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BundestagswahlFabio Centorbi (Volt) aus Rheinbach: „Befinden uns am Wendepunkt in der Politik“

Lesezeit 5 Minuten
Fabio Centorbi, der Bundestagskandidat für die Partei Volt.

Fabio Centorbi aus Rheinbach kandidiert für Volt für den Wahlkreis 91 für den Bundestag.

Fabio Centorbi (26) will für Volt in den Bundestag. Er kandidiert erstmals im Wahlkreis 91 (Kreis Euskirchen/Erftstadt, Brühl, Wesseling)

Am 23. Februar sind rund 350.000 Wahlberechtigte zwischen Bedburg und Wesseling aufgerufen, ihre Stimme bei der Bundestagswahl abzugeben. In den beiden Wahlkreisen des Rhein-Erft-Kreises bewerben sich 17 Kandidaten um ein Direktmandat. Der Wahlsieg in einem der Wahlkreise wird voraussichtlich für einen Einzug in den Bundestag reichen. Wir stellen in loser Reihenfolge die Bewerber vor – diesmal Fabio Centorbi, der im Wahlkreis 91 (Kreis Euskirchen/Erftstadt, Brühl, Wesseling) für Volt antritt. Die Fragen stellte Jörn Tüffers.

Wann haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren? Gab es eine Initialzündung?

Mein politisches Interesse besteht insbesondere seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit Annektierung der Krim im Jahr 2014. Folgend habe ich mich dann immer intensiver mit politischen Themen beschäftigt. Seit der Europawahl 2024 und deren folgendem Rechtsrucks in ganz Europa habe ich mich dann entschlossen, dass es mit passivem Zuschauen nicht mehr getan sein kann. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich dann auch aktiv politisch engagiert und bin im Sommer 2024 der Partei Volt beigetreten.

Welches politische Ereignis hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten bewegt/berührt?

Ein für mich sehr bewegendes Ereignis war der Angriff Russlands auf die Ukraine, insbesondere natürlich die seit dem Februar 2022 wütende großflächige Invasion. Außerdem die Europawahl 2024. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wenden sich immer mehr Parteien nach rechts oder rennen rechten bis rechtsextremen Narrativen hinterher. Forderungen nach Grenzschließungen und das Ausweisen sämtlicher Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund kannte man in meiner Erinnerung nur aus dem rechtsextremen Lager der AfD oder NPD/Die Heimat. Doch heute sind dies Forderungen der „politischen Mitte“ und damit voll und ganz in der Gesellschaft angekommen und akzeptiert.

Welcher Politiker hat am meisten für den Kreis geleistet?

Das ist eine Frage, auf die ich leider keine eindeutige Antwort geben kann. Wenn ich nun beeindruckende Personen aus den oberen Voltkreisen wie Damian Böselager oder Maral Koohestanian nenne, werden diese nur wenigen etwas sagen. Unter derzeit bekannten und etablierten Politikerinnen und Politikern Vorbilder zu nennen, fällt mir jedoch schwer, da keine dieser Personen meine Erwartungen an Kompetenz, Aufrichtigkeit und Führungsqualitäten erfüllen. Herr Habeck ist jemand, den ich am ehesten als Vorbild ansehen würde. In meinen Augen besticht er insbesondere mit Aufrichtigkeit. Er ist sich nicht zu fein, Fehler einzugestehen, diese anzusprechen und die bestehenden Probleme anzugehen. Auch versucht er, eine sehr faktenbasierte Politik zu leben und sich nicht von Populismus hinreißen zu lassen.

Wie erklären Sie jemandem in Berlin, was der Rhein-Erft-Kreis ist?

Der Rhein-Erft-Kreis mit Euskirchen erstreckt sich vom „Tor zur Eifel“ bis an die Grenzen der Kölner Metropole. Während die Städte Brühl, Wesseling, Erftstadt und Euskirchen das wirtschaftliche und kulturelle Rückgrat dieses Wahlkreises bilden, findet man in den ländlicheren Gebieten eine wunderschöne Naturlandschaft, die zum Wandern und Erholen einlädt. Die Region besticht zudem durch ihre ausgezeichnete infrastrukturelle Anbindung an die umliegenden Großstädte und bietet damit einen guten Rückzugsort, um nach dem Arbeitstag runterzukommen.

Was wollen Sie als Abgeordneter in Berlin erreichen?

Eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung, mehr soziale Gerechtigkeit und eine menschenwürdige und gleichzeitig durchführbare Migrationspolitik. Eine dieser vielen Ideen möchte ich aufgreifen: die Gesundheitsversorgung. Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Krankenhäuser wegrationalisiert und Hausarztpraxen auf dem Land immer unattraktiver werden und auf der anderen Seite keine Maßnahmen getroffen werden, um eine zuverlässige Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und Patientinnen und Patienten mitunter heute schon Monate auf wichtige Untersuchungen warten müssen. Es braucht eine medizinische Versorgung, die die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und vernünftiger Gesundheitsfürsorge bildet.

Wie würden Sie einen Nichtwähler davon überzeugen, sein Kreuz auf dem Stimmzettel zu machen?

Wir befinden uns am Wendepunkt in der deutschen Politik und Gesellschaft. Überall, aber vor allem von rechts wird propagiert, wir hätten ein Problem mit Migration. Ob Trump oder Merz, alle sehen die Ursache unserer derzeitigen Probleme in Schutzsuchenden und Migranten , also einer kleinen marginalisierten Minderheit. Gegen diese Minderheit wird seit Jahren konsequent vorgegangen, mit ausbleibendem Erfolg. Es wird wieder Zeit, dass wir davon loskommen, für unsere Probleme einen Sündenbock in einer schutzbedürftigen Minderheit zu suchen. Es wird wieder Zeit für eine stabile Sozialpolitik, die auf die Bedürfnisse des Volkes eingeht. Es wird wieder Zeit, sozial zu wählen! Denn jede Nicht-Wahl ist eine indirekte Stimme für die Faschisten der AfD, die an einem Narrativ arbeiten, das wir so zuletzt vor 80 Jahren in Deutschland erlebt haben.

Wer ist besser als Kanzler geeignet: Merz oder Scholz?

Meiner Meinung nach ist dies eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Herr Scholz war und ist kein guter Kanzler. Ihm fehlt die Stärke, sich durchzusetzen, und er ist in den Jahren seiner Kanzlerschaft vom „Klimakanzler“ zum „Abschiebekanzler“ verkommen. Er hat mehr und mehr die Werte der SPD, seine Werte, aufgegeben und ist vor der FDP zu Kreuze gekrochen. Herr Merz hingegen fährt seit Jahren eine aktiv menschenfeindliche Politik und rennt den rechten Narrativen hinterher, um ja auch noch die letzten rechtsextremen Wählerstimmen einzufangen. Er ist Teil des Problems, weshalb sich die deutsche Politik immer menschenfeindlicher gibt.

Welchem Ihrer Mitbewerber würden Sie den Einzug ins Parlament gönnen und fachlich zutrauen?

Ich gönne den Einzug jeder und jedem sozialen und demokratischen Politiker und halte die meisten von ihnen auch für fachlich kompetent. Mit welchem Politiker würden Sie niemals ein Bier trinken gehen? Diese Frage ist einfach: mit keinem Politiker der AfD, denn mit Faschisten rede ich nicht!


Zur Person

Fabio Centorbi wurde 1998 in Bad Kreuznach geboren. Der Soldat lebt mit seiner Frau in Rheinbach. Er sagt: „Das Durchschnittsalter im Bundestag ist extrem hoch. Ich will mich dafür einsetzen, dass auch junge Visionen, Pragmatismus und alle Themen der Gesellschaft, auch der jüngeren Menschen, wieder eine Rolle spielen.“

Volt ist mit mehr als 160 Mandatsträgern in sechs Staaten sowie im EU-Parlament vertreten. Die Partei will die EU so reformieren, dass globale Herausforderungen gesamteuropäisch gelöst werden können. Bei der Kommunalwahl 2020 holte Volt in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Münster, Paderborn und Siegen Mandate.