Zwei Politikerinnen, ein Politiker, ein Bildungsexperte und ein Künstler diskutierten angeregt über Stärken und Schwächen der Europäischen Union.
„Eitalk“ im Theater am ParkPolitexperten halten in Eitorf flammende Plädoyers für Europa
Eitorfs Kulturmanager Thomas Feldkamp und Heimatvereinsvorsitzender Alwin Müller hatten für die Europawoche in der Sieggemeinde einen eigenen „Eitalk“ eingeschoben. Gut vorbereitet baten sie fünf bekennende und hochkarätige Europa-Fans auf die Bühne des Theaters am Park. Anders als sonst gab es keine Live-Musik, zudem saßen alle Gäste gemeinsam vor dem Publikum.
Um es gleich vorweg zusagen: Nicht nur der erfahrene Talkshow-Gänger Dr. Norbert Röttgen empfand es wohl als angenehm, dass niemand den anderen ins Wort fiel und der Tonfall ruhig blieb, anders als bei so manch krawalligem TV-Format. Das war sicher dem Respekt voreinander, aber auch der aufmerksamen Gesprächsführung der Moderatoren geschuldet.
Den Anfang durfte Thomas Baumgärtel machen. Der Bananensprayer will in der profanisierten Kirche St. Josef Harmonie ein Museum einrichten will. Der Kauf zieht sich allerdings in die Länge: „Die Mühlen Gottes mahlen sehr langsam“, meinte er. Die erste Vernissage im geplanten Museum wird wohl nicht in diesem Jahr stattfinden. „Wir haben Probleme, uns als Europäer zu verstehen“, kritisierte er, „ein bisschen mehr Europastolz wäre gut.“
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Als Grande Dame der Sozialdemokratie und erster weiblicher Bankenvorstand der KfW, der Kreditanstalt für den Wiederaufbau, vorgestellt, blickte Ingrid Matthäus-Maier erst einmal zurück. „Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, dass sie uns wieder aufgenommen haben“, sagte sie in Richtung der anderen Nationen. Die Deutschen hätten schließlich halb Europa im Zweiten Weltkrieg verwüstet.
Sie unterstützte Baumgärtel mit ihrer Haltung, dass zu wenig gemacht wird zur Frage: „Was hat Europa den Menschen gebracht?“ Matthäus-Maier zitierte Willy Brandt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“ Vor allem aber erinnerte sie daran: „Die Deutschen haben am meisten vom Euro profitiert.“
„Aus Erzfeinden sind Freunde geworden“, setzte Alexandra Geese an, Mitglied des Europäischen Parlaments der Bündnisgrünen. „Schaffen wir es nicht mehr, die Menschen zu begeistern?“, fragte sie. „Europa ist ein Opfer des eigenen Erfolges geworden.“ Und meinte damit die vielen Selbstverständlichkeiten, die die Gemeinschaft erreicht hat: Reisefreiheit, die Selbstverständlichkeit, nicht beschimpft zu werden, Frieden. „Die Aussage, alles Schlechte kommt von Brüssel, das ist falsch.“
Holger Hansen, Leiter der Volkshochschule Rhein-Sieg, hob den Wert von Bildung hervor. In zahlreichen Kursen seiner Institution stecken Europathemen drin. 18 Sprachen werden unterrichtet. Sein Plädoyer: „Als junger Mensch muss man Europa erfahren.“ Genauso ist so etwas wie das Erasmus-Programm in der Erwachsenenbildung möglich.
Es sei eine faszinierende Idee gewesen, Kriege in Europa zu beerdigen, befand Dr. Norbert Röttgen, Mitglied des Bundestages der CDU. „An uns Europäern liegt es, dass Krieg aus Europa verbannt wird“, sagte er mit Blick auf den Überfall Russlands auf die Ukraine. Wenn Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA gewinne, werde das schnell zum Thema.
An den Europäern liegt es, dass Krieg aus Europa verbannt wird
„Die Europäische Union ist ein Sehnsuchtsort für Milliarden Menschen“, erklärte er. Kriege, Klima, Hungersnöte, es gebe viele Gründe für Migration. „Unser Herz ist sehr groß, die Möglichkeiten haben Grenzen“, so Röttgen. Es müsse verkraftbar sein, in Schulen und Gemeinden. „Das haben wir in den letzten Jahren nicht so gut gemacht.“ Deutlich machte er indes: „Wir dürfen nicht zu einer Festung Europa werden. Aber unsere Freiheiten dürfen wir nicht aufgeben.“
Seinen Traum von einer Weltregierung skizzierte Baumgärtel, der am 24. Februar 2022, nach dem Überfall auf die Ukraine, zusammengebrochen sei. „Ich möchte nicht in einer Diktatur leben“, deklamierte er, der schon 1993 Wolf Vostells Werk „Ruhender Verkehr" in europäischen Farben besprüht hatte. Wo die geflüchteten Ukrainer hinsollen, tauchte als Frage auf. Bürgermeister Rainer Viehof durfte beschreiben, wie gut die Verteilung der Flüchtlinge in seiner Kommune läuft.
Matthäus-Maier vermutete, dass Europa zu kompliziert für die Menschen geworden ist. Dabei brauche es eine so große Gemeinschaft, um den großen Unternehmen etwas entgegenzusetzen, wie jüngst mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Google. Sie schoss wie Röttgen und Gees scharf gegen Ungarns Präsident Viktor Orbán, der sich quer stelle, und stellte das Konsensprinzip bei Entscheidungen auch in Steuer- und Außenpolitik in Frage. Einig waren sich alle: „Wir sind sehr stark, wenn wir zusammenhalten.“