Rhein-Erft-Kreis/Frechen – „Man bekommt das Gefühl, es ist ein Krieg ausgebrochen. Allmählich verlieren wir den Glauben in die Menschheit.“ Die Teamleiterin einer Hausarztpraxis in Frechen, die namentlich nicht genannt will, berichtet von schwierigen Zuständen für die medizinischen Fachangestellten und die Ärzte, seit die Hausarztpraxen vor zwei Wochen in die Impfungen eingestiegen sind.
„Viele Patienten werden ausfallend, sie verlangen geimpft zu werden, und sie wollen es an der Impfordnung vorbei“, sagt die leitende Erstkraft. Das sei nicht nur in ihrer Praxis so, in der vier Ärzte und sechs medizinische Fachangestellte tätig seien. „Das ist nach Berichten von Kolleginnen überall so.“
Rhein-Erft: Hausärzte haben Angst vor Handgreiflichkeiten
Der Wunsch nach einer Impfung sei ja nachvollziehbar. „Natürlich sind jetzt alle nervös, das ist verständlich.“ Immerhin sei der Impfstoff knapp – die Praxis habe in der ersten Woche 42 Impfdosen und in der zweiten 48 zugeteilt bekommen. Nun aber spielten sich wegen des Impfstoffmangels vor und in der Praxis regelrechte Dramen ab. „Wenn wir die Tür öffnen, um die Patienten zu holen, geht es schon los“, sagt die Frau, die solche Zustände in 45 Berufsjahren noch nicht erlebt hat. „Da wird schon geschrien »Ich bin dran« oder »Ich bekomme die Impfung«.“ Die Leute fingen schnell an zu toben, sie würden aggressiv und böse. Das Team habe Sorge, dass einer der Patienten handgreiflich werden könnte.
Sie versuche, ruhig und sachlich zu bleiben und den Patienten den Ablauf zu erklären. „Es muss da Gerechtigkeit geben. Bei uns kommen die Schwerkranken zuerst an die Reihe“, sagt die Arzthelferin. „Es gibt beispielsweise Leute, die vor einer Chemotherapie stehen – die erhalten eine Impfung.“ Die Entgegnung eines Patienten auf diese Erläuterung sei die Krönung im negativen Sinn gewesen: „Warum impfen Sie die? Die sterben doch eh.“
„Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen“
Nach der vorigen Woche, der ersten, in der die Hausärzte geimpft hätten, sei das gesamte Team fix und fertig gewesen. „Wir haben uns gesagt, wir nehmen uns jetzt alle bei der Hand und springen vom Balkon“, sagt die Fachangestellte.
Es falle zudem auf, dass Patienten Geschichten erfänden, um sich in der Impfreihenfolge nach vorn zu drängeln. „Auf einmal hat jemand schon seit 30 Jahren seine Eltern aufopferungsvoll gepflegt. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen, nur um an den Impfstoff zu kommen.“
Die Teamleiterin appelliert nun an die Impfwilligen, sich in Geduld und Sachlichkeit zu üben. „Wir wollen ja impfen. Aber das muss auch alles zivilisiert ablaufen.“