Pulheim-Stommeln – Auf die hohen Herren ihrer Amtskirche sind viele Katholikinnen und Katholiken derzeit nicht gut zu sprechen, vor allem wegen der zögerlichen Aufarbeitung der Missbrauchsskandale. So hatte die Szenerie am vergangenen Mittwochabend eine gewisse Symbolkraft: Immer wieder brach die Internetverbindung ab, über die der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser beim digitalen „Talk unterm Turm“ mit engagierten Laien aus dem Pfarrverband Am Stommelerbusch (dazu gehören Sinnersdorf, Stommeln und Stommelerbusch) diskutieren wollte.
Doch obwohl der Gesprächsfaden mehrfach riss, dürfte ihm nicht entgangen sein, dass es an der katholischen Basis auch im Pulheimer Norden rumort.
Einige Einträge hatten es in sich
Knapp 30 Gäste, größtenteils im Pfarrgemeinderat und in anderen Gruppen aktive Gläubige, schalteten sich in den anderthalbstündigen Video-Chat mit Steinhäuser ein. Einiges von dem, das ihm die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Gebetbuch schrieben, hatte es in sich.
Jemand, der nach eigenem Bekunden über sechs Jahrzehnte lang immer fest zur katholischen Kirche stand, überlegt nun sehr ernsthaft, ob auch er aus der Kirche austreten soll. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals an so einen Punkt komme“, sagte der Mann. Sein Verhältnis zu Gott sei nicht berührt, aber an der Amtskirche zweifele und verzweifele er immer mehr, klagte das Stommelener Ortsausschussmitglied mit Blick auf das Missbrauchsthema. „Seit den in Berlin schon vor über zehn Jahren bekannt gewordenen Fällen geht die Aufklärung nur leise plätschernd voran, und wir erleben auch im Kölner Erzbistum, wie Aufarbeitung und Kommunikation gerade nicht geschehen sollten.“ Steinhäuser wollte das so pauschal nicht stehen lassen: „Ich habe nicht den Eindruck, dass in den vergangenen zehn Jahren gar nichts passiert ist. So haben wir ein riesiges Präventionsprogramm gestartet. Hunderttausende sind geschult und sensibel gemacht worden für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen, um neue Opfer zu verhindern.“
„Man kann nichts zurücknehmen“
Prävention sei freilich nur einer von mehreren Aspekten beim Thema Missbrauch. Die Kirchenführung wisse, dass schlimme Geschehnisse der Vergangenheit nicht einfach abgehakt werden dürften. „Man kann nichts zurücknehmen von dem, was an Verbrechen geschehen ist. Die Opfer sind dadurch dauerhaft verwundet worden.“ Die Suche nach Tätern, Verantwortlichen und Vertuschern werde noch lange weitergehen müssen.
Auch Steinhäuser wartet gespannt auf das für den 18. März angekündigte zweite Missbrauchsgutachten. „Es wird uns das ganze Ausmaß der Misere offenlegen. Wir werden einen anderen Blick darauf bekommen, wie schlimm es gewesen ist und immer noch ist. Aber danach müssen weitere Schritte der Aufarbeitung folgen.“
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Viele Diskussionsteilnehmer plagen aber noch andere Sorgen. Lange wurde über den „pastoralen Zukunftsweg“ gesprochen. Man äußerte die Sorge, dass der Priestermangel zu immer größeren, immer anonymeren Pfarrverbänden führen werde und dass die Kirche den persönlichen Kontakt zu den Menschen gänzlich verlieren könnte. Gleichzeitig wurde Kritik daran laut, dass engagierte, kundige Laien und vor allem auch Laiinnen trotz des Priestermangels nach wie vor nicht angemessen eingebunden würden.
Weihbischof Rolf Steinhäuser nahm das alles mit Sorge zur Kenntnis. „Die Leute sind ungeduldig, die Stimmung ist schlecht, das Vertrauen ist erodiert“, sagte er. „Das erlebe ich nicht nur hier, sondern in vielen Gesprächen, und das bekümmert mich sehr. Ehrlich gesagt: Bischof zu sein, ist heute nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig.“