Die Jahre des Leerstands zeichnen das Erkelenzer Dorf Keyenberg am Tagebau Garzweiler. Eine frühere Bewohnerin möchte das Haus ihrer Familie zurückkaufen. Für sie ist es ein Ort voller glücklicher Erinnerungen.
Rückkehr nach Erkelenz„Das Gefühl von Zuhause habe ich nirgendwo sonst bekommen“
Zu jedem Haus kann die junge Frau etwas sagen: Hier war früher die Schule, dort gab es ein Geschäft. Hinter dem von Sträuchern überwucherten Weg wohnten die Spielkameraden. Jennifer Schaffrath ist vor fünf Jahren mit ihren Eltern weggezogen aus Keyenberg am Braunkohletagebau Garzweiler. Und doch ist die junge Frau irgendwie immer geblieben in dem Dorf mit den krummen Straßen und den roten Backsteinhäusern. Sie würde gerne wieder zurück, sagt die 27-Jährige.
Das vorgezogene Ende der Braunkohleförderung im Rheinischen Revier eröffnet der jungen Lehrerin die Chance, das an RWE verkaufte Haus ihrer Familie zurückkaufen. Denn die früheren Bewohner und deren Kinder sollen eine Vorkaufsoption bekommen, um die Immobilie selbst zu nutzen. Das hat die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Ende September veröffentlichten Leitentscheidung festgelegt.
Die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath am Rand des Tagebaus sind vor dem Abbaggern gerettet. Doch von den ursprünglich 1500 Bewohnern leben hier nur noch etwa 200. Die Stadt Erkelenz hat insgesamt 47 000 Einwohner und nun die Aufgabe, ein Verfahren einzuleiten, damit frühere Eigentümer ihr Interesse am Rückkauf anmelden können.
Richtig glücklich ist die Stadt im Westen von Nordrhein-Westfalen nicht über den Auftrag der Leitentscheidung, „zeitnah“ ein solches Verfahren zu starten. Beim Thema Vorkaufsoption seien viele Fragen offengeblieben, sagt der Erkelenzer Bürgermeister Stephan Muckel (CDU), „hier hätte ich mir mehr Klarheit für die Bürgerschaft und auch für uns als Verwaltung gewünscht“. Die Umsetzung müsse zwischen der bergbautreibenden RWE Power AG, dem Land NRW und der Stadt geklärt werden. Die Stadt hat das Planungsrecht und will den Dörfern wieder Leben einhauchen. Die Orte sollen wiederbelebt und nachhaltig entwickelt werden.
Langer Leerstand schadet der Bausubstanz
Ungewiss ist, wie viele ehemalige Bewohner in die seit Jahren leerstehenden alten Häuser zurückwollen. Jennifer Schaffrath sagt, sie kenne derzeit aus dem Ort Keyenberg niemanden, der zurück wolle. Viele von denen, die an RWE verkauft haben, haben sich etwas Neues aufgebaut in den umgesiedelten Orten und unter Umständen Schulden. Doch es wird auch Geld kosten, die lange unbewohnten Häuser in den Geisterdörfern zu sanieren oder neu zu bauen.
Schaffrath ist erst 27 Jahre alt und hat es nicht eilig. Sie wohnt mit ihrem Freund in Erkelenz. Nicht alle trauern dem alten Dorf nach. „Seid doch froh, dass ihr was Neues habt!“, sagen sie. Die junge Lehrerin hat ihr Interesse am Rückkauf bereits angemeldet. Die Zeit dränge, meint sie. „Jeder Winter, der kommt, nagt“. Vandalen haben an dem leerstehenden Haus mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Die Fensterläden sind weg. Die Haustür hat keine Klinke mehr, die Klingel fehlt. Die Fenster sind zugemauert. Gut wäre, wenn ein Gutachter sich das Haus ansehen könnte, um den Zustand einzuschätzen, sagt sie. Es gehe auch um eine realistische Finanzierung.
Das Haus ihrer Träume ist eher unscheinbar. Es liegt am Ende einer kleinen Sackgasse: ein Gebäude mit einer Backsteinfassade. Hier haben schon ihre Großeltern gewohnt. Kühe grasen, Gänse schnattern. Auf einem zugenagelten Fenster steht mit schwarzer Farbe eine Botschaft an die Vandalen: „Denk nach bevor du Fenster einwirfst. Dieses Haus war mal ein Zuhause voller Erinnerung“. Das Haus steht leer, aber es gehört zum Leben der jungen Frau. „Das Gefühl von Zuhause habe ich nirgendwo sonst bekommen“, sagt sie. (dpa)