Schwarzwald „gibt es noch Auerhühner und seltene Spechte”, so Griesohn-Pflieger. Mit etwas Glück zeigen sich Zitronengirlitz oder Bergpieper.
Rücksichtsvoll und informiert sein
Egal, wo man auf Tour geht: Die Tiere sollten dabei nicht gestört werden. Die Faustformel für schonungsfreie Beobachtungen ist einfach: Immer auf ausgezeichneten Wegen bleiben und keinesfalls abgesperrte Gebiete betreten. Beim Durchqueren von Wiesen würden zum Beispiel Bodenbrüter gestört und Nester zerstört.
Besonders sensibel sollte man in der Brut- und Setzzeit sein, rät Jennifer Krämer vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Generell ist es besser, Abstand zu halten und aus der Ferne zu beobachten. Deshalb gehört ein Fernglas zur Ausrüstung dazu.
Wilde Tiere sollten niemals berührt oder mitgenommen werden. „Das passiert leider häufig in der Brutzeit der Vögel. Dann flattern die Jungvögel aus den Nestern und sehen hilflos aus. Da werden jährlich sehr viele eingesammelt”, sagt Krämer. „Meistens sind diese Vögel aber nicht hilflos. Daher sollte man sich vorher informieren.”
Das geht zum Beispiel in den mehr als 80 Nabu-Naturschutzzentren in Deutschland, aber etwa auch in Naturpark- und Nationalparkzentren.
Vorsicht bei Beobachtungsgarantie
Wie findet man vertrauenswürdige Anbieter? Sie würde ganz genau nachlesen, ob man in Schutzgebiete geht und wie damit umgegangen wird, so Krämer. „Natur ist Natur, und da leben wilde Tiere”, sagt sie. „Im Zweifel sieht man diese nicht.” Wenn ein Anbieter das verspricht, sollten die Alarmglocken klingeln.
Weiterhin ist aus ihrer Sicht wichtig, wie Umweltbildung geleistet wird. „Gute Anbieter informieren über den Schutz und Erhalt von Arten und haben stets einen Weiterbildungscharakter.”
Auf der Spur von Wölfen
Das gilt auch für die Beobachtungstouren zu einem Tier, das nicht den besten Ruf genießt und vor allem im Osten Deutschlands unterwegs ist. Zwar gibt es in allen Bundesländern Wölfe, aber in der Lausitz sind die Territorien besonders gut besetzt.
„Wölfe leben absolut territorial in einem Gebiet von 100 bis 250 Quadratkilometern. Innerhalb dieses Reviers gibt es im Durchschnitt fünf bis zwölf Tiere”, sagt Steffen Heiber, Wolfsbeauftragter im Land Brandenburg und Tourguide bei Wolfland Tours. „Die Jährlinge wandern ab, daher können sie auf einer bestimmten Fläche nicht mehr werden”, erklärt er die gering anmutende Zahl Wölfe pro Gebiet.
Im sandigen Brandenburg lassen sich im Rahmen seiner Touren gut Wolfsspuren finden. Das bedeutet nicht, dass die Tiere so aufgespürt oder gar verfolgt werden. Im Gegenteil.
„Uns geht es um die Aufklärung und den Schutz dieser besonderen Tiere und konfliktreichen Art”, sagt Heiber. Bei den Wolfswanderungen geht es darum, mehr über die Tiere und ihr Verhalten zu lernen. Das geht auf Tagesausflügen oder mehrtägigen Reisen.
Nur Gast in der Natur
Für eine mehrtägige Tour gibt der Wolfsbeauftragte eine Sichtungswahrscheinlichkeit von etwa 50 bis 70 Prozent an, je nach Jahreszeit. Eine hundertprozentige Chance zu versprechen, wäre unseriös. Denn eine Sichtung kann man nie garantieren.
„Natürlich ist der Mensch nur Gast in der Natur und sollte sich auch so verhalten”, sagt Heiber. Verhaltensregeln sollten im Konzept einer Tour erwähnt und umgesetzt werden, ist seine Meinung. Zu empfehlen sind Touren mit einer kleinen Teilnehmerzahl.
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