Hürth-Sielsdorf – Wer seinen Mantel in einer kalten Nacht zerschneidet und ihn mit einem frierenden Bettler teilt, muss ein Herz haben. So wie Martin von Tours (316-398), einst Offizier des römischen Kaisers. Als ihn die Bewohner zum Bischof machen wollten, versteckte er sich der Legende nach aus lauter Bescheidenheit in einem Gänsestall. Doch Pech gehabt – das laute Geschnatter verriet ihn. Dass von da an Gänse gegessen werden, kann man dem guten Mann nicht anlasten. Im sechsten Jahrhundert begann am Martinstag das bis Weihnachten dauernde Adventsfasten. Dazu wurde nur am Vorabend des 11. November ein Gänsebraten verspeist – den Brauch gibt es bis heute.
„Wenn die Schlachtsaison beginnt, tut es mir immer ein bisschen leid, aber ich weiß, dass die Tiere hier ein glückliches Leben hatten“, sagt Geflügelzüchter Manfred Viander. Die Familie, die den etwa zehn Hektar großen Sielsdorfer Hof in dritter Generation bewirtschaftet, setzt auf artgerechte Haltung und natürliche Fütterung, um das Fleisch anschließend im Hofladen zu verkaufen. „Wir schlachten die Gänse tagesfrisch“, sagt Viander. „Erste Bestellungen haben wir in diesen Tagen bereits angenommen.“
Keine Antibiotika, Medikamente und Mastmittel
Im Mai sind rund 1200 Küken aus einer sächsischen Brüterei in Sielsdorf angekommen. „Sie werden natürlich gefüttert, ohne Antibiotika, Medikamente oder Mastmittel“, betont der Gänsebauer. Nach einem selbst gemachten Starterfutter bekommen die Tiere ökologisch erzeugtes Getreide, Futterweizen, Mais, Brot, Obst und Gemüse. „Manchmal knabbern sie auch gern an Zuckerrüben, dann sind sie ein Weilchen beschäftigt.“ Tagsüber sind sie draußen auf der großen Weide, zu der auch ein Weiher gehört. „Hier legen sie einige Gänsemärsche zurück, denn nur so bilden sie Muskeln“, weiß Viander. Nur nachts müssen sie in den Stall, sonst ist der Fuchs zu erfolgreich.
Die Corona-Pandemie habe in diesem Jahr Fremdhilfe ausgebremst, und „so waren alle Familienmitglieder verstärkt im Einsatz. Auch unser 16-jähriger Sohn hat fleißig mitgeholfen“. Viander: „Wir haben natürlich schon Weihnachten im Blick und wollen den Verkauf der Gänse coronabedingt über mehrere Tage gezielt organisieren.“ Von seinen vier bis sechs Kilogramm schweren Gänsen könnten fünf bis sechs Esser satt werden. Die Tiere kosten von 50 Euro an aufwärts. Es lohne sich aber durchaus, diesen Preis zu zahlen, um ökologisch erzeugtes Fleisch zu kaufen, rät der Naturschutzbund.
Denn nicht alle Gänse führten ein artgerechteres Leben. Mancherorts würden sie in nur neun Wochen auf drei Kilogramm Gewicht gemästet, informieren Nabu-Vertreter. Sie empfehlen Biogänse. Die sind auf Vorbestellung auch auf dem Gut Clarenhof in Frechen erhältlich. Sie stammten aus dem bäuerliche Familienbetrieb Claßen im oldenburgischen Bakum, der seit mehr als 20 Jahren auf die natürliche Aufzucht von Weidegänsen spezialisiert sei, so der Vermarkter. Florian Rosbund bietet mit seiner Firma „Filius Event und Catering“ aus Pulheim ein „Gänsetaxi“ an für diejenigen, die nicht selbst kochen möchten. Auf Bestellung liefert er den Braten oder auch ein komplettes Menü mit Feigen-Rotkraut und Laugenknödeln aus.
Das Rezept
Laut Manfred Viander ist die Zubereitung oft erprobt und auf die Gänse vom Sielsdorfer Hof zugeschnitten. Die Faustregel: Pro Kilogramm Gans ist eine Bratzeit von 50 Minuten erforderlich.
Zutaten für 4-6 Personen: 1 küchenfertige Gans (5-6 Kilo), 1/2 bis 1 Liter Fleischbrühe, Salz, Pfeffer aus der Mühle. Für die Füllung: ein Bund Majoran, drei gewürfelte Äpfel und Zwiebeln, ein paar Zweige Thymian. Backofen auf 220 Grad vorheizen (wichtig: Nur Ober- und Unterhitze, keine Heiß- oder Umluft). Gans abspülen, trocknen und eventuell vorhandene Federkiele mit der Pinzette herausziehen. Sichtbares Fett aus der Bauchhöhle ablösen. Flügel im Gelenk abtrennen und mit den Innereien für den Fond kurz kalt waschen.
Die Gans salzen und pfeffern. Majoran- und Thymianblättchen, Äpfel und Zwiebeln in die Bauchöffnung füllen. Mit Küchengarn oder Holzspießchen verschließen. Den Vogel mit der Brust nach unten in einen großen Bräter legen und die Brühe dazugießen. Mit Wasser auffüllen, bis die Gans zu etwa einem Viertel bedeckt ist. Den Braten in den Ofen schieben, Temperatur nach einer Stunde auf 160 Grad herunterschalten und die Gans wenden. Weitere drei bis vier Stunden (je nach Gewicht) garen, dabei alle 30 Minuten mit Bratensaft begießen und darauf achten, dass genügend Flüssigkeit im Bräter bleibt.
In der Zwischenzeit die Flügel und Innereien in ein wenig ausgelöstem Gänsefett rundherum braun anbraten. Mit Wasser knapp bedecken und 40 Minuten bei ganz milder Hitze köcheln. Durchsieben und bis auf die Hälfte einkochen lassen. Den Soßenfond durch ein Sieb abgießen und den Bratensatz mit heißem Wasser und einem Pinsel lösen.
Den Backofen auf 220 Grad schalten und die Gans mit Salzwasser oder Honig einpinseln und 15 bis 30 Minuten kräftig bräunen. Den Bratenfond gründlich entfetten (dafür gibt es spezielle Kannen), den Fond aus dem Gänseklein dazugießen, eventuell etwas einkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer nachwürzen und je nach Geschmack mit Rotwein und Orangenscheiben verfeinern und zur Gans servieren. (höb)
Aufgrund der Corona-Maßnahmen gibt es den Gänsebraten zum Mitnehmen auch im Bergheimer Hallerhof. „Auf Vorbestellung liefern wir ihn im Bratenschlauch aus. Dann muss er zu Hause nur noch eine Dreiviertelstunde lang im Ofen garen“, sagt Inhaberin Kerstin Peters. Die Gänse stammen aus Polen – Karl-Rainer Peters habe sich vor Ort davon überzeugt, dass sie artgerecht gehalten würden.