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Prozess in BonnPädagoge missbrauchte seinen Ziehsohn jahrelang in Lohmar

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Der Eingang des Bonner Landgerichts.

Der Eingang des Bonner Landgerichts. Hier wurde gegen den 54-jährigen Pädagogen wegen schweren Kindesmissbrauchs verhandelt.

Erst als junger Erwachsener teilte sich das Opfer mit und überführte den Täter mit Handymitschnitten.

Drei Jahre war das Kind alt, als seine Mutter einen studierten Heilpädagogen kennenlernte, der sich in mehreren Einrichtungen um behinderte oder autistische Kinder gekümmert hat. Bald schon übernahm der neue Freund die Erziehung des kleinen Jungen, er ging mit ihm zum Arzt, setzte sich in Klassenpflegschaften, machte mit ihm Urlaub und wurde der wichtigste Ansprechpartner des Kindes. Die Mutter hatte offenbar keine Beziehung zu ihrem Sohn aufgebaut.

Nach mehreren Jahren trennte sich das Paar. Als die Mutter schließlich mit einem neuen Lebensgefährten zusammenziehen wollte, stellte sie ihren mittlerweile 13-jährigen Sohn vor die Wahl: Entweder bleibst du bei dem Ziehvater oder du gehst ins Kinderheim, so soll die Mutter ihren Sohn unter Druck gesetzt haben. Der Jugendliche entschied sich gegen das Kinderheim, obwohl zu dem Zeitpunkt die sexuellen Übergriffe bereits im vollen Gange waren, wie im Prozess deutlich wurde. Das war im Jahr 2014.

Die Mutter erzählte dem neuen Lebensgefährten nichts von ihrem Sohn

Zehn Jahre später hat das Bonner Landgericht den heute 54-jährigen Pädagogen und Ziehvater des Jungen wegen sexuellen, auch schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Schutzbefohlenen in 83 Fällen zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Fälle - ursprünglich waren 338 Taten angeklagt - hatten sich alle innerhalb eines Jahres in Lohmar und Bergisch Gladbach abgespielt; nach dem 30. Mai 2015 brachen die Übergriffe ab.

„Wir wissen nicht genau, warum“, sagte der Kammervorsitzende Wolfgang Schmitz-Justen im Urteil, „vielleicht, weil der nunmehr 14-Jährige eine Freundin hatte oder weil der Junge nicht mehr in das sexuelle Beuteschema des Angeklagten passte.“ Der Junge jedoch, auch das ungewöhnlich, blieb und lebte weiter im Haushalt des Mannes, seine Mutter wollte nichts von ihm wissen. Wie im Prozess offenbar wurde, hatte sie ihrem neuen Lebensgefährten nicht einmal erzählt, dass er existierte.

Im Jahr 2021 schließlich sah der mittlerweile 20-Jährige eine TV-Dokumention über sexuellen Missbrauch, der Satz in dem Beitrag, dass die meisten Opfer schwiegen, spülte seine Erinnerung wieder hoch. Er wollte nicht mehr über das Geschehene schweigen und den Missbrauch öffentlich machen.

Um Beweise für seine Vorwürfe zu haben, verwickelte er seinen Ziehvater in ein Gespräch und hielt ihm konkrete Details der sexuellen Übergriffe vor, was er heimlich mit seinem Handy aufzeichnete. Auch die Antworten des 54-Jährigen, der gegenüber dem 20-Jährigen freimütig alles einräumte, wurden aufgezeichnet. Damit ging das Missbrauchsopfer zur Polizei.

Die Polizei fand bei einer Durchsuchung knapp 1000 Dateien mit Missbrauchsdarstellungen

Bei einer Durchsuchung fanden die Ermittler weiteres belastendes Material bei dem Pädagogen: knapp 1000 Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen, die Bilder seines Ziehsohnes inklusive. Dafür war der Angeklagte bereits im Jahr 2021 vom Amtsgericht Siegburg zu sechs Monaten mit Bewährung verurteilt worden.

Für den Kindesmissbrauch brauchte die Bonner Staatsanwaltschaft jedoch bis zum Herbst 2024, um Anklage zu erheben. Die 2. Große Jugendschutzkammer terminierte den Fall sofort. Der Angeklagte, der trotz der Vorwürfe auf freien Fuß ist, hatte auch hier ein umfassendes Geständnis abgelegt, auch erzählt, dass er zunehmend homosexuelle Neigungen sowie einen ausgeprägten Fußfetischismus entwickelt habe.

Der Sohn musste unter Ausschluss der Öffentlichkeit ebenfalls als Zeuge aussagen, was ihm erkennbar schwergefallen sei, so Schmitz-Justen: Immerhin war „der Mann auf der Anklagebank sein Vater, weil er keinen anderen hatte“. Die Folgen des Missbrauchs bekommt der heute Erwachsene deutlich zu spüren: Außer Schlafproblemen und Albträumen sei der junge Mann im Berufsleben kaum in der Lage, mit männlichen Kollegen zusammenzuarbeiten.

Ohne ein Geständnis des Angeklagten, so der Richter weiter, wären es einige Jahre mehr im Gefängnis geworden. Drei Monate bekam der 54-Jährige zudem wegen der langen Verfahrensdauer abgezogen. Darüber hinaus muss der Mann seinem Ziehsohn 15.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.