Kunden sind verunsichert, Lieferketten in Gefahr – Europa und Deutschland müssen an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.
Kritik aus Rhein-SiegTrumps perfides und schädliches Spiel mit Strafzöllen

Thomas Wildt (l.), CEO von Hennecke, im Gespräch mit Christian Fuchs, Produktionsleiter im Werk in Sankt Augustin.
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Strafzölle sind ein Lieblingsinstrument von Donald Trump, wenn es darum geht, seine politischen Vorstellungen mit Erpressung durchzusetzen. Oder, wie er es nennt, „einen Deal zu machen“. Auch in der Region müssen sich Unternehmen und Institutionen mit möglichen Folgen beschäftigen.
Axel Werner, Geschäftsführer von Kuhne aus Sankt Augustin, hat die Strafzölle im Blick. „Unsere Kunden fragen schon jetzt danach“, berichtet er. Die Firma verkauft rund 20 Prozent ihrer Anlagen, die Kunststoff verarbeiten, nach Nordamerika. „Wir sind mit unserem Angebot spezialisiert“, betont Werner. „Deswegen gibt es für unsere Kunden kaum qualitativ gute Alternativen.“ Die Lieferzeiten für die Anlagen betragen zwischen sechs und zwölf Monate. Die Zölle würden bei Einfuhr der Maschinen in die USA fällig. „Deswegen müssen wir dieses Thema langfristig im Auge behalten.“
Am langen Ende zahlt den Zoll immer der US-Kunde
„Wer die Zollkosten trägt, hängt grundsätzlich von den vereinbarten Lieferbedingungen ab“, erläutert Werner. Kuhne könne sowohl verzollt als auch unverzollt in die USA liefern. Am langen Ende zahle den Zoll aber immer der US-Kunde. Entweder er kümmere sich um die Importverzollung selbst und direkt, dann hätte Kuhne unverzollt geliefert, der Kunde habe die Kosten aber direkt selbst zu tragen. „Oder wir liefern verzollt, das müsste dann aber in unserem Verkaufspreis der Anlage berücksichtigt sein“, sagt Werner. Dann hätte der Kunde die Kosten indirekt über den um den Zoll erhöhten Maschinenpreis zu tragen.
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Knapp fällt die Antwort der Firma Reifenhäuser aus. „Wir verkaufen unsere Maschinen und Komponenten weltweit, so auch in den USA“, teilte der Maschinenbauer mit. In der Stadt Maize im Bundesstaat Kansas habe Reifenhäuser eine eigene Komponentenfertigung, die von etwaigen Zöllen nicht betroffen wäre, so ein Unternehmenssprecher. „Insgesamt“, ließ die Geschäftsleitung mitteilen, „sehen wir die Diskussion über Strafzölle kritisch.“
Umfangreich mit dem Thema beschäftigt hat sich Axel Wildt, Vorstandsvorsitzender (CEO) von Hennecke in Sankt Augustin. Die Firma ist weltweit aufgestellt, exportiert 90 Prozent ihrer Anlagen, 20 Prozent davon in die USA. „Wir liefern auch von unseren Werken in China in die USA“, berichtet Wildt. Einfuhrzölle seien von den Kunden zu bezahlen. Dies sei in den Kaufverträgen klar geregelt. Zu beobachten sei immer, dass vor den Wahlen in den USA der Auftragseingang zurückgehe, danach aber ansteige. Diesmal sei dies aber anders. „Die Kunden sind verunsichert, wie es weitergeht.“ Als Weltmarktführer müsse sich Hennecke aber keine Sorgen machen.
Pokerspiel mit Russland auf Kosten von hunderttausenden Menschenleben
„Die Zölle bestrafen sogar produzierende Firmen in den USA, weil wir Komponenten liefern, die es dort nicht gibt“, sagt Wildt über unverzichtbare Importe der US-Industrie. Der CEO hält die Verhaltensweise von Trump „nicht staatsmännisch“, er sei „unberechenbar“. Was zurzeit passiere, sei ein „unwürdiges Pokerspiel mit Russland auf Kosten von hunderttausenden Menschenleben“.
Hennecke Innovations unterhält in Pittsburgh in Pennsylvania ein Werk, in dem Tanks zur Lagerung von Chemieprodukten außerhalb von Gebäuden gebaut werden. Planungen, Werke von Hennecke wegen der Zölle in die USA zu verlegen, gebe es nicht. Dazu brauche es eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren. „Und dann ist Trump auch bald schon wieder weg“, lautet die Einschätzung von Wildt. Allerdings hätten Kunden schon überlegt, ob sie nicht besser in Guatemala ihre Fabriken bauen sollten, weil es in Kanada die Strafzölle gebe. Bei einer Bauzeit von zwölf bis 24 Monaten für die bis zu 200 Meter langen Maschinen von Hennecke sei dies kein Problem, wenn der Kunde es wünsche. Der Auslieferungsort können auch geändert werden.
Gelassen regiert der Druckfarbenhersteller Siegwerk in Siegburg: „Aufgrund unseres globalen Produktions- und Servicenetzwerks und lokaler Präsenz in über 35 Ländern ist Siegwerk weitestgehend unabhängig von Zollbestimmungen zwischen einzelnen Märkten“, schreibt Unternehmenssprecherin Bettina Horenburg auf Anfrage. Lokale Produktionsstandorte sorgten die Flexibilität, „um auch in einer Situation wie derzeit in den USA gut aufgestellt zu sein“.
Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa stärken
Europa und Deutschland müssten jetzt Wettbewerbsfähigkeit dieser Märkte stärken und nachhaltiges Wachstum zu fördern. Dazu brauche eine „wirtschafts- und innovationsfreundliche Politik mit klaren und vorausschauenden Maßnahmen“.

Druckfarbenhersteller Siegwerk in Siegburg, gesehen vom Michaelsberg aus.
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Die Länder der EU seien nach wie vor bedeutende Industriestandorte, die weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse aber seien dabei, sich immer weiter zu verschieben. Aus Sicht von Siegwerk sei der neue Wettbewerbskompass der Europäischen Kommission hierbei ein guter erster Schritt. „Weitere Schritte wie wettbewerbsfähige Energiekosten und Reduzierung von bürokratischen Hemmnissen müssen folgen.“
Das Siegwerk als Familienunternehmen setze vor dem Hintergrund anhaltender Diskursverschiebungen auf Verantwortung, Offenheit, Weitsicht und Engagement. „Unsere vielfältige und multikulturelle Belegschaft mit unterschiedlichem Wissens- und Erfahrungsschatz macht uns zu einem wirklich globalen Unternehmen mit vielseitigen Ideen, Perspektiven und Kompetenzen.“
IHK-Experte sieht Strafzölle kritisch
Armin Heider, Bereichsleiter für Industrie, International, Innovation und Umwelt in der Abteilung für Standortpolitik der IHK Bonn/Rhein-Sieg, sieht das Operieren mit Strafzöllen kritisch. „Die exportorientierte Industrie in unserer Region wie in ganz Deutschland hat von der globalen Freihandelsordnung profitiert“, betont er, immerhin seien die Vereinigten Staaten einer der wichtigsten Handelspartner.

Armin Heider, Bereichsleiter für Industrie, International, Innovation und Umwelt im Geschäftsbereich Standortpolitik der IHK Bonn/Rhein-Sieg
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„Dass die USA sich zunehmend nicht an internationale Vereinbarungen halten bzw. aufkündigen, ist vor diesem Hintergrund eine sehr bedenkliche Entwicklung.“ Das Vorgehen der US-Regierung verursache allgemein Unsicherheit, da nicht absehbar sei, „ob und wenn ja welche – weitere Sektoren mit ‚Strafzöllen‘ konfrontiert werden“.
Wenn „über Nacht“ die Einkaufspreise für Kunden in den USA um 25 Prozent stiegen, könne dies in aller Regel nicht von Lieferanten und/oder Abnehmer abgefedert werden und wirke sich unmittelbar auf bestehende Lieferketten aus. „Unternehmen haben dann auch keine Planungssicherheit mehr.“ Den einzelnen Unternehmen bleibe kurzfristig nur die Möglichkeit, Lieferketten und Absatzmärkte möglichst robust und diversifiziert aufzustellen.
Je nach Verflechtung und der Ausgestaltung der Lieferketten komme es sicherlich auch zu Auswirkungen für Firmen aus der Region, die Standorte in den USA hätten. „Der durch die Zölle verteuerte Bezug von Waren wird sich möglicherweise auf die Lieferketten auswirken, wahrscheinlich Neuverhandlungen mit den ausländischen Lieferanten bedingen und recht sicher die Verkaufspreise in den USA erhöhen.“
Schon länger investierten deutsche Unternehmen verstärkt in den USA, nicht zuletzt aufgrund des Inflation Reduction Act. „Die angekündigten und teils wieder aufgehobenen Zölle sind bislang unseres Wissens aber noch kein Grund für die Unternehmen gewesen, Unternehmensteile/Produktion in die USA zu verlagern.“
Kein Interesse an einer Zollspirale
Politisch sei jetzt ein geschlossenes und gemeinsames Vorgehen auf europäischer Ebene wichtig. „Dabei hat die EU kein Interesse daran, dass eine Zollspirale entsteht.“ Gegenzölle hätten nach und nach negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. „Der Umstand, dass die neue US-Regierung mit ihrer Zollpolitik offenkundig auch nicht außenhandelsbezogene Ziele verfolgt, dürfte die Verhandlungen mit den USA erschweren.“ Trotzdem solle die EU auf ein Zurücknehmen der Zölle hinwirken und sich zugleich auf globaler Ebene weiterhin für Freihandel einsetzen.