Rhein-Sieg-Kreis – Das sind ja ganz neue Moden: In der Session eins nach der Pandemie stimmte das jecke Publikum in Niederkassel-Ranzel und -Rheidt über Prinz und Dreigestirn ab. Und in Siegburg wurde ein Arzt zum Narrenherrscher gemacht. Sein Versprechen: „Wir haben die Pandemie im Blick.“
Die Farben Rot und Weiß machten glücklich in der Aula des Kopernikus-Gymnasiums: zuvorderst die Mitglieder der KG Rut-Wiess Ranzel selbst, aber auch die zahlreichen Effzeh-Fans sowie mindestens zwei des FC Bayern. Mit Bürgermeister Stefan Vehreschild und dem designierten Prinz Holger I. (Adenheuer, 42) waren das freilich höchst prominente Anhänger des im Schatten der Domstadt eher verschmähten Klubs.
Als der Stadtchef den künftigen Frohsinns-Regenten mit dem Schal des Rekordmeisters dekorierte, war denn auch ein kurzes Meckern der Geißbock-Verehrer zu vernehmen. Doch viel zu gut war der Saalknubbel nach dem langen Karnevalsverzicht gelaunt, um sich auf Krawall bürsten zu lassen. Jedenfalls nahm Holger I. Fahrt auf, kaum dass er Zepter in der Hand und Kette um den Hals hatte.
Mit einer pfiffigen Maßnahme beugten die Rut-Wiessen der Versuchung vor, dass gebützt wird bei der Ordensverleihung. Denn jedes Mal, wenn das jecke Geschmeide um die Hälse gelegt wurde, erklang das Lied „Küssen verboten“ von den Prinzen. (loi)
Herz und Kante zeigte er. Und drohte allen, die Paragraf 2 von elf nicht beachten (Aus Höflichkeit und Gehorsam ist der Prinzen mit „Eure Tollität“ anzusprechen) eine einwöchige Verbannung nach Düsseldorf an. In seinem Prinzenlied bekannte er ewige Liebe zu Rut un Wiess und zu Reissel: „E Levve lang, zwei Färve deef in mer (…) e Levve lang jevv ich alles wat ich hann.“
Narren stimmten über Holger I. ab
Die Sympathien hatten die Gäste ihrer Tollität schon vorher bescheinigt. Vehreschild ließ sie nämlich darüber mehrmals abstimmen, ob der Designierte geeignet ist fürs jecke Amt. So fragte er etwa die Damen, ob denn die prinzliche Figur einer Tollität würdig sei. Im Sekundenbruchteil waren die rot-weißen Abstimmfähnchen als Ja oben, begleitet von frenetischem Kreischen.
Dass Ranzel gerüstet ist für die Session, unterstrichen auch der souverän-charmante Präsident Uwe Spiller, das Prinzengefolge mit einem Tanzmix aus kunterbunten Genres und alle rut-wiessen Garden, die sich die Seele aus dem Leib tanzten.
Rheidter Prinz ist ein Knochenbrecher
Das Abstimmungsprozedere brachte Vehreschild auch in den Saal Lüches nach Rheidt mit. Doch hier galt es nicht nur einen Prinzen, sondern ein komplettes Dreigestirn in der Urwahl zu bestätigen. Das Trifolium war mit seinem Sessionslied „Mir Jecke fiere all zesamme“ regelrecht in die Herzen ihres närrischen Volkes eingebrochen. Das hatte aber auch lange warten müssen.
Denn erst kurz nach 23 Uhr standen sie auf der Bühne und genossen sichtlich das Bad in der Menge. „Ihr habt uns ganz schön auf die Folter gespannt, nervlich aber auch zeitlich“, meinte Vehreschild, der sich denn selbst Zeit nahm, das designierte Trifolium vorzustellen. Als Anwärter bezeichnete er sie zunächst, ob sie denn würdig seien, müsse erst der Wahlgang beweisen. Das Ergebnis allerdings war, wie zu erwarten, überwältigend.
Prinz in der Truppe, die dieses Jahr von den Knochenbrechern Niederkassel gestellt wird, ist Tobias III., mit bürgerlichem Namen Langer. Der 44-Jährige ist Senior-Referent für Digitalisierung und Automatisierung bei der Sparkasse KölnBonn und Vorsitzender der Knochenbrecher. Zu seinen Hobbys zählt er Radfahren, Kochen, Haus und Garten sowie Musik machen, als DJ. Seine beiden acht und elf Jahre alten Söhne Henri und Eric durften ihm die Federn auf die Narrenkappe pflanzen.
„Ein Bauer, wie er im Buche steht“, feuerte Vehreschild die Stimmung an, als er zu Marcus (von Scheid) kam. „Auf dem Sportplatz ist er gnadenlos als Schiedsrichter.“ So spielt Fußball bei seinen Hobbys die größte Rolle. Ebenfalls 44 Jahre alt, hat er zwei Kinder und arbeitet als Daten Account Manager. Bei den Knochenbrechern ist er Kassierer.
Jungfrau Anni ist die Älteste im Bunde, wenngleich natürlich die Schönste. Stefan Wirts heißt sie eigentlich und ist 46 Jahre alt, selbstverständlich im Vorstand der Knochenbrecher aktiv. Der Diplom-Nachrichtentechniker ist beim WDR beschäftigt und programmiert im Hobby Webseiten und Smartphone-Apps. Kegeln und Karneval sind die weiteren Leidenschaften. Eines eint sie alle drei, das verriet das Stadtoberhaupt: Sie können Volksmusik nicht leiden. Einzige Ausnahme: Kölner Karnevalsmusik.
Clemens I. hat die Pandemie im Blick
„Tretet in den Sonnenschein des Siegburger Marktes.“ Jörg Sola-Schröder ignorierte den bedrohlichen grautrüben Himmel als er den designierten Siegburger Prinzen Clemens I. nebst seiner Siegburgia Susanne I. und Gefolge nach vorne bat.
Angesichts der vielen hundert gut gelaunten Jecken und Vereins-Offiziellen die zur Karnevalseröffnung den Marktplatz erobert hatten, war der Komitee-Präsident auf Optimismus gebürstet. Doch räumte er umgehend ein, jetzt Sendepause zu haben, als der Frohsinns-Herrscher Heft und Mikrofon in die Hand nahm. Er präsentierte sich sofort als einer, der das Sagen hat. Und zwar im positivsten Sinn des Wortes.
„Der echte Jeck weiß, wann es Zick zum Fiere und Zick zum Dahemblivve es“, rief er. Und: „Wir werden beäugt, aber wir haben die Pandemie im Blick und werden nichts erzwingen.“
Mit der Erfahrung seines Berufs schärfte der Palliativmediziner die Sinne, „die vielen Mittel zur Bekämpfung der Pandemie“ zu nutzen. „Mir fiere jeck und nicht quer“ sagte er und erklärte unter Beifall alle zu „Jeck-Denkern.“ Sein Zuversicht wirkte ansteckend, jedenfalls werden es ihm auch Tom I. und Lotta I. danken, dass er coram publico versprach, das Kinderprinzenpaar „so oft es geht“ einzubeziehen wenn die „großen“ Tollitäten op Jöck jonn.
An Bürgermeister Stefan Rosemann wandte er sich mit der Androhung, er werde mit seiner Siegburgia (Prinz Clemens: „Die Frau die SU im Namen trägt“) ganz gewiss das Rathaus einnehmen und der Stadtchef „wird von Rosemann zum Rosenmontags-Mann.“ Der Verwaltungschef hatte nämlich zuvor im Brustton der Überzeugung versichert, er werde der erste sein, der in Siegburg einen Ansturm abwehrt: „Ich werde alles tun, das nicht vorhandene Rathaus zu verteidigen. Die Tür ist vorne und hinten offen, ihr könnt geradewegs durchlaufen.“
Die Bühne gehörte anschließend den Tanzgarden, Musikgruppen und Spielmannszügen und einem DJ, der die Feierhungrigen bei Laune hielt. Für Siegburgia Susanne I. war es ein „fantastischer Auftakt.“ Sie fühle sich „bestens angenommen. „Die Herzlichkeit und Freude der Menschen waren einfach nur schön.“