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Deutsche BahnMit dem Lokführer durch das Siegtal unterwegs – „Am schönsten ist es ab Siegburg“

Lesezeit 4 Minuten
Blick aus dem Führerstand eines Regionalexpresszugs. Zu sehen sind die Schienen, Oberleitungsmasten und ein rotes Bahnhofsgebäude im Hintergrund. Auf einem Gleis stehen rote Waggons einer S-Bahn.

Einfahrt in den Bahnhof Windeck-Au, ein wichtiger Knotenpunkt im Bahnverkehr.

Lokführer Detlef Ottersbach und seine Kollegen kennen jeden Zentimeter zwischen Siegen und Aachen. Dass Züge einmal autonom fahren, glauben sie nicht.

„Am schönsten ist es siegaufwärts ab Siegburg.“ Detlef Ottersbach muss es wissen. Er kennt jeden Zentimeter zwischen Siegen und Aachen, zumindest rechts und links der Bahngleise. Der 60-Jährige ist Lokführer in Windeck-Au und steuert regelmäßig den Regionalexpress 9.

Elf Minuten Puffer in Köln

Auch sein Kollege Frank Eising (55) aus Köln und Teamleiter Sven Köhler (35) aus Siegen haben eine Vorliebe für das Siegtal. Zwischen Köln und Aachen machten Lärmzäune die Strecke unattraktiv.

Der Windecker Ottersbach hat an diesem Morgen schon einen RE9 nach Aachen gefahren. In Köln läuft er auf der Rücktour mit ein wenig Verspätung am Bahnsteig drei ein. „Wir haben hier elf Minuten Puffer“, beruhigt ihn Teamleiter Sven Köhler.

Der 35-Jährige hat sein Büro in Siegen und ist Ansprechpartner unter anderem für 35 Lokführer des RE9. Um selbst die Lizenz zu behalten, muss er 100 Stunden im Jahr eine Lok steuern. Deshalb ist er am Morgen schon aus Siegen nach Köln gefahren.

Intercity und Flaggschiff der alten Bundesbahn hat er schon gefahren

Detlef Ottersbach gehört mit mehr als 36 Dienstjahren zu den alten Hasen auf der Schiene. Er hat bei der damaligen Deutschen Bundesbahn auf dem Deutzer Feld begonnen und ist, wie seinerzeit üblich, beamtet worden. Er hat Diesel-(Rangier-)Loks, Güter- und Intercity-Züge gefahren. Mit etwas Wehmut denkt er an die Baureihe 103 (ursprünglich 03) zurück.

Das einstige Flaggschiff der DB-Flotte hat Ottersbach unter anderem auf der Rheinstrecke mit beige-roten und grau-roten Waggons gesteuert. Die Lok war auf Geschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde ausgelegt.

Der Talent-Zug trägt den Spitznamen Hamster

Vom Lokführer-Stützpunkt Windeck-Au fährt Ottersbach aktuell außer dem RE9 die Bahnen der S12 und S19. Für die Elektrotriebwagen 420 und 423 hat er ebenso die Fahrerlaubnis wie für die Baureihen 146, die ältere 140 und die ganz alte 111 – und natürlich für den „Hamster“, wie der Talent 2 wegen seiner ausgeprägten Backen an der Front unter Eisenbahnern heißt.

„Mehr oder weniger ja“, antwortet der 60-Jährige auf die Frage, ob Lokführer sein Traumberuf war. Das lustigste Erlebnis seiner vielen Dienstjahre hatte Ottersbach in einem Triebzug. Auf freier Strecke gab es einen Notruf aus einer der Toiletten. „Ich bin bis zum nächsten Bahnhof gefahren und dann nach hinten gegangen.“ Dort fand er ein Pärchen, das den Knopf wohl versehentlich erwischt hatte. Andere Fahrgäste wunderten und amüsierten sich.

Ein Mann mit Brille sitzt im Führerstand einer Eisenbahn-Lokomotive. Er trägt eine blaue Jacke; vor sich hat er das Armaturenbrett der Lok.

Lokführer Detlef Ottersbach hat viele Jahre Erfahrung in seinem Beruf.

Der RE9, Köln 10.23 Uhr, hat an diesem Morgen sechs Dostos, Doppelstock-Waggons, Gesamtgewicht 438 Tonnen, davon die Lok 82 Tonnen. 4200 Kilowatt bringen den Zug auf 160 Kilometer pro Stunde zwischen Porz und Troisdorf.

Ab Au seien dann nur noch maximal 110 Kilometern pro Stunde erlaubt, vor allem wegen der kurvigen Strecke, erklärt Köhler. Drei bis vier Minuten Verspätung wieder herauszufahren sei aber kein Problem, verrät Ottersbach. Wenn er den Zug auf 60 abbremst, haben Reisende den Eindruck, er schleicht.

Sicherheitsschaltung fordert alle 30 Sekunden ein Signal

An erster Stelle steht bei den Eisenbahnern die Sicherheit. Ständig hat Detlef Ottersbach einen Fuß auf dem Pedal oder einen Finger auf einem der Knöpfe der Sicherheitsfahrschaltung (Sifa). Alle 30 Sekunden muss er kurz loslassen, für die Technik das Signal, dass er noch da ist. Ähnlich muss der Lokführer bestätigen, dass er Signale registriert hat.

Vergisst er das einmal oder fährt er an Kontrollstellen zu schnell, wird der Zug sofort auf der Strecke gestoppt. „Das ist wie bei den Blitzern auf der Straße. Nur, dass wir die Züge aus Sicherheitsgründen komplett zum Stehen bringen“, erklärt Sven Köhler.

Das ist wie bei den Blitzern auf der Straße
Sven Köhler über die Sicherheitsfahrschaltung

Dass Züge einmal autonom durch die Landschaft fahren, glauben die Lokführer nicht. Natur und Menschen an der Strecke seien immer für Überraschungen gut, die keine Automatik erfassen könne, ist sich Köhler sicher.

In Siegen übergibt Detlef Ottersbach an seinen Kollegen Frank Eising. Der 55-Jährige ist seit 15 Jahren bei der Deutschen Bahn. Vorher war er Elektriker und Haustechniker. Er ist in Köln stationiert und fährt außer dem RE9 schon mal den RE8 von Koblenz über Troisdorf nach Mönchengladbach. „An der Sieg wollte ich immer mal die Brücken zählen, über die ich fahre“, verrät er.

Die Kollegen bei Personalengpässen mal eben von einer auf die andere Strecke umzusetzen, sei gar nicht so einfach, erklärt Teamleiter Köhler. Neben der Ausbildung auf unterschiedlichen Lokomotiven und Triebzügen sei Streckenkunde notwendig.

Die Männer und Frauen auf den Führerständen müssten wissen, was sie auf den Gleisen erwartet, wo welche Signale stehen und wie die Bahnhöfe beschaffen seien. Mindestens viermal Mitfahren sei vor dem Alleineinsatz Pflicht. Eine Besonderheit der Siegstrecke: Von Siegen bis Betzdorf wird bis 123,3 Kilometer hochgezählt, danach geht es rückwärts von 82,7 über 58,4 in Schladern bis null in Köln-Deutz.