AboAbonnieren

„Unser Wasser“Warum der Gillbach nicht trockenfallen soll

Lesezeit 4 Minuten
Durch Zwischenspeicherung von Regenwasser in Auen und Tümpeln soll der Gillbach, hier in Rommerskirchen, ein nahezu ständig fließendes Gewässer bleiben, wie Dietmar Jansen (l.) und Martin Mertens anstreben.

Durch Zwischenspeicherung von Regenwasser in Auen und Tümpeln soll der Gillbach, hier in Rommerskirchen, ein nahezu ständig fließendes Gewässer bleiben, wie Dietmar Jansen (l.) und Martin Mertens anstreben.

Regenwasser soll zukünftig in Auen gestaut werden. So soll der kleine Gillbach bei Bergheim und Rommerskirchen dauerhaft Wasser führen.

Wenn der Tagebau Hambach und das Kraftwerk Niederaußem in sechs Jahren aus der Kohle aussteigen, wird das nicht nur Auswirkungen auf die Erft und den Rhein haben. Auch der Gillbach wird sich verändern. Der Gillbach, dessen längst versiegte Quelle im ehemaligen Bethlehemer Wald nördlich von Bergheim lag, lebt seit der tagebaubedingten Grundwasserabsenkung fast ausschließlich vom abgeleiteten Kühlwasser des Kraftwerks Niederaußem.

400 Liter pro Sekunde werden im Mittel dort eingeleitet, zudem Regenwasser und geklärtes Abwasser. Fällt das Kühlwasser weg, würde der Bach, der bei Neuss-Weckhoven in die Erft mündet, wieder in seinen ursprünglichen Zustand mit temporärer, niederschlagsabhängiger Wasserführung zurückkehren. Das heißt: Das Bachbett wäre häufig trocken.

Für die Ortsteile Rheidt und Hüchelhoven ist der Gillbach prägend

Das wollen die Anrainerkommunen verhindern. Schließlich ist der Gillbach prägend für Orte wie Rheidt und Hüchelhoven. Rommerskirchen hat ihn sogar im Stadtlogo und der Landstrich von Gill bis Anstel wird im Volksmund gar „die Gilbach“ genannt. Doch wo soll das Wasser herkommen? „Zurzeit ist der Bach eigentlich viel zu voll und zu warm“, sagt der Rommerskirchener Bürgermeister Martin Mertens (SPD). Mit weniger Wasser komme der Bach gut zurecht, aber trockenfallen solle er nicht. „Er ist ein Heimat- und Identifikationsmerkmal“, sagt Mertens.

Alles zum Thema Erftverband

Der Erftverband, der Tagebaubetreiber, die Kommunen Bergheim, Rommerskirchen und Grevenbroich, die Kreise Rhein-Erft und Rheinkreis Neuss sowie Umweltorganisationen suchen zurzeit mit wissenschaftlicher Unterstützung in einem Arbeitskreis nach Lösungen.

„Die Ansicht, dass das Regenwasser, etwa von versiegelten Flächen oder aus Rückhaltebecken und Kanalisation, möglichst schnell weg muss, ist überholt. Wir wollen es heute so lange wie möglich im der Region belassen“, sagt Dietmar Jansen, der beim Erftverband für die Gewässer zuständige Ingenieur. In Auen, Teichen, Tümpelketten und in unterirdischer Schwammlandschaft soll das Wasser zwischengelagert werden und dann in den Gillbach fließen, wenn der Pegel dort zu sehr sinkt.

In Rommerskirchen gibt es schon renaturierte Bereiche

„Das würde eine beispielhafte Entwicklung darstellen“, betont der Ingenieur. So würde der Bach nicht bei Starkregen überwässert, den Orten würde ein weitestgehend fließendes, dauerhaft benetztes Gewässer erhalten bleiben und die Uferbereiche könnten breitsäumig zur Naherholung genutzt werden. „Auch ökologisch ist das Projekt interessant“, betont Jansen.

Der Gillbach, hier bei Hüchelhoven, lebt zurzeit weitgehend von eingeleitetem Kühlwasser aus dem Kraftwerk Niederaußem.

Der Gillbach, hier bei Hüchelhoven, lebt zurzeit weitgehend von eingeleitetem Kühlwasser aus dem Kraftwerk Niederaußem.

Die bereits renaturierten Bereiche, etwa in Rommerskirchen, würden bereits heute „rege zur Naherholung genutzt“, sagt Mertens. So gibt es einen Uferradweg quer durch das Gemeindegebiet, Picknickplätze und Spazierwege. Denkbar sind laut Jansen grüne Klassenzimmer sowie Schautafeln zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zudem könne die Wasserhaltung in Neubaugebieten künftig weniger große Rückhaltesysteme ermöglichen, sagt der Bürgermeister.

Jansen sieht auch Vorteile im Hochwasserschutz, der seit 2021 „höhere Dimension und Priorität“ erfahre und die Kommunen wasserwirtschaftlich vor viele Aufgaben stelle. Durch die bereitstehenden Wasserreservoire seien künftige Hochwässer besser beherrschbar.

Ab 2030 speist der Rhein den Gillbach

Ein Arbeitskreis entwirft zurzeit das Konzept für die Gestaltung des Bachzulaufs von Niederaußem bis Widdeshoven. Jansen ist zuversichtlich, dass die zu beteiligenden Behörden mitziehen. „Aus der Bezirksregierung hören wir bereits Signale, dass das Projekt als interessant befunden wird“, sagt Jansen. „Das Konzept ist anspruchsvoll, aber machbar und wäre ein wichtiger Pilot für die Region. Wir betreten damit Neuland.“

Es werde künftig wechselnde Wasserstände zwischen Hoch- und Niedrigwasser geben, wenn das Projekt, für das unter anderem Strukturfördergelder eingeworben werden sollen, Erfolg hat, sagt Mertens. „Das macht den Gillbach erlebbarer.“

Auch das Leben im und am Fluss werde sich ändern. Die Dynamik sei die Voraussetzung dafür. Aus Bergheim ist zu hören, dass die Stadt „die Ermittlung der ökonomischen und ökologischen Kosten abwarten“ und sich „der entsprechenden Priorisierung der Expertinnen und Experten anschließen“ werde.

In Widdeshoven wird der Gillbach ungefähr ab dem Jahr 2030 Unterstützung vom größten Fluss der Region bekommen: dem Rhein. Die Wassertransportleitung in die Tagebaue Garzweiler und Hambach soll dort im Vorbeifließen bis zu 100 Liter Wasser pro Sekunde abschlagen, um den Unterlauf bei Wasser zu halten, bis sich dort in einem guten halben Jahrhundert die Grundwasseranbindung wieder einstellen wird.