AboAbonnieren

„Schöner als Wacken“1200 Fans trotzen bei Kärbholz-Festival in Windeck Regen und Matsch

Lesezeit 4 Minuten
Zwei tätowierte Männer in Gummistiefeln waten durch den Schlamm auf einem Campingplatz mit Zelten. Einer trägt eine Kärbholz-Jacke.

Gummistiefel sind beim Festival der Ruppichterother Band Kärbholz ein Muss auf den matschigen Wegen des Campingplatzes.

Bereits am Mittwoch reisten die ersten der Fans aus ganz Deutschland zum Festival der Ruppichterother Band an.

„Hinterwald“ – dieses oft von ihrer Lieblingsband besungene Örtchen liegt dort, wo Kärbholz-Fans zusammenkommen. Zum Beispiel auf dem „Heimspiel“-Festival am Freibad in Rosbach, wo die Ruppichterother Band einmal jährlich ihr eigenes Konzert-Wochenende veranstaltet.

An zwei Tagen bekommen die Fans brachialen Deutsch- und Punkrock von befreundeten Bands auf die Ohren, Kärbholz sind an beiden Abenden der Headliner. Schon am Mittwoch, während an der Bühne auf dem Parkplatz des Freibads noch gewerkelt wurde, reisten die ersten Fans an – und trotzen seitdem dem Matsch auf dem Campingplatz.

Camping auf dem Kärbholz-Festival in Windeck: 80 Kilo Holzkohle und drei Kühlschränke

Ein Großzelt aus sechs Pavillons hat sich die Gruppe von Patrick Marunde und Sven Ziaja aus Lohmar gebaut. Unter einem steht der Schwenkgrill, auf dem Ziaja Würstchen, Steaks und Käsetoasts brutzelt. „Der Pavillon über dem Grill ist extra etwas älter, er hat zwar Löcher, aber man kann im Trockenen grillen“, sagt Marunde. Die übrigen Pavillons verfügten über Regenrinnen. „Das Wetter kann uns nichts anhaben – die haben sogar einen Hagelschauer überstanden“, fügt er hinzu.

Vier nackte Beine stehen bis zu den Knöcheln im Matsch.

Manchmal ging es auch ganz ohne Gummistiefel.

Ihre Vorräte können sich sehen lassen: „Wir haben 80 Kilo Holzkohle, 100 Liter Sprit für den Generator, drei Kühlschränke und eine Kühlbox“, listet Ziaja auf. „Jeder bringt was mit. Gestern gab es Burger, heute Rührei. Und morgen macht der Küchen-Bulle Bratkartoffeln mit Pulled Chicken“, so Marunde, der zum neunten Mal beim Heimspiel zeltet. „Es ist familiärer, netter als auf großen Festivals. Und man trifft die Leute vom letzten Jahr wieder. Wir haben auch wieder Nachbarn adoptiert, die keinen Pavillon haben – die gehören jetzt zu uns“, sagt er.

Rücksichtnahme den Windecker Nachbarn gegenüber sei wichtig, betonen die Kärbholz-Fans

Gegenseitige Rücksichtnahme sei den Kärbholz-Fans wichtig, auch den Windecker Nachbarinnen und Nachbarn gegenüber. „Wir machen die Musik nicht so laut wie wir könnten. Um Mitternacht ist hier eh Schluss. Ich hätte auch keinen Bock, wenn jemand seine Musik hämmert, während ich schlafen will“, äußert Marunde Verständnis.

Vor dem Pavillon-Sextett ist der Weg über den Campingplatz längst zum Matschpfuhl geworden. Wer keine Gummistiel trägt, geht am besten gleich barfuß. Eltern ziehen ihre Kinder auf aufblasbaren Gummitieren durch den Schlamm. Morgen, sagen die Fans, wollen sie einmal hineinspringen, jetzt aber bräuchten sie ihre Kostüme noch.

Vier Männer stehen unter einem Banner, auf dem steht: „Willkommen im Kärbholz-Land“.

Und um sie geht es: Sänger Torben Höffgen, Bassist Stefan Wirths, Gitarrist Adrian Kühn und Schlagzeuger Henning Münch sind Kärbholz.

Rund 600 Festivalbesucherinnen und -besucher campen jeweils auf den beiden Zeltplätzen an der Lindenpützer und der Obernauer Straße. Es gibt mobile Toiletten und Wasserstellen. Auch mit Wohnmobilen sind viele Fans angereist, sie kommen aus ganz Deutschland nach Windeck.

Die schwarzen Klamotten mit den Logos anderer Punkrock-Bands wie Betontod oder Feuerschwanz gehören genauso zum Erscheinungsbild wie die tätowierten Körperteile. Mit einer Dose Bier in der Hand ziehen sie zum „Hinterwaldstübchen“, einem Partyzelt, in dem der Donnerstag mit einem Frühschoppen begann und mit einer feucht-fröhlichen Punkrock-Party endete.

Das Heimspiel-Festival sei schöner als Wacken, sagt ein Fan aus Solingen

Aus ganz Deutschland setzt sich auch die Gruppe um Alex Pirsch, selbst aus Solingen, zusammen. Eltern habe ihre Kinder mitgebracht. „Es gibt definitiv kein familiäreres Festival als dieses – du kannst dich überall dazu setzen oder dir bietet jemand einen Schlafplatz an. Das Heimspiel ist schöner als Wacken – du kommst nach Hause“, sagt der 52-Jährige. „Wir sind 26 Leute, morgen kommen noch mehr. Die Musik brauch ich gar nicht, die höre ich bis hierhin.“

Ein Mann wirft einen Ball in Richtung einer Leiter.

Die Zeit auf dem Campingplatz vertreiben sich die Fans mit Leitergolf.

Auch die Band übernachtet an dem Heimspiel-Wochenende auf dem Gelände. Sänger Torben Höffgen, Bassist Stefan Wirths, Gitarrist Adrian Kühn und Schlagzeuger Henning Münch haben ihre Wohnwagen und überdachten Pick-Ups am Sportplatz der Spvgg Hurst-Rosbach abgestellt, wo sich auch der Backstage-Bereich befindet. Seit sie ihr eigenes Festival am Fronleichnams-Wochenende veranstalten, ist der Feiertag zum Familientag für Fans und Anwohner geworden.

Seit über zehn Jahren findet das Kärbholz-Festival am Freibad in Windeck-Rosbach statt

„Wir laden das Umfeld zum Frühschoppen ein, um uns und das Festival kennen zu lernen“, sagt Münch. Durch den zusätzlichen Tag werde außerdem die Anreise entzerrt. Inzwischen aber seien „alle im Dorf unserer Seite. Das ist ein kleines Wacken“, ergänzt Höffgen.

Seit über zehn Jahren findet das Festival am Freibad in Rosbach statt. „Es erfüllt uns mit Stolz, was daraus geworden ist. Die Leute kommen aus ganz Deutschland her für eine große, große Party. Wir haben vorhin eine Runde über den Zeltplatz gedreht, man hört da die tollsten Dialekte“, beschreibt Höffgen. Rund 50 Songs spiele die Band an beiden Abenden. „Für uns ist das doof – wir müssen mehr proben“, sagt Münch.

Sogar drei Auftritte absolvieren Kärbholz auf ihrem eigenen Festival bis Samstag – denn der Überraschungsact am Freitagnachmittag sind: sie selbst.