Rhein-Berg – Für Erstaunen, Beifall, aber auch für heftige Kritik hat der Wutbrief von Gladbachs Ex-Bürgermeister Lutz Urbach (CDU) an Rhein-Bergs Bundestagsabgeordneten Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU) in puncto Impfprobleme gesorgt.
„Ich sehe, dass Herr Urbach sehr enttäuscht ist über den Start des Impfens“, sagt der Bundestagsabgeordnete am Montag auf Anfrage dieser Zeitung. Von der E-Mail, die Urbach in der Nacht zu Sonntag kurz vor der Veröffentlichung auf Facebook an die Wahlkreisadresse von Tebroke geschickt hatte, habe er am Sonntag durch den Anruf der Zeitung erfahren, so Tebroke.
Tebroke weißt Vorwürfe zurück
Als „unübliche und unangemessene Form des Austauschs“ bezeichnet der Bundestagsabgeordnete und frühere Landrat die übers Internet publizierte Kritik seines Parteikollegen am Impfstart, die er gleichwohl inhaltlich teilweise gut nachvollziehen kann.
„Auch ich habe gehofft, das würde zügiger gehen“, sagt Tebroke. Dass Abgeordnete wie er die Sache aber nicht mit Nachdruck verfolgten – wie Urbach glauben machte – stimme einfach nicht. „Den Vorwurf weise ich entschieden zurück“, so Tebroke.
Nachdrücklich habe auch er in Gesprächen mit Staatssekretären, in Ausschüssen und auch weiteren parlamentarischen Wegen die auch an ihn von Bürgerinnen und Bürgern herangetragene Kritik wegen der Probleme beim Impfstart weitergegeben und seinen Unmut über die Geschwindigkeit der Impfungen zum Ausdruck gebracht. „Ob man so etwas aber alles lautstark über die Öffentlichkeit austragen muss, ist auch eine Frage des Stils“, so Tebroke. „Ich trage so etwas nicht über Soziale Medien aus.“
Wie berichtet war Urbach Tebroke auch persönlich angegangen: „Ich erwarte hier keine Poststelle, sondern einen 24/7 für ein Thema brennenden Abgeordneten. Mit Belegen über das Veranlasste.“
Urbach wollte „Meinung öffentlich machen"
Was den ehemaligen Gladbacher Rathauschef antrieb? „Ich möchte, dass sich was bewegt“, sagte er am Montag auf Nachfrage. „Ich habe eine Meinung und die darf ich ja mal öffentlich machen.“
Von vielen werde er auf die Probleme angesprochen, so Urbach: „Aber haben Sie bisher mitbekommen, dass jemand in Berlin gesagt hat: Das war nicht gut und wir müssen jetzt alles daran setzen, dass es besser wird?!“, fragt Urbach. Den Impfgipfel in Berlin am Montag lässt er als Bekenntnis, dass es nicht rundgelaufen ist, nicht gelten: „Erstmal schauen, was da rauskommt.“
Dass Urbachs Attacke gegen Tebroke ausgerechnet in die Bewerbung Tebrokes für die CDU-Kandidatur zur nächsten Bundestagswahl fällt (gestern kam die Einladung für die CDU-Kandidatenaufstellung am 27. April), spielte laut Urbach keine Rolle für seine Kritik.
„Das Thema ist für mich durch. Darum geht es überhaupt nicht“, sagt Urbach, der vor der vergangenen Bundestagswahl selbst zeitweilig gerne CDU-Kandidat um die Nachfolge von Wolfgang Bosbach geworden wäre.
Bosbach: „Kritik ist berechtigt“
Tebrokes Vorgänger als rheinisch-bergsicher Bundestagsabgeordneter hatte Urbach bereits am Sonntag in seiner an Tebroke gerichteten Kritik beigepflichtet: „Die Kritik von Lutz Urbach ist berechtigt. Leider!“, so Wolfgang Bosbach in einer ersten Stellungnahme.
„Bei der zentralen Impfstoffbeschaffung der EU für alle Mitgliedstaaten hätte die Devise unbedingt lauten müssen: so schnell wie möglich, so viel wie möglich!“, konstatiert der frühere CDU-Bundestagsfraktionsvize und spätere Innenausschussvorsitzende.
Für Tebroke eine „steile These“, wie er sagt, zumal die EU neben Qualität und Sicherheit auch darauf gepocht habe, dass die Impfstoffhersteller auch die Haftung für ihre Produkte übernehmen.
Bosbach sieht vor allem das Ergebnis: „Wenn die Impfquoten in den USA, Großbritannien und Israel wesentlich höher sind als bei uns, dann zeigt das deutlich, dass die Beschaffung durch die EU alles andere als optimal gelaufen“, so der Politiker. Und: „Ein »Impfangebot für jeden bis zum 21. September« bedeutet ja gerade nicht, dass bis dahin auch alle geimpft worden sind!“
Zu Urbachs Kritik an Tebroke äußerte sich Bosbach weiter: „Es kostet kein Vertrauen, es schafft Vertrauen, wenn man Probleme ganz offen anspricht und sich nach Kräften um Lösungen bemüht.“
Überrascht zeigte sich am Montag auch CDU-Kreisparteichef Uwe Pakendorf von dem Streit in seiner Partei, möchte vor einer Stellungnahme aber erst einmal mit den Beteiligten sprechen.