„Eine bodenlose Frechheit“Bürger wegen Impftermin-Vereinbarung in Rhein-Sieg empört
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Rhein-Sieg-Kreis – Der Sonderweg stößt auf Proteste: Anders als im übrigen Nordrhein-Westfalen müssen im Rhein-Sieg-Kreis über 60-Jährige beim Hausarzt Impftermine vereinbaren. Die zusätzlichen Astrazeneca-Dosen sollen nicht im Impfzentrum verabreicht werden, weil dort keine Zeit für eine medizinische Beratung sei, das hatte der Landrat am Donnerstag, kurz vor den Osterfeiertagen, bekannt gegeben. Helmut Luda aus Windeck hat sich daraufhin ans Telefon gehängt und rund 30 Hausärzte kontaktiert, vergebens: „Es ist mir nicht gelungen, auch nur eine dezentrale Impfeinheit auszumachen.“
Der 63-Jährige gehört sogar zur Priorisierungsgruppe 2, er pflegt seinen 92-jährigen Vater. Doch der wohnt in Köln. Dort darf der Sohn nicht zur Impfung, und um im Kreis den begehrten Piks zu bekommen, müsste der Vater nach Windeck umziehen, „da hier Senioren und Pflegepersonen nur zuhause geimpft werden“, erklärt Luda im Telefonat mit unserer Zeitung. Andernorts seien die Impfzentren schon über Ostern hochgefahren worden, so Luda, „die über 60-Jährigen im Kreis hat der Landrat hingegen komplett abgeschaltet“.
Windecker: „Sonderweg kostet zahlreiche Bürger Zeit und Nerven“
Der Windecker bemängelt auch den Informationsfluss. Das Kreis-Gesundheitsamt sei von Gründonnerstag, 17 Uhr, bis zum heutigen Dienstag, 8 Uhr, nicht erreichbar. Der Sonderweg kostete zahlreiche andere Bürger Zeit und Nerven, das dokumentieren die Einträge auf der Facebook-Seite der Kreisverwaltung. „Nachdem wir den ganzen Tag am PC und am Telefon verbracht haben, wurde uns am Telefon nach acht Stunden erklärt, dass der RSK einen Alleingang in Sachen Terminvergabe macht“, empörte sich eine Frau. „Eine bodenlose Frechheit.“
Als Antwort kam eine Entschuldigung und die Information: „Durch die Verteilung gelingt uns eine schnellere Impfung.“ Das bezweifelt Dr. Werner Fuchs aus Ruppichteroth, der sich schriftlich an die Redaktion wandte: Es sei unklar, an welche Hausärzte die Impfdosen verteilt würden. „Wenig transparent und wenig hilfreich.“ Sie befürchte einen Ansturm auf die Hausarztpraxen nach den Osterfeiertagen, beschwerte sich eine weitere Bürgerin beim Kreis: Wohl kein Hausarzt habe „am Samstag um 9 Uhr“ am Telefon gesessen und „die Impfwünsche der Patienten“ aufgenommen.
„Als ob die Krankheit selbst nicht schon schlimm genug ist“
Ein nachösterliches Chaos befürchtet die SPD-Kreistagsfraktion, sie sieht die Bevölkerung in der Region abgehängt: Erhalte ein Hausarzt keine Impfdosen, müsse er auf eine Schwerpunktpraxis verweisen, was dazu führen könnte, dass Patienten leer ausgingen, kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anna Peters, die genaue Informationen vermisst, in einer Pressemitteilung. Hier sei Geduld gefragt, während Impfwillige aus Bonn „ihren Termin schon ab Samstag über die Kassenärztliche Vereinigung buchen konnten“.
Der Ruppichterother Werner Fuchs zieht sein Fazit: „Unfassbar! Ich fürchte mich davor, was uns bürokratiebedingt noch alles in dieser Pandemie erwarten wird. Als ob die Krankheit selbst nicht schon schlimm genug ist.“
Deshalb geht der Rhein-Sieg-Kreis einen Sonderweg
Zu den Beschwerden hat der Rhein-Sieg-Kreis Montagnachmittag Stellung genommen. Demnach seien die Kapazitäten im Impfzentrum Sankt Augustin bis zum 18. April ausgelastet, „wir hätten insgesamt sechs Wochen benötigt, um die Menge Impfstoff an die Menschen zu bringen“.
Eine dezentrale Impfung sei im Erlass des Landes aufgeführt. Die Arztpraxen hätten bereits die Impfung von Grund- und Förderschullehrern sowie Erzieherinnen erfolgreich durchgeführt. Die 14.000 Impfdosen für die Gruppe Ü60 (132.000 Personen) würden nach einem Einwohnerschlüssel verteilt, „um wenigstens einen Hauch von regionaler Gerechtigkeit zu erzielen“.
Das Sonderkontingent komme ab Mittwoch bei den Hausärzten zum Einsatz. Die Mediziner seien durch die Kassenärztliche Vereinigung informiert worden, so Landrat Sebastian Schuster: „Ich kann verstehen, dass die Nerven blank liegen.“ Es gehe kein Impfstoff verloren.