Dass Bewegung Long Covid-Symptome wie extreme Ermüdungszustände (Fatigue) verbessert, hat das Sport Institut in Overath herausgefunden.
ForschungOverather Sport Institut behandelt Long Covid mit Bewegung

Eine Lösung für Long Covid zu finden ist Björn Haiduks Ziel.
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Endlich wieder mit den Kindern spielen, endlich wieder arbeiten gehen: Für viele Menschen, die an Long Covid erkrankt sind, erscheint das unmöglich. Das sind laut bisher veröffentlichten Studien etwa sechs bis 15 Prozent derjenigen, die sich mit Corona infiziert haben. Sie leiden unter anderem an langanhaltender Erschöpfung (Fatigue), Belastungsintoleranz und Atembeschwerden. An Sport ist nicht zu denken, dabei ist das laut dem Sport Institut in Overath eigentlich die Lösung. Wie Long Covid mit Bewegung behandelt werden kann, erklärt Björn Haiduk, Gründer des Instituts, im Gespräch mit Oliver Wahl.
Seit wann forschen Sie bereits zu Long Covid?
BJÖRN HAIDUK: Die Forschung zu Long Covid begann hier vor etwa drei Jahren, als das Thema zunehmend in den Fokus rückte. Da habe ich entschieden: Wir entwickeln jetzt eine Lösung dafür. Im Jahr 2022 startete ich dann eine Kooperation mit Marijke Grau von der Deutschen Sporthochschule Köln, um die Tribal-Studie ins Leben zu rufen.
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Was kann man sich unter dem Wort Tribal vorstellen?
Tribal steht für Trainingsbasierte und Individualisierte Behandlung von Long Covid. Es basiert auf Erkenntnissen aus vorherigen Studien, teilweise auch aus ganzen anderen Bereichen. Das Ziel ist es Tribal als mögliche Therapiemaßnahme zu prüfen und fundierte Erkenntnisse über körperliche Veränderungen bei Long Covid-Patienten zu gewinnen. Das Modell erwies sich als ein echter Glückstreffer. Bisher mussten keine Anpassungen vorgenommen werden. Im Prinzip haben wir mit verbunden Augen einen 30 Meter entfernten Basketballkorb getroffen.
Kann Sport Long Covid heilen?
So würde ich das nicht sagen. Unsere bisherigen Studienergebnisse zeigen, dass unser Training dazu führt, dass die Patienten wieder therapeutisch unauffällig werden können.
Das bedeutet?
Dass sie am Alltag und an ihrer Arbeit teilnehmen können. Unser Programm ist in fünf Phasen aufgeteilt, je nach körperlicher Belastung. Dank des Trainings bewegen sich die Patienten von Phase zu Phase, bis sie wieder arbeitsfähig sind. Das dauert im Schnitt etwa 264 Tage.
Das ist knapp ein dreiviertel Jahr.
Schnell geht es nicht. Aber so ist das. Wir müssen die Patienten da abholen, wo sie stehen. Dazu ermitteln wir unter anderem den Schweregrad, wir machen Blutuntersuchungen, wir messen, wie erschöpft sie sind. Die Patienten füllen auch einen Fragebogen über ihren Gesundheitszustand aus und machen einen Einstufungstest. Und danach beginnt das Training.
Wie sieht das aus?
Zwei- bis dreimal pro Woche trainieren die Patienten 30 Minuten lang. In den Phasen eins bis vier fahren sie 15 Minuten auf einem Ganzkörperergometer. Ab Phase fünf machen sie Intervalltraining. Hinzu kommen Entspannungs- und Atemübungen bis hin zu leichtem körperlichen Krafttraining. Entscheidend ist, dass die Hauptbelastung auf dem Ganzkörperergometer bleibt.
Das klingt sehr technisch für ein Sportgerät.
Ist es aber nicht. Man kann es sich vorstellen wie ein Fahrrad, nur dass die Patienten auch die Arme mitbewegen. Die Patienten müssen bis an ihre Belastungsgrenze trainieren. Der Ganzkörperergometer ist die Medizin, eine von uns entwickelte Software bestimmt die individuelle Dosis. Der ganze Körper muss in Bewegung gesetzt werden, um die roten Blutzellen zu beeinflussen.
Warum ist das wichtig?
Die Eigenschaften der roten Blutzellen sind bei Long Covid-Patienten verändert. Sie haben Erhebungen. Manche wachsen auch zusammen. Und das hat unter anderem einen Einfluss auf die Blutflussdynamik. Im Prinzip haben wir kein Benzin mehr im Körper, sondern eine Art Diesel. Normalerweise würde der Motor, also der Körper, ausgehen. Das macht er glücklicherweise nicht.
Aber?
Er setzt eine ganze Menge Gegenreaktionen in Gang, die zu den typischen Long Covid-Symptomen wie Fatigue führen. Bei den elf Patienten, die bei uns das Trainingsprogramm abgeschlossen haben, haben sich die Veränderung auf ein normales Niveau zurückgebildet. Das ermöglicht ihnen, wieder am Alltag teilzunehmen.
Nicht alle Patienten schließen das Programm erfolgreich ab, oder?
Nein. Aktuell haben wir insgesamt 145 Teilnehmer und es kommen immer mehr Anfragen. Nur wenige brechen aufgrund von Überbelastung ab, die kann man an einer Hand abzählen. Da gibt es andere Hürden.
Die Anfahrt zum Beispiel. Denn die Patienten müssen sich für die Fahrt nach Overath konzentrieren und das schränkt natürlich die Belastungsgrenze ein. Die, die länger als 20 Minuten fahren, merken das bereits.
Je weiter weg die Patienten wohnen, desto komplizierter wird es.
Genau. Auch deshalb suchen wir Kooperationspartner, um unser Programm deutschlandweit anbieten zu können, nicht nur in Overath. Das ist gar nicht so einfach. Unsere Patienten benötigen eine individualisierte, strukturierte und dauerhafte Versorgung. Diese Strukturen müssen noch geschaffen werden. Weder eine stationäre Reha noch physiotherapeutische Praxen können das derzeit leisten.
Es braucht also eine systematische Versorgung mit stichhaltigen Methoden.
Ja und auch Aufklärung. Wenn das fehlt, greifen Patienten möglicherweise zu fragwürdigen Methoden aus dem Netz. Dort wird so viel verkauft. Und selbst wir werden teilweise angefeindet, weil wir sagen, dass Sport Long Covid-Patienten helfen kann. Manche denken, das ist grob fahrlässig, was wir machen. Die Forschung beweist das Gegenteil und auch unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Therapie anschlägt. Das ist der entscheidende Punkt: Wir haben es wissenschaftlich geprüft, es funktioniert.