- Der Rhein-Sieg-Kreis ist Teil eines neuen Wolfverdachtsgebiets in NRW.
- Ab sofort können sich Halter von Ziegen und Schafen die Kosten von Schutzzäunen von der öffentlichen Hand erstatten lassen.
- Allerdings kommen längst nicht alle Nutztierhalter in den Genuss dieser Regelung.
Oberberg – Sie ist etwa anderthalb bis zwei Jahre alt und trägt den Namen GW1433f. Das ist wissenschaftlich, steht für „German Wolf“ (deutscher Wolf) und bezeichnet eine Wölfin, denn das kleine „f“ bedeutet „female“, also weiblich.
Und dieses Tier ist nicht irgendeins: Es ist die Wölfin, die im Oberbergischen Kreis dauerhaft ansässig werden könnte. Am Dienstag hat das Landesministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz daher weite Teile der Kreise Oberberg, Rhein-Berg und Rhein-Sieg zu einem Wolfverdachtsgebiet erklärt.
Für die Arbeitskosten kommen Halter selbst auf
Das ist die Vorstufe zu einem Wolfsterritorium und bewirkt, dass Halter von Nutztieren – dazu gehören bisher nur Schafe und Ziegen – ab sofort für Schutzzäune gegen die Wölfin und mögliche Artgenossen eine vollständige Förderung erhalten. Bezahlt wird aber nur das Material; Arbeitszeit und Arbeitskraft bleiben davon auch weiterhin ausgenommen.
„Mit einer Größe von 902 Quadratkilometern ist das Gebiet sehr großzügig bemessen“, erklärt Dietmar Birkhahn. Der Lindlarer ist im Auftrag des Landesamtes ehrenamtlich als Wolfsberater tätig und für den Naturschutzbund Deutschland zudem als Wolfsbotschafter in der Region unterwegs. Ihm ist der eindeutige Nachweis der Wölfin durch Fotos aus Wildkameras sowie durch die Sicherung von DNA-Spuren an den Kadavern gerissener Tiere gelungen.
Sollten ihm in den kommenden sechs Monaten weitere Nachweise dieses Tieres gelingen, würde das heutige Verdachtsgebiet in ein Wolfsterritorium umgewandelt, auch käme eine Pufferzone hinzu. „Denn dann wäre klar, dass die Wölfin hier wirklich heimisch geworden ist und bleibt“, erklärt der 50-Jährige. Er wünsche sich nun vor allem einen besonnenen Umgang mit solchen Nachrichten.
Wolfsrevier misst durchschnittlich 150 Quadratkilometer
„Auch wünsche ich mir, dass die Wölfin keinen Namen bekommt, also nicht vermenschlicht wird“, ergänzt Birkhahn mit Blick in Richtung Niederrhein: Die dort lebende Wölfin trägt den Namen Gloria. „Ein Wolf ist und bleibt aber ein Wildtier.“ Die Größe eines einzelnen Wolfsreviers beziffert der Lindlarer auf etwa 150 Quadratmeterkilometer.
Für Peter Schmidt, Bio-Bauer und Schafhalter aus Gummersbach sowie kommissarischer Geschäftsführer des Biokreises Erzeugerring NRW, ist das Verdachtsgebiet dagegen nicht groß genug: „Wir hatten gehofft, dass es das gesamte Bergische Land erfasst“, kommentiert er die Entscheidung aus Düsseldorf. „Gleichwohl ist das ein richtiger Schritt, der nun zu einem hoffentlich besseren Wolfsmanagement und einer besseren Schutzpolitik führt.“
Drei Landkreise einbegriffen
Auf einer Fläche von insgesamt 902 Quadratkilometern gehören diese Kommunen zum gestern durch das Landesministerium ausgerufenen Wolfsverdachtsgebiet:
Rhein-Sieg-Kreis: Eitorf, Hennef, Lohmar, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth sowie Gebiete von Bad Honnef, Königswinter und Siegburg, die östlich der Autobahn 3 liegen.
Oberbergischer Kreis: Engelskirchen, Lindlar, Nümbrecht, Wiehl sowie Teile von Gummersbach, die westlich der Bundesstraße 256 liegen.
Rheinisch-Bergischer Kreis: Overath sowie Teile von Rösrath östlich der Autobahn 3. (höh)
Er appelliere an alle Nutztierhalter, diese Chance zu nutzen und sich endlich gegen Wolfsattacken zu wappen: „Die Wölfin muss abgeschreckt werden und sie soll sich gar nicht erst daran gewöhnen, dass es bei uns leichte Beute gibt“, schildert der Besitzer des Klosterhofs in Bünghausen.
Ähnlich sieht es Simon Darscheid, Bezirksvorsitzender des Schafzuchtverbandes NRW und zudem zuständig für Oberberg: „Ich fürchte allerdings, dass die Behörden in den kommenden Wochen in einer Flut von Anträgen untergehen und die Bewilligungen damit sehr lange auf sich warten lassen“, ahnt der Hennefer. Er rät, Ansprüche möglichst schnell zu formulieren.
Kein Geld für Alpaka- und Lamazuchten
In einem aktuellen Rundschreiben weist das NRW-Umweltministerium darauf hin, dass der Wolf eigentlich eine andere Beute habe: Rehe, Damhirsche, Rothirsche, Mufflons und Wildschweine. Das bestätigt Klaus Weddeling von der Biologischen Station des Rhein-Sieg-Kreises aus Eitorf.
Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich die Wildschweine zu größeren Rotten zusammenfänden, wenn mehrere Wölfe im Revier lebten. „Auch Rehe, ein ebenfalls beliebtes Beutetier des Wolfes, werden scheuer.“
Dass Wölfe Schafe reißen, sei vom natürlichen Verhalten eher die Ausnahme. „Allerdings gibt es einzelne Tiere, die sich auf diese Beute spezialisiert haben“, sagt der Biologe. Da müsse dann Vorsorge getroffen werden. Wenn die Schafherden durch starke Elektrozäune geschützt seien, „kommen Wölfe meist gar nicht auf die Idee, die Tiere anzugreifen“, so Weddeling.
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Die neue Regelung sei bestenfalls ein Witz, klagt derweil Verena Spindler, Miteigentümerin des Alpakazuchthofes Oberberg bei Nümbrecht-Geringhausen. Sie fühle sich klar benachteiligt, weil für Lamas und Alpakas zurzeit keine Schutzzäune bezahlt würden. „Das wäre das Schlimmste für uns, wenn wir eines Morgens sehen müssten, dass sich der Wolf bei uns bedient hat“, sagt Spindler. Sie erinnert daran, dass bereits vor etwa zwei Jahren bei Nümbrecht-Oberelben ein Wolf gesichtet worden sein soll.