Veedels-CheckWeiden ist kölsche Heimat an der „römischen Autobahn“
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Köln-Weiden – Die Aachener Straße: mit 8726 Metern bis zur Stadtgrenze ist sie eine der längsten Ausfallstraßen Kölns. Oft wird die Hauptverkehrsader als lärmende und verstopfte Straße stadtauswärts in Richtung Westen wahrgenommen. Doch rund um die einstige „Via Belgica“ gibt es Sehenswertes. Auf der Höhe der Aachener Straße 1328, in Weiden, versteckt sich sogar einer der größten archäologischen Schätze des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die Rede ist von der römischen Grabkammer, die dort noch ein „Dornröschen-Dasein“ fristet. Sie stammt aus dem 2. bis 4. Jahrhundert nach Christus und wurde 1843 eher zufällig bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt. „Die Grabkammer zählt heute zu den besterhaltenen und eindrucksvollsten Grabanlagen aus römischer Zeit nördlich der Alpen. Sie ist begehbar und zeigt noch einen Großteil ihrer originalen Ausstattung. Diese unterirdische Grabkammer würde auch in Rom etwas Besonderes sein“, erzählt Professor Dr. Heinz Günter Horn, Vorsitzender des Fördervereins Römergrab. Sie liegt an der einstigen „römischen Autobahn“, so nennt Horn die Aachener Straße mit Blick auf die Historie. Schon bald könnte sie ein touristisches Highlight werden: „Das sehe ich so für alle Kölner und alle Kölnbesucher. Doch für die Weidener ist die Kammer noch mehr: Ein Stück Heimat und ein Stück Identität“, betont Horn. Er will mit Hilfe eines Fördervereins einen Lern- und Erlebnisort erschaffen, im kommenden Jahr schon soll die Eröffnung stattfinden.
Dabei ist Horn bei weitem nicht alleine, wenn er sich fasziniert von der an vielen Ecken noch nachvollziehbaren Geschichte des Stadtteils zeigt. Der Kunsthistoriker Uwe Griep, der 2003 in der Reihe „Stadtspuren“ einen Band zum Thema veröffentlicht hat, bietet spannende Streifzüge durch den Stadtteil an. Und Henry Faust, Vorsitzender des SV Weiden 1914/1975, hat bereits zwei Bücher über die Geschichte des Stadtteils geschrieben.
Und nicht zuletzt hat Elisabeth Maria Spiegel viel über das Veedel zusammengetragen: Die erste Vorsitzende der Bürgerinteressengemeinschaft Weiden (BIG) und ehemalige Leiterin des Archivs im Römisch-Germanischen Museum ist Bewohnerin des geschichtsträchtigen Vororts.
Weiden ist gerade mal 3,5 Quadratkilometer groß. „Aber wir haben hier eine Fülle von Baudenkmälern, die den Stadtteil durchaus prägen“, erklärt Spiegel. „Der Engelshof und der Clarenhof können genannt werden, der Clarenhof war einst der einzige große Hof hier. Das heutige Weiden war geprägt von vielen Kleingewerbebetrieben. Die Keimzelle des modernen Weiden wurde erst später von dem Architekten Wilhelm Emil Schreiterer initiiert.“
Der Mitbegründer des Bundes Deutscher Architekten war einst von 1905 bis 1914 gemeinsam mit seinem Partner Bernhard Below für die Entstehung der Villenkolonie Weiden verantwortlich. Noch heute erinnert der Emil-Schreiterer-Platz, auf dem inzwischen der Wochenmarkt stattfindet, an ihn. Auch Viktor Rolff, 1950 in Weiden verstorbener Unternehmer im rheinischen Braunkohlebergbau, ließ sich in Weiden eine prachtvolle Villa erbauen, die allerdings einem Brand zum Opfer fiel.
Weiden-Süd und Weiden-Nord, links und rechts der Aachener Straße, sind als zwei ganz unterschiedliche Teile eines Veedels nach und nach entstanden . „Die beiden Gebiete fallen noch heute sehr unterschiedlich aus. Auf der einen Seite die Villen, auf der anderen Seite viele kleine Siedler-Häuser. Ein Teil wird jetzt abgerissen“, erklärt Historikerin Spiegel. Weiden-Nord wurde später durch den Bahnanschluss geprägt, doch auch hier befindet sich im älteren Kern ein kleines Villengebiet. Viele Großindustrielle lebten im Stadtteil, kleinere Landhäuser entstanden. „Es waren sehr interessante Menschen, die hier wohnten, das kann man mit Sicherheit sagen. Weiden war ursprünglich sogar einmal für die gute Landluft bekannt, die man hier einatmen konnte – doch dies ist nun leider wirklich nicht mehr der Fall“, sagt die Vorsitzende der BIG.
Einkaufszentrum bringt auch Nachteile
Die Aachener Straße in Höhe Weiden ist eine der Straßen in Köln, die mit einer sehr hohen Stickoxid-Belastung zu kämpfen haben. Der Verein vertritt die Interessen der Anwohner und beschäftigt sich als solcher mit den heutigen Sorgen im Stadtteil. „Das riesige Einkaufscenter war eine Stadtplanungssünde, eine Insel im Wohngebiet, die viele Nachteile mit sich bringt“, glaubt Spiegel. Die Kaufkraft aus dem Umland werde abgeschöpft lange bevor die Kunden in der Innenstadt angelangt seien. Eine hohe Verkehrsbelastung für den Stadtteil sei eine zusätzliche Folge.
„Dagegen finden wir kaum noch Angebote, die auf die Bewohner zugeschnitten sind. Der Klein- und Einzelhandel ist so gut wie nicht mehr vorhanden“, kritisiert Spiegel diesen Zustand. Eine öffentliche Grünfläche fehle, auch dies bewegt den Verein und seine Mitglieder. Die Bevölkerungsstruktur sei sehr heterogen, die Mischung aus Hochhäusern und Villen nicht immer konfliktfrei. Sowohl das Hochhausgebiet „Weiden-Süd“ als auch das zwischen 1966 und 1970 errichtete Rhein-Center prägten den Stadtteil ebenso wie die geschichtsträchtige Vergangenheit.
„In den 90er Jahren gab es Phasen, in denen die Stimmung schlecht war, inzwischen hat sich einiges konsolidiert. Beispielsweise trägt das Jugendzentrum Weiden ganz wesentlich dazu bei, dass vor allem die Jugendlichen ein sinnvolles Freizeitangebot nutzen können“, so Spiegel. Man müsse sich engagieren, um zwischen den Anwohnern, die viel besitzen, und denen, die wenig besitzen, einen Ausgleich zu schaffen.
In Weiden gibt es eine Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent, der Stadtbezirk Lindenthal weist nur 3,7 Prozent auf. 9,3 Prozent der Weidener beziehen Harz IV, im Stadtteil Lindenthal sind es 2,2 Prozent. „Es gibt viele gute Initiativen, die sehr engagiert arbeiten. Dennoch muss man vorsichtig sein, wie viele Lasten man diesem Stadtteil noch aufbürdet“, appelliert Spiegel in Richtung Stadtverwaltung.
Vielleicht gelingt es Heinz Günter Horn mit seiner Idee eines Lern- und Erlebnisorts rund um die Grabkammer, einen neuen Impuls zu setzen. Nach seiner Vorstellung soll die Grabkammer als identitätsstiftendes Bau- und Bodendenkmal in das Bewusstsein der Menschen gerückt werden.
Offene Baustellen in Weiden
Das Georg-Büchner-Gymnasium muss für 62,5 Millionen Euro im laufenden Betrieb saniert werden, eine Art Campus soll entstehen. Vor allem die Rodung der Bäume führte bei Anwohnern und Bezirkspolitikern auf wenig Zustimmung, zumal in unmittelbarer Nähe der Schule besonders erhöhte Stickstoffdioxid-Werte gemessen werden.Die Aachener Straße bringt so viel Verkehr mit sich, dass die gemessenen Werte weit über den EU-Richtlinien liegen. Ein weiteres Problem ergibt sich durch den Baustellen-Betrieb mit Blick auf das benachbarte Jugendzentrum: Denn dieses nutze bisher das Schulgelände, auf dem nun eine Großbaustelle entsteht, als Außengelände.Nicht nur die Stickstoffdioxid-Werte sorgen für Verärgerung bei den Anwohnern, auch das Parkplatz-Problem belastet den Stadtteil. Die Stadt hat daher sowohl in Weiden-Süd als auch in Weiden-Nord Anwohnerpark-Konzepte umgesetzt. Gemeinsam mit den Kölner Verkehrs-Betrieben ist außerdem geplant, die Buslinien 141,145 und 149 noch in diesem Jahr auf den Betrieb mit E-Bussen umzustellen.
Die Geschichte von Weiden
Vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Weiden ein Straßendorf. Die Aachener Straße bildete die Verwaltungsgrenze: Während der südliche Teil dem Amt Königsdorf unterstellt war, gehörte der nördliche Teil zur Herrlichkeit Lövenich im Kurfürstentum Köln. 1794 besetzten französische Revolutionstruppen den Ort. Durch Einführung der in Frankreich gültigen Verwaltungsreform 1798 wurde die Mairie Weiden Hauptort des „Canton de Weyden“. 1815 kam Weiden an das Königreich Preußen und 1816 an die Bürgermeisterei Lövenich.Eine entscheidende Veränderung bewirkte der Bau der Bahnstrecke Köln–Aachen 1840/41. Die Eröffnung des Bahnhofs 1870 führte zu einer Erweiterung des Dorfs in Richtung der Bahnanlagen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden sowohl ein neues Siedlungsgebiet entlang der Bahnstraße als auch die Goethe- und Schillerstraße für die Anlage einer Villenkolonie planmäßig erschlossen. Bis zur Eingemeindung nach Köln 1975 gehörte Weiden mit Üsdorf, Groß- und Kleinkönigsdorf sowie Junkersdorf der Gemeinde Lövenich an.