Gold heute vor 50 JahrenDas schätzt Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth an Odenthal
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Am 4. September 1972 – heute vor 50 Jahren – gewann Ulrike Nasse-Meyfarth olympisches Gold im Hochsprung
Sie ist dem Kölner Umland treu. Sie ist in Wesseling aufgewachsen und wohnt in Odenthal
Bei ihrem Olympasieg war sie 16 Jahre alt, auch 1984 gewann sie Gold in ihrer Disziplin.
Odenthal – Dieser Text aus unserem Archiv ist erstmals am 5. August 2016 erschienen.
Die Frau, die neben ihrem E-Bike auf der Mauer vor dem Altenberger Dom sitzt, hat entspannt die langen Beine von sich gestreckt, die dichten Haare sind vom Fahrtwind verwuschelt.
Sie wird von den Touristen, die an diesem Nachmittag in Altenberg sind, kaum beachtet. Ihr scheint das ganz recht zu sein, denn Ulrike Nasse-Meyfarth sucht nicht die Öffentlichkeit.
Die zweifache Olympiasiegerin, die 1972 in München und 1984 in Los Angeles Goldmedaillen im Hochsprung gewann, lebt seit 1991 in Odenthal und genießt es, „dass das unser Refugium und so etwas wie eine Schlafstadt ist“.
Das meint sie durchaus positiv, denn eben weil viele mehr oder weniger bekannte Menschen, die in der 14 000-Seelen-Gemeinde leben, woanders arbeiten, genießen sie die Natur und Ruhe in ihrer privaten Zeit umso mehr.
Diese Erfahrung machte Reiner „Calli“ Calmund ebenso wie diverse Fußballspieler von Bayer Leverkusen, Modelmanager Günther Klum oder eben Ulrike Nasse-Meyfarth. Autogrammjäger sucht man in Odenthal vergebens.
Neben einer Olympiasiegerin an der Fleischtheke im örtlichen Supermarkt zu stehen, regt hier niemanden auf.
Mit Dietmar Tönnies, der den Supermarkt betreibt, ist Ulrike Nasse, wie sie seit der Hochzeit mit dem Kölner Anwalt Roland Nasse 1987 amtlich heißt, per Du.
„Unsere Töchter kennen sich von der Schule“, erklärt sie. Tönnies war es auch, der Nasse-Meyfarth überredete, vor zwei Jahren bei dem von ihm und der Raiffeisenbank gestifteten Ehrenamtspreis „Der Odenthaler“ die Laudatio für den damaligen Preisträger, Jugendfeuerwehrwart Sven Jansen, zu halten.
Sozusagen ihr erster öffentlicher Auftritt in der Gemeinde. Ansonsten führt sie höchstens der Sport auf die Odenthaler Bühne. Etwa bei den Gemeindemeisterschaften, wo sie mit dem von ihr trainierten Schüler-Team des TSV Bayer 04 Leverkusen startete.
Der Verein, für den sie seit knapp 20 Jahren als Jugendtrainerin arbeitet, ist bis heute ihre sportliche Heimat. „Mein Mann und ich trainieren dort zweimal die Woche im Kraftraum und auf der Laufbahn, und auch im direkt an unser Haus angrenzenden Wald wird regelmäßig gejoggt und gewalkt. Fitness ist uns beiden wichtig“, sagt die Diplom-Sportlehrerin, die im Mai ihren 60. Geburtstag gefeiert hat. Dabei setzt sie beim Training heute eher auf Regelmäßigkeit denn auf Höchstleistungen. „Mit regelmäßigen sportlichen Einheiten erhalten wir uns eine gute körperliche und geistige Form“, sagt Nasse-Meyfarth. Ihr Mann, der früher für Duisburg-Rheinhausen und Wuppertal in der 1. und 2. Handballbundesliga spielte, gehört zu den Mitbegründern des Tennisclubs Grün-Weiß Voiswinkel. Über den Tennisverein fand die Familie ihr Haus und wurde in Odenthal schnell heimisch.
„In der Nachbarschaft gab es viele Familien mit Kindern, mit denen wir uns angefreundet haben“, erinnert sich die ehemalige Leistungssportlerin. Auch die beiden Töchter sind mit dem Sport aufgewachsen.
„Beide haben jeweils bis zum 17. Lebensjahr Leichtathletik betrieben, da bin ich manchmal mit meinem Auto mit fünf Weibern drin zum Training nach Leverkusen gefahren“, erinnert Nasse-Meyfarth sich an die Teenagertage ihrer Töchter. Beide haben am Odenthaler Gymnasium ihr Abitur gemacht und leben heute in Berlin und Köln.
Die älteste hat an der Sporthochschule in Köln studiert und arbeitet als Tänzerin, die jüngste schließt in Kürze ihr Studium der Medienwirtschaft ab. Zumeist trifft sich die Familie in Köln, aber immer wieder gern zum Essen im Restaurant La Fornace in Voiswinkel. Und auch das Altenberger Hotel Wißkirchen ist eine beliebte Anlaufstelle.
„Hier haben wir in großer Runde, unter anderem mit dem damaligen NRW-Innenminister Wolf, dem leider verstorbenen Fußballtrainer Jörg Berger und dem Astronauten Ulf Merbold meinen 50. Geburtstag gefeiert.
Eine Nachtwächterführung mit David Bosbach inklusive, das war schön“, erinnert sie sich. Einem Plausch mit Inhaber Markus Wißkirchen ist sie nicht abgeneigt. Altenberg ist ein Ort, den Ulrike Nasse-Meyfarth mag.
„Wir sind regelmäßig hier“, sagt sie und zeigt auf den Dom, macht eine Kunstpause, um dann lachend fortzufahren, „jedes Jahr zu Weihnachten“. Öfter führt sie ihr Weg in den Domladen, wo sie gerne nach Lesestoff stöbert.
Damit dürfte es ihr wie vielen Odenthalern gehen, die die Weihnachtsgottesdienste im Dom lieben, auch wenn sie sonst keine regelmäßigen Kirchgänger sind. „Das hat nichts damit zu tun, dass unsere Töchter und ich evangelisch sind und mein Mann katholisch“, sagt sie.
Zur Person
Ulrike Nasse-Meyfarth, geboren am 4. Mai 1956 in Frankfurt, ist aufgewachsen in Wesseling, wo 2004 das Stadion nach ihr benannt wurde. Sie ist seit 1987 verheiratet mit dem Anwalt Dr. Roland Nasse. Das Paar hat zwei 28 und 23 Jahre alte Töchter.
Bei den Olympischen Spielen in München 1972 wurde sie als 16-Jährige zur Überraschung nicht nur der Fachwelt Olympiasiegerin im Hochsprung und stellte zugleich den damaligen Weltrekord von 1,92 Metern ein. 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal scheiterte sie in der Qualifikation. Wegen des deutschen Boykotts konnte sie 1980 an den Spielen in Moskau, für die sie als Medaillenanwärterin galt, nicht teilnehmen. Nach Weltrekorden mit 2,02 Metern 1982 und 2,03 Metern 1983 errang die vierfache Sportlerin des Jahres bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles mit der olympischen Rekordhöhe von 2,02 m ihre zweite Goldmedaille. Die Diplom-Sportlehrerin arbeitet heute für den TSV Bayer 04 Leverkusen als Jugendtrainerin. (dfk)
Die älteste Tochter wurde im Dom konfirmiert, die jüngere lehnte das ab. „Ich wäre ja sowieso eher für einen Ethikunterricht, an dem alle Schüler, egal welchen religiösen Hintergrund sie haben, teilnehmen müssen, das würde mehr Verständnis füreinander wecken“, ist Nasse-Meyfarth sicher.
Oft im Ausland
Viele Termine rund um den Sport führen sie immer noch oft ins In- und Ausland, auch zu Olympischen Spielen. Die in Rio wird sie aber nur vor dem Fernseher verfolgen.
„Brasilien reizt mich wegen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme nicht, und das alles beherrschende und vom IOC so inkonsequent behandelte Dopingthema lässt kaum olympische Stimmung aufkommen“, sagt sie mit Blick auf die Doping-Vorwürfe gegen Russland.
So hat sie im November vergangenen Jahres schon ihre Aufnahme in die „Hall of Fame der Weltleichtathletik“ abgelehnt, als die Doping-Vertuschungspraktiken des Präsidenten des Welt-Leichtathletikverbandes, IAAF, ans Tageslicht kamen.
Dieser Text aus unserem Archiv ist erstmals am 5. August 2016 erschienen.