Der 33-Jährige wird nun per Haftbefehl gesucht. Die Verhandlung wurde vertagt.
Landgericht BonnAngeklagter erschien nicht – Prozess um Totschlag im Wald von Eitorf vertagt
Alle waren da, die für ein ordentliches Gerichtsverfahren gebraucht werden: Strafkammer, Verteidiger, Staatsanwalt, Vertreterin der Nebenklage, Jugendgerichtshilfe, Sachverständiger – nur einer der zwei Angeklagten fehlte gestern zum Auftakt eines Totschlagprozesses vor dem Bonner Landgericht.
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Schmitz-Justen wies nach einer angemessenen Wartezeit von 15 Minuten die Polizei an, den 33-Jährigen zu suchen und ins Gericht zu bringen. Als das nicht gelang, unterschrieb Schmitz-Justen einen Haftbefehl und vertagte die Hauptverhandlung bis zum 17. Oktober.
Verteidiger hat seit zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten
Sollte der Angeklagte bis dahin nicht gefasst worden sein, könnte der Prozess platzen. Das scheint möglich, denn der Flüchtende gehört der Obdachlosen- und Drogenszene an und soll an wechselnden Orten leben. Zeitweise saß er eine Strafe in der JVA Rheinbach ab. Die Ladung zum Gericht war ihm ans Don-Bosco-Haus in Siegburg zugestellt worden; es ist aber nicht sicher, ob er sie überhaupt gesehen hat. Seine Eltern wissen nicht, wo der Sohn sich aufhält, auch Verteidiger Martin Kretschmer hat seit zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten.
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Der 33-Jährige und der 23-jährige Mitangeklagte standen im Frühjahr 2021 vor dem Bonner Jugendschöffengericht, weil sie in der Nacht zum 22. Juli 2020 in einem Waldstück bei Eitorf einen Kumpel (46) — alle drei stammen aus dem Drogenmilieu — grausam getötet haben sollen.
Unter den Dreien war es zu einem Streit gekommen, dabei sollen die Angeklagten den Älteren gefoltert haben, indem sie ihm einen schweren Ast auf den Kopf geschlagen, eine abgebrochene Bierflasche in den Bauch gerammt und ihm dann mit einer Schaufel das Gesicht zertrümmert haben. Anschließend soll das Duo die Leiche in einen trockenen Bachlauf gelegt und den Kopf mit Spiritus angezündet haben. Der mit Astwerk bedeckte Tote wurde Anfang August 2020 von einer Joggerin entdeckt.
Im Prozess belasteten sich die Angeklagten gegenseitig. Die Richter sprachen im März 2021 den damals 29-Jährigen frei und verurteilten den 19-jährigen Heranwachsenden zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und ordneten seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.
Verteidiger und Staatsanwalt hatten mit Erfolg Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt
Sein Verteidiger und der Staatsanwalt legten mit Erfolg Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Das höchste Gericht hob das gesamte Urteil unter anderem wegen „fehlerhafter Beweisführung“ auf, weil nicht genügend erörtert worden sei, ob nicht beide Angeklagte einen gemeinsamen Tatplan hatten oder der Ältere die Übergriffe des Jüngeren nachträglich gebilligt habe.
Zudem habe das Jugendschwurgericht versäumt, den damals 19-Jährigen darauf hinzuweisen, dass es ihn als Alleintäter verurteilen werde. Diese sogenannte „Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage“ ist einem Angeklagten laut Strafprozessordnung mitzuteilen. Das Verfahren muss deshalb vor einer anderen Kammer des Landgerichts neu aufgerollt werden.
Nach der Entscheidung des BGH tauchte der 33-Jährige unter, der andere wurde aus der Haft entlassen. Er saß gestern schmal und mit blassem Gesicht allein auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger Peter-René Gülpen. Wiederholt fielen ihm die Augen zu, sodass der Vorsitzende Richter ihn ermahnte: „Ich habe keine Lust, Sie alle zwei Stunden wecken zu lassen“.