Pulheim-Stommeln – Frauen im Bombenhagel, Gehenkte im Konzentrationslager, daneben heitere Badende im Jugendstilschwimmbad. Andreas Maus macht es dem Betrachter seiner Werke nicht leicht. „Das will ich auch gar nicht“, sagt er nachdrücklich.
Andreas Maus lebt im Paul-Kraemer-Haus in Stommeln, er ist ein Ausnahmekünstler. Seine Kugelschreiber- und Bleistiftzeichnungen, seine Kunstbücher, seine kraftvollen Acrylgemälde faszinieren und verstören zugleich. Für sie hat er den ersten Preis des European Award für Malerei und Grafik, den Euward, erhalten, eine der wichtigsten Auszeichnungen für Kunst im Kontext von geistiger Behinderung. Gegen rund 340 Bewerberinnen und Bewerber aus ganz Europa hat er sich durchgesetzt. „Am Tag der Preisverleihung im Haus der Kunst in München ist zu Hause meine Mutter gestorben“, sagt Andreas Maus. Manchmal stehen Freude und tiefes Leid direkt nebeneinander, in seinem Leben und auch in seinen Werken. Die Mutter, erzählt er, hatte nur einen Arm und musste ihre Behinderung vor den Nazis verstecken, um zu überleben. Vielleicht hat sie sein Interesse an der grausamen Zeit des Zweiten Weltkrieges und der NS-Zeit geweckt. Vielleicht war es aber auch seine geistige Behinderung, die damit verbundene Ausgrenzung und die unglückliche Zeit in der Jugendpsychiatrie, die seinen Blick auf die Welt und seinen markanten Zeichenstil prägten. Andreas Maus weiß es nicht. „Ich überlasse es dem Prozess, was ich male.“
Schwer zu ertragene Kunst
Schon als Kind hat er damit angefangen, es ist sein Ventil, um mit Wut und Schmerz umzugehen. Seine Geschichtskenntnisse sind fundiert, vor allem das Leben und Leid Anne Franks bestimmt sein Werk. Der 57-Jährige hat Künstlerbücher über sie mit Kugelschreiber gemalt, handschriftlich steht auf der ersten Seite: „Anne Frank war ein Stück Deutschland, was leider ausgelöscht wurde.“ Die folgenden Seiten sind schwer zu ertragen. Zuerst die behütete Kindheit, später dann blutige Folterszenen im Konzentrationslager. „Ich will aber vor allem wachrütteln und warnen“, sagt Andreas Maus. Zugleich ist er Performance-Künstler, plant Ballett-Aktionen in Kooperation mit der Pina-Bausch-Foundation und ist ein talentierter Schwimmer. In seiner kleinen Wohnung im Paul-Kraemer-Haus hängen zahlreiche Medaillen von gewonnenen Wettkämpfen.
Maus’ Leben ist klar strukturiert. Seit sechs Jahren lebt der Künstler in Stommeln, tagsüber arbeitet er im Kunsthaus KAT18 in Köln. „Wir sind viel im Gespräch miteinander“, sagt die künstlerische Leiterin des KAT18, Jutta Pöstges. „Dann entwickeln sich oft gemeinsam Dinge, und er entscheidet, ob es passt.“ Auch zu Hause im Paul-Kraemer-Haus erfährt Andreas Maus viel Unterstützung. „Manchmal will er mit uns über seine Kunstwerke sprechen“, sagt Betreuerin Jessica Ostmann. „Zum Geburtstag und zu Weihnachten wünscht er sich immer Farben und Leinwände.“ Andreas Maus nickt.
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„Mit dem ersten Preis habe ich nicht gerechnet“, sagt er. „Aber die Preisverleihung war schon ein Erlebnis. Das Haus der Kunst in München war ja vor dem Zweiten Weltkrieg von Adolf Hitler persönlich eröffnet worden. Später wurde hier entartete Kunst gezeigt. Das passt doch.“
Andreas Maus’ Werke sind im Haus der Kunst als digitale 360-Grad-Ausstellung zu sehen.