19. und 20. JahrhundertWupper war schmutzigster Fluss Deutschlands
Rhein-Wupper – Übel hat man diesem Fluss mitgespielt, ihn vergiftet und verseucht, ausgebeutet bis zum Tode und dann spät wiederbelebt. Die Wupper ist ein Zeuge der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, des Kampfes gegen die Natur. In seiner Dokumentation „Die Wupper in Leverkusen“ hat Günter Schmidt von der Unteren Wasserbehörde Leverkusen zusammengestellt, was mit dem unteren Abschnitt dieses Flusses im Laufe der Jahrhunderte getrieben worden ist. Der „schwarze Fluss“ aus dem Bergischen Land wurde zur Legende.
Das Übel nahm seinen Ausgang im 16. Jahrhundert. Hatte die Wupper zuvor schon wegen der intensiven Nutzung der Wasserkraft den Beinamen „fleißiger Fluss“ getragen, so begann 1527 die industrielle Nutzung , als der Herzog von Berg den Gemeinden Barmen und Elberfeld die Exklusivrechte zur Garnbleichung gewährte. Doch erst die Färbereien und Tuchdruckereien, die im 19. Jahrhundert folgten, führten zu gewaltigen Gewässerverschmutzungen, die von Metallindustrie und Chemie schließlich noch getoppt wurden, ganz zu schweigen von den kommunalen Abwassern der mit der Industrie wachsenden Städte, die ungereinigt in den Fluss abgelassen wurden.
In seinen Briefen aus Wuppertal schilderte Friedrich Engels 1839: „Der schmale Fluss ergießt bald rasch, bald stockend, seine purpurnen Wogen zwischen rauchigen Fabrikgebäuden und garnbedeckten Bleichen hindurch.“ Hochrot wie nach einer blutigen Schlacht schildert er die Farbe des Gewässers. Lachse wurden schon seit 1830 nicht mehr in der Wupper gefunden. Stattdessen faulte bestialisch stinkender Schlamm vor den Wehren und lagerte sich auf angrenzenden Flächen ab. Ein von 1840 stammendes Gemälde mit Anglern und Wäscherinnen mit weißen Kleidungsstücken an der Opladener Wupperbrücke zeigte reines Wunschdenken – die harmonische Darstellung entstammt dem Buch „Das malerische und romantische Rheinland“.
Die Folgen waren drastisch: Cholera-Epidemien forderten 1850, 1859 und 1867 viele Opfer in der Bevölkerung. Bei Hochwasser führte der mitgeführte Unrat dazu, dass der Rhein unterhalb der Wuppermündung bis weit hinter Düsseldorf schwarzgrau verfärbt war. Der spätere Reichskanzler Philipp Scheidemann beklagte in seiner ersten Reichstagsrede 1904: „Der schöne deutsche Fluss, die Wupper, die früher so fischreich war, hat seit Jahrzehnten keinen Fisch mehr aufzuweisen. Die Wupper ist unterhalb Solingens tatsächlich so schwarz, dass, wenn Sie einen Nationalliberalen darin eintauchen, Sie ihn als Zentrumsmann wieder herausziehen können.“ – Die Wupper war sehr lange Zeit ein reiner Abwasserkanal und biologisch tot.
Bis sich das änderte, sollten weitere Jahrzehnte vergehen. Ein „Bergischer Heimatschutz“ rief den Kaiser um Hilfe an, Wupper-Anlieger verklagten die Städte Barmen und Elberfeld. Der 1930 gegründete Wupperverband, der sich die Reinhaltung des Flusses zum Ziel genommen hatte, brauchte ebenso wie die 1967 gegründete Notgemeinschaft Abwassergeschädigter viele Jahre bis zum Erfolg. Die Gewässergüte blieb bis in die 1980er Jahre bedenklich. Noch 1973 nahmen die Ehrengäste bei der 1000-Jahr-Feier Leichlingens „naserümpfend und befremdlich Kenntnis vom ekelerregenden Duft des Flusses“ und die Kinder bekamen in diesem Sommer öfters „stinkefrei“.
Aber nicht allein die Verschmutzung des Wupperwassers bereitete lange Sorgen, auch die Regulierung des Wasserstandes. Immer wieder kam es bei Hochwasser zu heftigen Überschwemmungen, die bis in Opladens Innenstadt schwappten. 1909 ertrank das Vieh in seinen Ställen und per Bahn anreisende Schaulustige aus Solingen sorgten für einen regelrechten Hochwassertourismus in Opladen und Leichlingen. Erst mit der Verlegung des Wiembaches und dem Bau der Ludwig-Rehbock-Anlage besserte sich die Situation.
Anders im Unterlauf bei Bürrig, Rheindorf und Wiesdorf, wo der Fluss immer wieder seine Lauf und seine Mündungsstelle in den Rhein veränderte. Heute, nach einer Korrektur seiner Mündung für den Bau der Bayer-Deponie und -Kläranlage an den Rand von Rheindorf, liegt die Mündung fast wieder an ihrer ursprünglichen Stelle. Nur ein kleiner, von hohen Eichen umstandener Tümpel, der Katzpuhl, zeugt heute noch von der ursprünglichen Mündung, die bis 1805 auch einen kleinen Hafen beherbergte und von der aus die einzige Fähre über den Rhein zwischen Mülheim und Monheim verkehrte.
Verschlang zunächst die Eindeichung der Wupper enorme Summen, die arme Gemeinden wie Bürrig und Rheindorf fast ruinierten, waren es später die Bemühungen um eine Verbesserung der Wasserqualität. Mit bedingtem Erfolg. In der unteren Wupper werden seit 1983 wieder 29 Fischarten nachgewiesen, darunter Lachs, Meerforelle und Aal. Andererseits ergaben Bodenuntersuchungen auf landwirtschaftlichen Flächen in ehemaligen Überschwemmungsgebieten noch 2003 Auffälligkeiten bei Schwermetallen – vor allem für Arsen und Quecksilber. Je näher am Wupperverlauf oder an Bereichen früherer Wupperverläufe oder Altarme, umso höher die Belastung. Der geschundene Fluss rächt sich noch immer.
Die Dokumentation über die Wupper ist, ebenso wie jene über die Dhünn, beim Fachbereich Umwelt der Stadt Leverkusen, Quettinger Straße 220, erhältlich, ☎ 0214/ 406 3201; E-Mail: 32@stadt.leverkusen.de
Katastrophe von 1784
Eine Jahrhundertkatastrophe war ein Hochwasser des Rheins mit Eisgang im Winter 1784, der das Hochwasser auch in der Wupper weit zurückstaute. Die Eisdecke auf dem Rhein war sieben Wochen lang so dick, dass schwere Fahrzeuge über den Strom fahren konnten.
Als Tauwetter einsetzte, türmten sich Eisberge auf, die ganze Siedlungen unter sich begruben. „Die Nacht, die dem 28. Februar 1784 folgte, war eine der grauenvollsten, die Wiesdorf je erlebt hat“, verzeichnete ein Chronist. „Sturmwind mischte sich mit dem Getöse von Wasser und Eis und dem Krachen der einstürzenden Häuser.“ Neben Wiesdorf waren Küppersteg, Bürrig, Rheindorf und Hitdorf betroffen. (ger)
Über die Wupper gehen
Die Redewendung „über die Wupper gehen“ ist deutschlandweit bekannt und zumeist negativ belegt als Synonym für zugrunde gehen. Historisch belegt sind mehrere Erklärungen:
In Wuppertal befand sich ein Gericht auf einer Insel. Musste ein Unternehmer Insolvenz anmelden, musste er über die Wupper gehen.
Falls ein Todesurteil gesprochen wurde, musste der Verurteilte von der Gerichtsinsel zur Hinrichtung zu einem auf der Landseite gelegenen Gefängnis gebracht werden.
Mit dem Tod in Verbindung steht auch, dass eine Leiche zur Beisetzung auf die andere Seite der Wupper zu einem Friedhof überführt werden musste.
Die Zwangsrekrutierung junger Männer durch den „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. von Preußen führte dazu, dass viele junge Männer aus der Grafschaft Mark über die Wupper ins Herzogtum Berg flüchteten. In Barmen trugen sie als Arbeitskräfte zur Blüte der Manufakturen im 18. Jahrhundert bei. (ger)
Niemals schiffbar
Bis auf die Fähre am Wambacher Hof zwischen Rheindorf und Reuschenberg, die bis zum 1. Weltkrieg betrieben wurde, war die Wupper nie schiffbar. Es gab auf ihr nicht einmal Kähne. Der Plan Burchard von Bülows, einen Schifffahrtskanal von Düsseldorf nach Elberfeld unter Einbeziehung der Wupper zu bauen, blieb ein Kuriosum.
Kanus und Kajaks dürfen die unter Wupper heute ab einem Mindestwasserspiegel von 60 Zentimetern am Pegel Opladen eigentlich befahren. Die Regulierung des Wasserstands durch den Wupperverband lässt dies nur noch selten zu. Die traditionelle Wupper-Floßfahrt von
Solingen-Wupperhof nach Opladen findet nach Protesten von Naturschützern nicht mehr statt. Diese hatten eine Schädigung von Flora und Fauna des Flusses bei zu niedrigem Wasserstand befürchtet. (ger)
Die Wupper in Zahlen
Der bergische Fluss schlechthin wird heute mit einer Länge von 115 Kilometern angegeben. Er entspringt in einem Hochmoorgebiet bei Marienheide-Börlinghausen im Oberbergischen Land auf 37 Quellen und führt bis Wipperfürth den Namen Wipper. Ab der Staumauer des Stausees Beyenburg trägt der Fluss den Namen Wupper, berührt die Städte Wuppertal, Remscheid, Solingen, Leichlingen und Leverkusen. In seinem Einzugsgebiet leben rund eine Million Menschen. (ger)