Hennef/Eitorf/Windeck – Zwei Treffpunkte liegen nah am Bahnhof. Deshalb heißt das Projekt „Umsteigen“. Es geht allerdings nicht um Öffentlichen Personen-Nahverkehr, sondern um den Umstieg in ein Leben mit Perspektive. Die Caritas-Jugendhilfe-Gesellschaft St. Ansgar und das Jobcenter Rhein-Sieg wollen mit „Umsteigen“ 15- bis 25-Jährigen aus Hennef, Eitorf und Windeck helfen, für die es schwierig ist, in Schule oder Beruf Fuß zu fassen.
„Es ist schon sehr gut angelaufen“, sagte Sven Riedel nach fünf Wochen. Der in Streetwork erfahrene Teamleiter berichtete bei einer Impulsveranstaltung zum „Umsteigen“-Projekt von drei akuten Fällen, darunter ein 23-Jähriger.Der junge Mann mit Heimvergangenheit hat keine Wohnung, ist hoch verschuldet. Er zählt zur Zielgruppe. Wie beispielsweise auch Schulverweigerer, Jugendliche ohne geregelten Tagesablauf oder aus belasteten Familien, die keinen Halt geben, oder Heranwachsende ohne schulische oder berufliche Perspektive.
Corona-Pandemie hat Probleme bei Jugendlichen verschärft
Die Pandemie hat die Probleme verschärft. „Wir haben viele Jugendliche verloren“, sagte Anja Roth vom Jobcenter. Auch jungen Leuten, die noch gar nicht in die Sozialsysteme gelangt seien, könne man keinen Brief schreiben, schilderte Roth das Problem des fehlenden Kontakts. „Wir sind daher froh über anerkannte Partner, die das Vertrauen der Jugendlichen haben. Sie haben den Vorsprung, den wir gern nutzen wollen.“
Für Betroffene sind verschiedene Hilfen drin, sowohl Geld (Sozialleistungen) als auch die Vermittlung von „schulischen, ausbildungsbezogenen oder beruflichen Qualifikationen“. So steht es im Paragraf 16h des Sozialgesetzbuchs II unter der Überschrift „Förderung schwer zu erreichender junger Menschen“. Eine Formulierung, an der sich Sozialarbeiter Jürgen Meyer, der in Eitorf mit der Gut-drauf-Tanke unterwegs ist, stört. Aus Sicht der Jugendlichen sei es nämlich das Jobcenter, das „schwer erreichbar“ sei. Sein Team habe es einfach, sich bei den Jugendlichen bekannt zu machen, erklärte Sven Riedel. Er, Daniela Lips und Jasna Mangel-Budojevic gingen dorthin, wo sie sich aufhielten: auf zentrale Plätze, auf Schulhöfe, in Parks, auf Skateranlagen, in die Jugendtreffs und das auch in den Abendstunden und an Samstagen. Zudem würden die Schulen kontaktiert.
Räume in Herchen-Bahnhof und im Generationenhaus am Hennefer Bahnhof
Für „Umsteigen“ sind außerdem Räume in Herchen-Bahnhof und im Generationenhaus auf der Südseite des Hennefer Bahnhofs eingerichtet worden. In Herchen stehen neben einem Büro ein großer Gruppenraum, eine Sofa-Ecke, eine Küche und eine Waschmaschine nebst Trockner zur Verfügung.
Für zwei Jahre seien die Kosten einschließlich der drei Fachkräfte (zwei volle Stellen) über das Jobcenter refinanziert, erklärte der pädagogische Einrichtungsleiter von St. Ansgar, Sascha Dinspel. Seine Kollegin Nina Bürvenich sagte: „Das innovative Kooperationsprojekt mit dem Jobcenter ermöglicht es, ganz neue Wege in der Jugendhilfe zu gehen.“ Und wenn die jungen Leute dies wünschten, seien auch Freizeitangebote und Gruppenabende möglich.
Bürvenich betonte, dass die Gespräche mit den Jugendlichen vertraulich blieben und dass bei einem Kontaktabbruch keine Sanktionen drohten. Das bestätigte Anja Roth vom Jobcenter. Denn man wolle nach Kontaktherstellung nicht das gewonnene Vertrauen wieder kaputt machen, sondern „zeigen, dass wir unkompliziert sind, dass wir Hilfestellung geben und Anträge einfach zu stellen sind“.
Damit „Umsteigen“ funktionieren könne, seien kurze Dienstwege wichtig und dass sich das Jobcenter öffne, sagte der Leiter des Eitorfer Jugendcafés, Thomas Nolden. Die Aussage, dass mit der Förderung nach Paragraf 16h eine Versorgungslücke geschlossen werde, kommentierte Nolden mit der Feststellung, dass man sich in den Jugendtreffs schon seit Jahren um diese Lücke kümmere. „Wir wollen keine Konkurrenz sein“, versicherte daraufhin der „Umsteigen“-Fachkoordinator im Jobcenter, Jan Rathke.
Ute Krämer-Bönisch begrüßte das Projekt. Die Leiterin des Jugendhilfezentrums des Rhein-Sieg-Kreises an der Oberen Sieg sagt, sie hoffe, dass das Angebot auch für Jugendliche gelte, die keinen Anspruch auf Jobcenter-Leistungen hätten. Anja Roth bestätigte dies. „Wir fragen nicht: Bist du ein SGB-II-Kunde?“