Die Heim-EM kann laut Weltmeistertrainer Brand in seiner Sportart einiges bewegen — am Mittwoch ist der 71-Jährige zu Gast in Brühl.
WeltmeistertrainerHeiner Brand spricht vor seinem Besuch in Brühl über den Handballboom
Mittwoch unter 53.586 Zuschauern in Düsseldorf, Sonntag und heute Abend mit fast 14 000 Leuten in Berlin, ein paar Dutzend am Mittwoch (20 Uhr) beim Talk „Loss mer schwade“ im Haus Kreisch in Brühl. Für Heiner Brand werden die Kulissen überschaubarer. Und dem ehemaligen Bundestrainer aus Gummersbach, den man als das Gesicht des deutschen Handballs bezeichnen darf, ist die Verschnaufpause vor der Hauptrunde der Europameisterschaft ganz recht.
Auch wenn ihn mit Brühl wenig verbindet. „Natürlich kenne ich Schloss Augustusburg. Da habe ich schon mal klassische Konzerte besucht, mich sozusagen kulturell gebildet“, lacht der 71-jährige Diplomkaufmann, der nicht nur als Kapitän und Abwehrchef beim VfL Gummersbach, mit dem er sechsmal als Spieler Deutscher Meister wurde, die erste Geige spielte, sondern gerne selbst den Dirigentenstab schwang.
Brand führte den VfL Gummersbach zu zwei Titeln
Seinen Heimatverein führte er zweimal zum Gewinn des nationalen Titeln, die SG Wallau-Massenheim danach ebenfalls. Und als im Februar 2007 die Auswahl des deutschen Handballbundes (DHB) unter seiner Regie Weltmeister wurde, setzten seine Spieler ihm eine Papierkrone auf — und die Öffentlichkeit feierte ihn als König Handball.
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An diesen 4. Februar in der Köln-Arena erinnert sich Heiner Brand gern, auch wegen der riesigen Kulisse und der tollen Atmosphäre. „Wir sind so von den Zuschauern getragen worden, dass Teile der Mannschaft besser gespielt haben als jemals vorher oder nachher“, schwärmt der ehemalige Chefcoach. Davon hatte seine Auswahl auch im Halbfinale profitiert, als die Franzosen nach zweimaliger Verlängerung 32:31 geschlagen wurden.
Ebenfalls gegen Frankreich geht es heute für die deutsche Auswahl unter dem derzeit überragenden Julian Köster, dessen Familie in Brauweiler wohnt. Welche Rolle eine euphorisierte Tribüne spielen kann, ist ihm gerade wieder bewusst geworden. Obwohl er Handball im Fußballstadion eher distanziert sieht. „Das ist Mainstream. Jeder will bei so einem Weltrekord dabei sein“, meint er und zieht lachend einen Vergleich: „Beim Biathlon auf Schalke wissen viele nicht mal, was die Athleten da auf den Scheiben treffen müssen.“
In Düsseldorf war er ja auch dabei, hat auf der Haupttribüne gesessen, doch hautnah war das nicht. „Die Deutschen habe ich nur unterscheiden können, weil ich Bewegungen kenne, und den Schweizer Andy Schmid, weil er als 40-Jähriger schon so lange im Geschäft ist.“
Der „Schnäuzer“ kennt das Geschäft
Der „Schnäuzer“ kennt das Geschäft: Hallen für Großereignisse mit 14.000 Zuschauern wie in Berlin, Köln oder Kiel und Spielstätten mit einer Kapazität von 4.000 bis 6.000 Schaulustigen wie in Gummersbach oder Wetzlar sind für ihn okay. „Die Fans wollen schon die Raffinessen bei Spielzügen oder Anspielen an den Kreis genau verfolgen können. Und sie wollen selbst beobachten und bewerten, ob Abwehraktionen korrekt sind oder ein Strafwurf berechtigt ist.“
Deshalb würde auch die Stimmung in kleinen Hallen immer stimmen, macht der 130-fache Nationalspieler auch Oberligisten wie den Pulheim Hornets oder dem TuS Königsdorf Mut: „Wenn die Leistung dementsprechend ist.“
Und natürlich hofft der Ex-Internationale darauf, dass die Euphorie rund um die EM wieder einen Boom auslöst, so wie nach der WM 2007. „Die breite Präsenz der Sportart in den Medien macht bei vielen Jungen und Mädchen bestimmt Lust auf Handball, doch dann müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen“, so Brand. Es nütze nichts, wenn die Klubs nicht alle aufnehmen können, weil Kapazitäten fehlen.
„Handball lässt sich nicht so einfach üben wie beispielsweise Fußball“, so Brand: „Beim Fußball stellt zu zwei Schulranzen als Tore auf, beim Basketball kannst du schnell mal einen Korb an eine Hauswand hängen, doch beim Handball brauchst du zumindest einen Wurfkreis.“ Doch die Arbeit mit Talenten in den weniger bekannten Klubs sei wichtig, auch wenn die besten der Begabten immer wieder von den namhaften Vereinen abgeworben werden.
Wie etwa Julian Köster, der beim SV GW Brauweiler sportlich vorbereitet und beim TuS Königsdorf mit den Grundlagen des Handballspiels ausgerüstet wurde, bevor er über Bayer Dormagen den Weg zum VfL Gummersbach und in die Nationalmannschaft fand, wie übrigens sein jüngerer Bruder Moritz auch.
„Der Spitzensport braucht dieses Reservoir, um global erfolgreich sein zu können“, weiß der einzige Handballer neben dem Franzosen Didier Dinant, der als Spieler und Trainer Weltmeister geworden ist. Dass so auch im Rhein-Erft-Kreis die Handballer von SSK Kerpen, HGV Hürth-Gleuel, HSV Frechen, TuS Wesseling oder Brühler TV verstärkt in den Fokus rücken, steht für ihn fest.
Brand bei Talkrunde im Haus Kreisch in Brühl
Und da tut sich doch noch eine engere Beziehung zur Schlossstadt auf. Beim damaligen Oberligisten Brühler TV, derzeit Kreisliga-Spitzenreiter, wirkte Anfang der 1970-er Jahre einmal Petre Ivanescu als Spielertrainer. Und der zweimalige rumänische Weltmeister wurde 1979 für vier Jahre Coach beim VfL — mit Heiner Brand.
Und so freut sich der leidenschaftliche Krimi-Leser nach einem heute hoffentlich nicht zu nervenaufreibenden Spiel gegen Frankreich auf gemütliche, aber interessante Gespräche im Haus Kreisch (Mi., 20 Uhr), Rodderweg 38, bei „Loss mer schwade“. Doch Kölsch sprechen könne er nicht, gibt Brand zu, „aber Kölsch trinken.“