Leichlingen – Sigurd Tesche ist 20 Jahre alt, als er im Matsch eines frisch gepflügten Ackers liegt. Er filmt. Es war eine seiner ersten Aufgaben, die ihm sein Mentor Peter Conrad stellte. Mit einer alten Bolex-Kamera ausgerüstet, sollte er einen Dokumentarfilm drehen. „Ich bin durch den Dreck gekrochen und habe alles gefilmt, das herumfleuchte.“
Zehn Minuten lang war der Film über den frischgepflügten Acker. Und er wurde im Cobra-Kino in Solingen, seiner Geburtsstadt, gezeigt. Es geht wohl nicht ohne Einsatz – und manchmal auch nicht ohne Dreck.
Nun sitzt Sigurd Tesche an seinem Schreibtisch in Witzhelden. Umgeben von Erinnerungsstücken und Porträts berühmter Kollegen. Und er lächelt, wenn er an die Anfänge zurückdenkt. Der 78-jährige Wahl-Leichlinger hat bei mehr als 600 Produktionen auf allen Kontinenten selbst gedreht oder Regie geführt. Seine Natur-Dokumentarfilme liefen von WDR über BBC bis Netflix.
Und doch ist es besonders das Bergische Land und die Wupper, die ihn von Anfang an prägten und bis heute fesseln. Seine Filme „Die Wupper – Amazonas im Bergischen Land“ und der 2018 erschienene Nachfolger „Die wilde Wupper“ zählen zu seinen bekanntesten Produktionen, die unter anderem auch in den USA und Japan gezeigt wurden.
Die Wupper ist zu Fuß von seinem Wohnhaus und Büro gut zu erreichen. „Das ist mir auch wichtig“, sagt der Dokumentarfilmer. Er liebe Leichlingen und das Bergische Land. Schon früh habe er die Wurzeln ergründet. „Das begann mit meinem Vater“, erzählt er, „der hat uns den Wald gezeigt.“
Tesche war bereits als Kind von der Natur – Pflanzen wie Tiere – fasziniert. Sein Biologie-Lehrer Walther Riech, von den Schülern liebevoll Schnüffel genannt, weckte neben der Faszination auch den Entdeckerdrang. „Er war immer mit einer Leica und einem der ersten Farbfilme unterwegs“, sagt Tesche, „im Unterricht hat er uns dann seine Fotos mit einem Dia-Projektor gezeigt und uns die Natur nähergebracht.“
Tesche begann selbst zu filmen und die Natur festzuhalten. Bis er auf einem frisch gepflügten Acker lag. Doch dies war erst der Anfang seiner beeindruckenden Karriere. Er drehte weiter, gründete seine Produktionsfirma und rückte immer mehr in die Rolle des Regisseurs. Seit mehr als 40 Jahren, bis heute.
Besonders Dokumentationen unter Wasser sind zu seinem Markenzeichen geworden. So hat Tesche auch 63 Hai-Filme gedreht. „Ein anderer Kollege hat mir damals das Konzept für spannende Dokumentationen mitgegeben“, sagt er, „die Zuschauer wollen Kuscheltiere und Monster“.
Haie haben es ihm angetan, seine Lieblingstiere sind sie jedoch nicht. „Mantarochen faszinieren mich wegen ihrer Bewegung“, sagt er. „Am meisten mag ich aber Meerotter, die sind sehr verspielt.“ Kuscheltiere und Monster. Ein Gespräch mit Sigurd Tesche ist wie eine Dokumentation seines Lebens, gespickt mit seinen Errungenschaften.
Er scheint jeden relevanten Regisseur, Filmer und Sprecher der Szene zu kennen. Und sie kennen ihn. Tesche ist stolz auf seine Werke. Ein Teil seiner Auszeichnungen und Preise stehen in einem kleinen Regal, „viele weitere stehen unten“. Seit eineinhalb Jahrzehnten ist auch seine Tochter dabei.
Tochter lebt in Übersee
Natali Tesche-Ricciardi wurde zwar in Leichlingen geboren, arbeitet aber seit Jahren in den USA. „Sie übernimmt den Teil der Firma in Übersee“, sagt der Vater. Er weiß, dass er erfolgreich war und zeigt dies auch. Etwa mit einer Rolex am Handgelenk, die er als Auszeichnung für seine Beiträge für den Naturschutz bekommen hat.
Der Umweltschutz ist Motor und Frustauslöser für ihn. „Ich will authentische Natur für den Zuschauer zeigen“, sagt er über seine Motivation, „am liebsten das Bild noch besser machen, als es natürlich ist“. Das perfekte Bild. Aber wenn er die Umweltverschmutzung beobachtet, dann ist dies nicht möglich, und das lässt den erfahrenen Regisseur auch heute noch aus der Haut fahren.
Viel Müll im Fluss
„Bei den Aufnahmen zum ersten Wupper-Film fanden wir so viel Müll, sogar einen alten Kühlschrank“, sagt er. „Da kommt die blanke Wut in mir hoch.“ Seit Jahrzehnten kämpft Tesche für ein Umweltbewusstsein, „aber das kann man nicht in Leichlingen, NRW oder Deutschland lösen – das ist ein globales Problem“, konstatiert er. Wenn er Bilder von Plastik-Inseln und die Ignoranz sieht, dann packen ihn erst Wut und dann Ernüchterung: „Es interessiert scheinbar keinen“. Seit Jahrzehnten.
Seine Karriere zu beenden, daran denkt der 78-Jährige offenbar nicht. „Klar, ich führte mehr Regie und gehe nicht mehr selbst so oft filmen, aber ich will noch weitermachen“, sagt Tesche.
Denn manchmal gibt es auch für ihn noch Überraschungen: „Dass nun wieder Biber an die Wupper gekommen sind, das ist schon ein Traum“, sagt der Regisseur. Und dann erinnert er sich an einen Satz, der zu seinem Credo wurde: „Deutschland ist schön, man muss es nur entdecken.“