Beim Dorftag outete sich Werfen als kreative Goldgrube und Ideenschmiede. Hier leben reichlich Menschen, die Lust haben, sich zu vernetzen.
DorftagWarum ein 600-Seelen Ort in Windeck für viele Besuchende zum Sehnsuchtsort wird
Schön restaurierte alte und neue Häuser, blühende Wiesen, überbordende Gärten und wenig Platz für Autos: so lässt sich der rund 600-Seelen Ort Windeck-Werfen kurz beschreiben. Beim Dorftag outete sich Werfen als kreative Goldgrube und Ideenschmiede. Hier leben reichlich Menschen, die Lust haben, sich zu vernetzen. Im Rahmen des zehntägigen Stadt-Land-Fluss-Festivals, das derzeit in Windeck und im angrenzenden Westerwald stattfindet, trumpfte das Dorf mit einem ganztägigen Programm auf, das vor Individualität nur so strotzte und Werfen für viele Besucher zu einem Sehnsuchtsort macht.
„Späti“ hatte beim Dorftag in Windeck-Werfen gut lachen, an seinem zauberhaften Kiosk florierte das Geschäft. Jacob Anders, so heißt der Betreiber und Ortsbewohner, hat aber auch ein fantastisches Angebot in seiner Holzkiste, die einen in die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts versetzt. Gerade mal aufrecht stehen kann er darin. Bedient wird die Kundschaft durch ein Minifenster mit der gewünschten Ware. Die ist biologisch, fair, regional, also feinstes Naschwerk wie Ahoi-Brause und Dinkel-Kekse, Dattelstangen, Bio-Esspapier, ebenso rauchende Ware sowie kleine alkoholische Seelentröster sind im Sortiment.
Dörfler und Besucher genossen ausgiebig das Zusammensein
Clou ist das integrierte „Windecker Lichtspielhaus“. Durch ein Guckloch in Kinderaugenhöhe laufen Schattenspielfilme aus den 1920er Jahren. Späti hatte seine Bude auf Ertrag versprechendem Boden platziert, direkt neben dem Kuchenbuffet an der „Werfener Kunsthalle“, einem alten Schuppen, der dieser Tage abgerissen wird.
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Hier genossen Dörfler und Besucher ausgiebig das Zusammensein. Künstler Jan Bresinski stellte alle zehn ausstellenden Dorfbewohner, Künstler von Beruf und Hobbykünstler vor. Die jüngste war die neun Jahre alte Mathilda Hitschfeld, die älteste war die 95-jährige Hanna Himmeröder, die früher den Tante-Emma-Laden im Dorf hatte und naive Malerei zeigte.
Flohmarktstände, Mitmachzirkus und Hula Hoop luden zum Mitmachen
Sie spazierte wie immer mit Warnweste und einer Mütze mit der Aufschrift „Denkmal“ durch den Ort. Ulrich Franz und seine Mutter Marta, beide Ureinwohner, unterstützten wesentlich, sie stellen Grundstück, Haus, Scheune und ihren Backes, der zum Fotobackes umfunktioniert worden war, zur Nutzung bereit. In Letzterem zeigte Franz historische Fotos von Backes und Familie und von der Restaurierung. In der Halle hingen seine originalen Fotografien und Postkarten vom großen Fotografen August Sander.
Im langen Schwarm folgten Interessierte Ruth Bönisch beim Rundgang zu den Strohballen-Häusern im Dorf. Sie und Ehemann Matz, von Beruf Architekt, waren damals Pioniere auf dem Gebiet. „Wir hatten 1980 ein altes Haus im Urzustand gekauft. Dafür gab es im Dorf wenig Verständnis. Wir wurden damals mit Terroristen gleichgesetzt“, erzählt die inzwischen anerkannte Mutter. Die Bauweise wurde immer weiter verbessert. Im Dorf gibt es heute sechs Strohballen-Häuser.
Zum Paradies für Kinder trägt Kinderliedermacher Dominik Merscheid bei
Auf dem Weg von den beiden Hauptveranstaltungsorten Kunsthalle in der Feldstraße und Bühne am Werferstein (von Irene Fuchs zur Verfügung gestellt) luden Flohmarktstände, Mitmachzirkus, wandernde Kinderschminkerei, Korbflechten, Hula Hoop zum Mitmachen ein. Nach morgendlicher Dudelsack-Eröffnung und Klavierstücken vom Baum-Pianist kam die große Stunde der „4 Verrückten“ mit ihrer herausragenden Oma-Show.
Die Freundinnen Roma, Mathilda, Lotta und Liesel, neun bis 13 Jahre alt, spielten Omas, jede über einhundert Jahre alt. In Bademäntel, mit hohen Absätzen, schrägen Brillenmodellen und Pfeifen im Mund legen sie los. Im Spiel sind sie mit 80 nochmal Mutter geworden. Ihren Nachwuchs sind sie schnell leid und feuern ihn schließlich. „Wir sind ihnen peinlich, weil wir altmodisch sind“, beschreibt Lotta die Grundidee. „Die holen wir uns auf der Straße. Wir gehen durch den Ort und reden mit den Leuten, da bekommen wir die besten Ideen für unsere Stücke.“
Zum Paradies für Kinder trägt wesentlich Kinderliedermacher Dominik Merscheid bei. Mit Kollegen spielte und sang er Quatsch mit Strophen. Die „Omas“ flippten aus und hüpften im Rhythmus auf der Straße tüchtig mit. Merscheid und Dorfbewohnerin Kai Grabenhorst hatten die Fäden bei der Organisation des Dorftages in der Hand. „Uns ist es wichtig, das die Alteingesessene und die vielen jungen Neubürger, die Leben ins Dorf bringen, sich gut vernetzen.“ Hochwillkommen waren alle Besucher. Im Fladen-Laden gegenüber der Bühne gab es Stärkung, denn neben Insektenpunk auf der Akustikgitarre, Blues von Blauwer Vogel & Friends oder Hits und Nieten aus 50 Jahren Pop luden die Tanzsause und die Flying Tornados zum Abzappeln ein. Ein dickes Lob für den Ort, bitte mehr von allem.