KriminalitätspräventionInnenminister Reul überzeugt sich vom Projekt „Kurve kriegen“
Siegburg – Vor seinem Wahlkampfauftritt in der Innenstadt hatte sich Innenminister Herbert Reul (CDU) Zeit genommen für die Initiative „Kurve kriegen“. Landrat Sebastian Schuster kannte das Projekt, denn seit 2016 gibt es dieses schon am Polizeipräsidium Bonn, zu dem der linksrheinische Rhein-Sieg-Kreis inklusive Bad Honnef und Königswinter gehören. Im Rechtsrheinischen mit 370 000 Einwohnern konnte er als oberster Chef der Kreispolizei das Projekt erst jetzt an den Start bringen. „Mit pädagogischen Mitteln setzen wir an, um die schon im jungen Alter straffälligen Mädchen und Jungen vor kriminellen Karrieren zu retten“, sagte Schuster. „Es geht auch darum, die potenziellen Opfer vor diesen Tätern und Täterinnen zu schützen.“
„Ich war total skeptisch“
„Wir schließen eine Lücke“, freute sich Reul, der seine anfängliche Skepsis vor „Kurve kriegen“ nicht verhehlte. „Ich war total skeptisch. Dann habe ich einen Beitrag gesehen, und ich war überzeugt.“ Seit zehn Jahren gibt es das Projekt, zum Geburtstag gab es noch mal Geld aus dem Landeshaushalt, so dass weitere weiße Flecken auf der Landkarte geschlossen werden konnten. „Es hilft, das ist evaluiert“, so Reul.
Ein unabhängiges Unternehmen hat geprüft und herausgefunden, dass für einen Jugendlichen zwar 26 000 Euro ausgegeben werden müssten, aber dadurch bis zu 1,7 Millionen an Kosten eingespart würden, sollte er im Alter von 25 Jahren immer noch Intensivtäter sein. Frühe Hilfe statt später Härte ist der Ansatz, deshalb muss die Intervention so früh wie möglich erfolgen.
Dabei arbeiten Polizisten und Pädagogen eng zusammen. „Was soll das denn geben? Ist der Lackmustest zu bestehen? Viel Kritik gab es am Anfang“, berichtete der Minister. „Soll die Polizei jetzt Sozialarbeit machen, und die Sozialarbeit Polizei sein?“ Doch das habe es im vergangenen Jahrzehnt nie gegeben. „Hier sind Profis am Werk. Fast 800 junge Leute haben die Kurve gekriegt.“ Bevor das Pendel in Richtung Intensivtäter ausgeschlagen sei, die angedrohte Haft griff, konnten Karrieren gedreht werden. „Das ist ne tolle Geschichte“, lobte Reul die etwa 90 Fachkräfte, die sich schon beteiligen. „Knast ist nicht cool, das haben wir vermitteln können. Das ist langwierig und schwierig, aber irre lohnend.“
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Jörg Cadsky und Markus Rieger sind die pädagogischen Fachkräfte für den neuen Start. Sie kommen aus der Suchthilfe, „Update“ heißt der Träger der freien Jugendhilfe, hinter dem Caritas und Diakonie gemeinsam stehen. Ihr polizeilicher Ansprechpartner ist Jörg Seeger, ein erfahrener Polizeihauptkommissar aus dem Bereich Prävention. Er identifiziert die möglichen Teilnehmer in Absprache mit den polizeilichen Dienststellen und den Jugendämtern. „Das ideale Alter ist 13 Jahre, kurz vor dem Ende der Strafunmündigkeit können wir am meisten erreichen.“
Mitmachen können aber alle Acht- bis 17-Jährigen. Das Programm ist freiwillig, wie Rieger erklärte, der einen systemischen Ansatz fährt. Die Eltern werden stets mit ins Boot geholt, ohne Einverständnis funktioniere es nicht. Mindestens zwölf Monate dauert es, die durchschnittliche Teilnahmedauer liegt bei zwei Jahren. Engmaschig werden die Maßnahmen in gemeinsamen Gesprächen kontrolliert. Für jeden Jugendlichen wird ein individuelles Hilfspaket geschnürt. „Es ist Kriminalprävention mit der Injektionsnadel, nicht mit der Gießkanne“, versicherte Reul. Drei Teilnehmer gibt es schon im Kreis. „Wir suchen die Risikofaktoren, die Ressourcen und Defizite und entwickeln passgenaue Hilfen“, beschrieb Cadsky den Ansatz. Jetzt geht es auf die Suche nach Partnern, denn ohne Vernetzung sind Veränderungen nicht erreichbar.