Rhein-Erft-Kreis – Seit Montag kann sich jeder gegen das Coronavirus impfen lassen – die Priorisierung bestimmter Personenkreise und Bevölkerungsgruppen ist aufgehoben. Auch Kinder und Jugendliche können jetzt geimpft werden; die Europäische Kommission hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde für Kinder ab zwölf Jahre zugelassen. Kinderärzte berichten von großer Nachfrage – doch der Impfstoff ist nach wie vor knapp.„Es stehen bereits mehrere Hundert Namen auf unseren Wartelisten. Aber wir können die Impfungen nicht verteilen wie Gummibärchen“, sagt der Wesselinger Kinderarzt Daniel Ring. Es sei zu wenig Impfstoff da. In seiner Praxis werde er zunächst Jugendliche ab 16 Jahren impfen. „Wir sind zurückhaltend mit dem Impfen der jüngeren Kinder und möchten Studien mit aussagekräftigeren Zahlen abwarten.“
Nur Risikopatienten mit chronischen Krankheiten wie Asthma oder einer Immunschwäche bekommen bereits ab zwölf Jahren die begehrte Impfung. Auch bei den ab 16-Jährigen priorisiert Ring. „Wenn Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr viele Kontakte zu Kranken haben oder im Kindergarten arbeiten, dann haben sie Vorrang.“
Erftstädter Kinderarzt will erst Empfehlung der Stiko abwarten
„Tatsächlich riefen bei uns schon viele Eltern an und baten um Termine“, berichtet Kinderarzt Mathias Decker, der seine Praxis in Erftstadt-Liblar hat. Grundsätzlich werde er auch Kinder von zwölf bis 16 Jahren impfen. Doch will der Arzt zunächst die Empfehlung der Ständigen Impfkommission genau studieren. Schließlich berge jede Impfung ein gewisses Risiko.
Zum anderen hätten die Menschen Vorrang, die das Vakzin dringender bräuchten. Zu ihnen gehörten Familienangehörige, deren Kinder geschützt werden müssten. Seit sechs Wochen werde dieser Personenkreis geimpft, für diese Woche sind nur Zweitimpfungen geplant.
Erwachsene buchen Impftermine bei Hürther Kinderarzt
Der Hürther Kinder- und Jugendarzt Dr. Andreas Petri plant für den heutigen Dienstag die ersten Impfungen in seiner Praxis in Hermülheim. „Geimpft werden zunächst 16- und 17-jährige Jugendliche mit Vorerkrankungen“, sagt der 59-jährige Arzt. Den Impfstoff musste Petri bereits vor einer Woche bestellen. Wie viel Vakzin tatsächlich geliefert wird, erfuhr der Arzt erst am Tag vor dem Impftermin. Auch das trage zum großen logistischen Aufwand bei, der gerade für eine Einzelpraxis eine Herausforderung sei.
„Wir müssen die Patienten frühzeitig einbestellen und für solche, die nicht erscheinen, Ersatz haben, denn der zubereitete Impfstoff ist nach sechs Stunden nicht mehr verwertbar“, sagt Petri. Er will verhindern, dass Dosen verfallen. Zudem brauche er geschultes Personal – auch zur Aufbereitung des Impfstoffs – und geeignete Räume, damit sich Impflinge und andere Patienten nicht mischten.
Auch viele Erwachsene, die nichts mit der Kinderarztpraxis zu tun hätten, hätten nach Impfterminen gefragt, einige hätten sich gleich selbst welche über ein Online-Portal gebucht. Denen muss Petri nun absagen.
„Wir gehen weiter nach Priorisierung vor“, sagt der Kinderarzt. Auf seiner Impfliste stehen junge Patienten mit chronischen Erkrankungen ganz oben. Kinder zwischen zwölf und 16 will Petri erst impfen, wenn die Ständige Impfkommission eine Empfehlung gegeben hat. „Wenn wir die ersten Erfahrungen mit der Impfung gemacht haben, dann werden wir auch mehr Kinder impfen.“ Vorausgesetzt, der Impfstoff stehe bereit.
Corona-Impfung für Jugendliche: Kerpener Arzt sieht sich in einem Dilemma
In der Praxis des Kinderarztes Ralf Groß in Kerpen-Sindorf ist ein Ansturm bislang ausgeblieben. Dies könne auch daran liegen, dass die Praxis gerade eine Woche wegen Urlaubs geschlossen war, sagt Groß. „Vorher gab es schon viele Anrufe.“ Manche Eltern fragten „sehr energisch“ nach einer Impfung für ihre Kinder. Als Arzt sieht sich Groß in einem Dilemma: Auf der einen Seite sei es Wunsch der Politik, möglichst viele Kinder impfen zu lassen, um schneller eine Herdenimmunität zu erreichen. Anderseits gebe es die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, die mehr den einzelnen Patienten im Blick habe. Groß: „Das ist ja alles noch im Fluss.“
Für Kinder sei das Corona-Risiko nicht so hoch wie für ältere Erwachsene, sagt Groß. Er orientiere sich an der Stiko-Empfehlung und entscheide von Fall zu Fall. So empfehle er eine Impfung bei Kindern ab zwölf Jahren nur bei bestimmten chronischen Erkrankungen – etwa bei Trisomie. Bei Kindern unter zwölf Jahren, für die es noch keinen zugelassenen Impfstoff gebe, sollten sich die älteren Familienangehörigen impfen lassen.