Rhein-Sieg-Kreis – Es braucht nicht viel, um zu erkennen, dass im Zusammenhang mit der Impfkampagne um das Astrazeneca-Sonderkontingent für über 60-Jährige einiges gehörig falsch gelaufen ist. Es reicht zum Beispiel ein kurzer Blick auf die zahllosen Briefe und E-Mails von wütenden, empörten, ratlosen und verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern, die auch unsere Redaktion seit Ostern erreichen.
Nie zuvor hat – gemessen an der Zahl der Zuschriften – ein Thema die Menschen hier in den vergangenen Jahren so beschäftigt und bewegt wie das österliche Impfchaos. Das ist verständlich nach mehr als einem Jahr Pandemie, die auch Wohlmeinende zermürbt hat.
Mürbe macht, wenn das Sonderkontingent über ausgewählte Hausarztpraxen verimpft, aber nicht kommuniziert wird, welche Praxen das sind. Mürbe macht, wenn 200 Bürger, die sich massiv beschweren, dann mit einer Impf-ID ruhig gestellt und damit privilegiert werden. Mürbe macht auch, wenn der Rhein-Sieg-Kreis eine E-Mail-Adresse für Fragen rund um Pandemie und Impfung einrichtet, aber Bürger, die sich an diese Adresse wenden, die Antwort bekommen, man möge die Kreisverwaltung bitte nicht weiter belästigen und Rat bei der Kassenärztlichen Vereinigung suchen.
Rhein-Sieg: Kritik ist aus Sicht der Koalition unerwünscht
Umso befremdlicher wirkt, wie Vertreter der schwarz-grünen Kreistagskoalition im Gesundheitsausschuss auf Kritik reagieren. Wohlgemerkt: Mit Kritik sind nicht jene Hass-Tiraden gemeint, die Social-Media-Nutzer unter dem Schutz der Anonymität absondern. Anstatt Fehler offen zu diskutieren, wollen CDU und Grüne lieber über das sprechen, was seit Beginn der Pandemie in der Region gut gelaufen ist. Wer sich da nicht einreihen möchte, wird abgekanzelt.
Aus Sicht der CDU sind die Kritiker des Landrats Sebastian Schuster und der Kreisverwaltung schlicht von der SPD aufgestachelt worden – womit man diesen Kritikern letztlich eine eigene Meinung abspricht. Und Ingo Steiner, der Fraktionschef der Grünen, versteigt sich zu der gewagten Behauptung, dass Kritik in Zeiten der Pandemie nicht angebracht sei, weil sie spalte.
Wer so simpel argumentiert, sollte sein politisches Selbstverständnis dringend auf den Prüfstand stellen. CDU und Grüne sollten sich fragen, ob sie gewählt wurden, um den Landrat, den sie unterstützen, in Nibelungentreue gegen jegliche Kritik zu verteidigen oder ob sie ihr Mandat nicht vielmehr erhalten haben, um die Interessen der Menschen in dieser Region zu vertreten und deren berechtigte Anliegen ernst zu nehmen.