Michele Di MartinoEin Rennfahrer auf Tour im Windschatten von Schumi
Lesezeit 5 Minuten
Eitorf – Motorsport gilt als gefährlich und teuer. Michele di Martino verbringt seine Freizeit trotzdem seit frühester Kindheit hinter dem Steuer eines Rennwagens. Heute heizt er mit 270 Kilometern pro Stunde über den Nürburgring.
So sieht das Büro eines stolzen Vaters aus: an den Wänden Bilder über Bilder des Sohnes. Michele di Martino als kleiner Junge im Kart, auf dem Siegerpodest, im BMW auf dem Nürburgring. Seit er fünf Jahre alt ist, fährt der mittlerweile 23-Jährige Rennen, inzwischen bei großen Turnieren wie denen der Veranstaltergemeinschaft Langstreckenrennen Nürburgring (VLN) und dem 24 Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.
Marco di Martino hat aber nicht nur die Wände seines Büros mit Erinnerungen beklebt – der Eitorfer war es, der seinen Sohn überhaupt erst zum Motorsport gebracht hat. Er ist selbst motorsportbegeistert, ist lange Motorrad gefahren. Nach einem schweren Unfall wollte er für seinen Sohn aber eine sicherere Sportart finden. So kamen sie zum Kartfahren als gemeinsames Hobby.
Für Michele wurde bald mehr daraus: Schon nach kurzer Zeit nahm er an den ersten Rennen teil. Sein Vater unterstützte ihn, baute ein eigenes Kartteam auf – das „Jedi Racing Team“. Di Martino Senior ist Unternehmer, führt eine Kunststofffirma. Auf dem Firmengelände schuf er Platz für eine Werkstatt. Dort schraubten die beiden an ihren Fahrzeugen herum, wenn sie nicht gerade auf Wettkämpfen unterwegs waren.
Als Team machten sie sich in der deutschen Kart-Szene schnell einen Namen, Sohn Michele erwies sich als talentierter Nachwuchsfahrer. 2012 wurde er sogar Vize-Europameister im Schaltkart. Das hatte vor ihm lange kein Deutscher mehr geschafft. „Dieses Rennen war zugleich mein größter Sieg und meine größte Niederlage“, sagt di Martino.
Er ärgert sich immer noch, weil ihm damals ein Fehler passierte, der ihn letztlich den Titel kostete: „Ich bin in der ersten Runde ins Grasbett gerutscht und dadurch neun Plätze zurückgefallen.“ Auch gegen den Rekord-Formel1-Weltmeister Michael Schumacher hat er schon gewonnen – 2011 war das, bei einem Meisterschaftsrennen.
Wie schon Schumi vor ihm wechselte auch di Martino schließlich vom Kart zum großen Rennwagen. Mit 20 Jahren war es bei ihm so weit. Für ihn war es ein unausweichlicher Schritt. „Kartfahren ist ein toller Sport, wird aber in Deutschland leider total unterschätzt“, sagt er. „Dort gab es für mich keine Perspektive.“ Als BMW mit dem M235i-Cup 2014 auf dem Nürburgring eine neue Rennserie für Nachwuchsfahrer startete, stieg er ein und fuhr seine erste Saison im Tourenwagen.
Studium in Koblenz
In der VLN brettert er inzwischen in einem 520 PS starken Gran Turismo (GT) 3-Fahrzeug über den Eifel-Rundkurs. Zum Profi reicht es bisher nicht, di Martino kann noch nicht von den Rennen leben – er hat eine Ausbildung zum Industrie-Mechatroniker gemacht und studiert unter der Woche in Koblenz Mechatronik. An den Wochenenden, die er nicht auf der Rennstrecke verbringt, arbeitet er zu Hause in Eitorf in der Kunststofffirma seines Vaters.
Der hat seinem Sohn die ersten Jahre seiner Rennkarriere finanziert. „Motorsport ist leider nicht für jeden zugänglich, man muss schon Eigenkapital mitbringen“, sagt Michele di Martino. Eine Saison in einer Langstreckenrennserie kann locker um die 50.000 Euro kosten. Das war di Martinos Vater die Sache zwar lange wert, inzwischen muss er aber nicht mehr alle Kosten tragen: Micheles Team und Sponsoren übernehmen einen großen Teil der Ausgaben. „Darüber bin ich echt glücklich“, sagt er.
Später väterlichen Betrieb übernehmen
Bis heute ist di Martino vor jedem Rennen aufgeregt. „Ich versuche dann, die Nervosität mit viel Humor wegzubekommen“, sagt er, „und bevor es dann raus auf die Strecke geht, atme ich unterm Helm noch mal tief durch.“ Sein Vater, der ihn zu jedem Rennen begleitet, ist dagegen nicht so gelassen. „Er fiebert immer total mit und ist meist die nervöseste Person im ganzen Team“, sagt Michele di Martino.
In der neuen Saison wird er wie schon im Vorjahr für das Team Walkenhorst starten. Egal, wie erfolgreich das Jahr wird, eins ist klar: „Mein Vater ist mein größter Fan und zugleich mein bester Freund.“ Der Motorsport hat die beiden richtig zusammengeschweißt. „Mein Vater ist immer mit Herzblut dabei“, sagt Michele.
Als Gegenleistung ist es für den Sohn selbstverständlich, dass er den väterlichen Betrieb irgendwann übernehmen wird. Zwischen Studium, Arbeit und Motorsport bleibt kaum Freizeit.
Aber das stört den Rennfahrer nicht. „Ich kann vielleicht an den Wochenenden nicht so viel feiern gehen wie andere in meinem Alter“, sagt er. „Aber ich bin ja noch jung und kann das später nachholen.“
Tourenwagen und GT-Fahrzeuge
Serien-Pkw, die ein Rennstall für seine Zwecke aufrüstet, bezeichnet man als Tourenwagen. Für den Einsatz im Motorsport werden in die Autos Überrollkäfig, Feuerlöscher, Hosenträgergurte und ein Hauptschalter eingebaut.
Gran Turismo (GT)-Fahrzeuge basieren im Gegensatz zu Tourenwagen auf Sportwagen und Coupés mit nur zwei Türen, die meist in kleinerer Stückzahl produziert werden und von Haus aus leistungsstärker sind. Je nach Reglement der Rennserie kann ein Fahrzeug sowohl als Tourenwagen als auch als GT-Fahrzeug gelten. In Deutschland gibt es verschiedene Rennserien für Tourenwagen und GT-Fahrzeuge. Neben der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf dem Nürburgring sind die Deutschen Tourenwagen Masters und die ADAC GT Masters bekannt.