Mittlerweile treffen sich 27 Betroffene und vier Angehörige im Alter von 24 bis 78 Jahren regelmäßig in den Gruppen zum Austausch.
Wie ein „Totalausfall“Post-Covid-Selbsthilfegruppen in Rhein-Erft kämpfen für selbstbestimmtes Leben
„Hope“, Hoffnung steht auf ihrem Shirt. „Das ist für mich mehr als nur ein Wort“, sagt Dagmar Soldat nachdenklich. Für die Brauweilerin, die unter den Spätfolgen einer Corona-Infektion leidet, ist Hoffnung der Motor, für sich und andere Betroffene von Post Covid zu kämpfen. Für ein selbstbestimmtes Leben mit der Krankheit und für Genesung.
„Die Hoffnung ist noch immer da“, versichert Soldat. So schwer ihr das auch selbst manchmal fällt. „Es ist nichts mehr wie es war“, sagt sie und kann es selbst kaum glauben. Corona hat die Powerfrau im Februar 2022 ausgebremst. Vier Wochen lag sie krank zu Hause, doch auch nach ihrer vermeintlichen Genesung wurden die Symptome kaum besser.
„Ich bin erstmal wieder arbeiten gegangen“, sagt die pädagogische Gruppenleiterin einer Schulklasse im Offenen Ganztag. „Danach habe ich mich immer fürchterlich erschöpft gefühlt.“ Irgendwann ging gar nichts mehr. Zu der lähmenden Erschöpfung, dem chronischen Fatigue-Syndrom, kamen Muskelbeschwerden, Schlafstörungen und kognitive Ausfälle hinzu.
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Und gingen nicht mehr weg. „Ich habe Steine in den Beinen und Streusel im Kopf“, beschreibt es Dagmar Soldat. „Als wäre ich plötzlich zehn Jahre älter geworden.“ Unterstützung erhielt sie in der Familie, vor allem von ihren Söhnen. Von den Ärzten eher nicht, sagt Soldat. Das Krankheitsbild ist vielfältig und noch wenig erforscht.
Hausarzt nimmt Beschwerden nicht ernst
Studien zufolge können mehr als 200 Symptome auftreten, von Herzrhythmusstörungen über Haarausfall, Muskelschmerzen bis Diabetes. Die Krankheit kann fast alle Organe des Menschen betreffen. Von Long Covid spricht man bei anhaltenden Beschwerden mehr als vier Wochen nach der Corona-Infektion, von Post Covid, wenn die Beschwerden auch zwölf Wochen später noch andauern.
Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) haben mindestens zehn Prozent der Deutschen nach einer Corona-Erkrankung mit Langzeitfolgen zu kämpfen. Das sind rund eine Million Betroffene, denen es ähnlich geht wie Dagmar Soldat. „Mein Hausarzt hat mich überhaupt nicht ernst genommen“, sagt Soldat.
Sie war beim Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Neurologen, meist ging es um eine Linderung der Symptome. Auch die Warteliste für einen der begehrten Reha-Plätze ist lang. Dagmar Soldat konnte ihre Arbeit nicht mehr aufnehmen, Sozialkontakte liegen auf Eis. „Selbst das Duschen nach dem Frühstück kostet mich zu viel Kraft, das habe ich jetzt auf den Abend verschoben.“
Wütend und traurig habe sie die Situation gemacht. Dagmar Soldat beschloss, eigene Wege zu gehen und gründete im August eine Post-Covid-Selbsthilfegruppe in Frechen. Große Unterstützung erfährt sie dabei von Gabriele Miller Staudt vom Paritätischen Verband und vom Selbsthilfe-Büro Rhein-Erft-Kreis.
Die Gold-Kraemer-Stiftung stellt in Frechen kostenfrei einen Raum zur Verfügung. Dagmar Soldat traf auf Jana Groer, eine einst starke Frau wie sie, die früher im Sport Höchstleistungen vollbrachte und sich nun als „Totalausfall“ fühlt. „Als wäre der Körper nicht mehr meiner“, sagt sie. Mit ihrem Partner Jens Hansen hatte Groer im April dieses Jahres in Kerpen eine Selbsthilfegruppe gegründet.
Mittlerweile treffen sich 27 Betroffene und vier Angehörige im Alter von 24 bis 78 Jahren regelmäßig in den Selbsthilfegruppen zum Austausch. Für Monika Grewel ist die Gruppe ein großes Glück. Bei ihr führte die Krankheit zu einer Überreaktion des Immunsystems und heftigen Schmerzen. „Schon dafür ist die Gruppe gut“, sagt sie.
„Wir tauschen uns aus und verstehen einander. Andere halten einen ja manchmal für bekloppt.“ Sie seien inzwischen schon selbst zu Experten geworden, sagt Jana Groer. Gemeinsam besuchten sie in Düsseldorf die Kassenärztliche Vereinigung, um auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen und sich über den Stand der Forschung auszutauschen.
Sie tauschen Fachliteratur aus und informieren sich über Ärzte und Krankenhäuser, bei denen sie Hilfe fanden. „Wir lachen und weinen zusammen“, verrät Jana Groer. „Gemeinsam ermutigen und unterstützen wir uns und versuchen nach Kräften, unsere Lebensqualität zu verbessern.“
Dass ihnen das gelingt, davon sind sie überzeugt. „Es gibt ein Leben mit Post Covid“, sagt Dagmar Soldat und lächelt. „Und dieses Leben ist trotz allem schön. Unsere Hoffnung gibt uns Kraft.“