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ProzessSexuelle Beleidigung wird für  Halbstarken aus Kürten teuer

Lesezeit 3 Minuten
Der Bahnhof in Köln-Deutz im Abendlicht, im Hintergrund die Türme des Kölner Doms.

Der Bahnhof Deutz ist der Hausbahnhof für viele Menschen aus Rhein-Berg.

Ein Halbstarker aus Kürten, der in Deutz zwei gestandene Bochumerinnen sexuell beleidigt hat, muss 300 Euro zahlen: an den Kinderschutzbund.

Beleidigung und sexuelle Belästigung abends auf dem Deutzer Bahnhof: Zwei Frauen um die 40 aus Bochum waren nicht dazu bereit, sich von zwei halbstarken Jünglingen aus Rhein-Berg wie Menschen zweiter Klasse behandeln zu lassen. Herabsetzende Worte, ein Griff an die Brust, eine Ohrfeige, ein Polizeieinsatz an dem Abend – und jetzt gab es ein nicht sehr fröhliches Wiedersehen zwischen den beiden Frauen und einem der jungen Männer vor dem Bergisch Gladbacher Jugendgericht, und zu den ernsten Mienen im Gericht trug auch ein Verteidiger mit ziemlich altertümlich anmutenden Sprüchen bei.

Am 30. September vergangenen Jahres, einem Samstag, waren Susanne B. (44), Verwaltungsfachangestellte in einer Klinik, und ihre Freundin, die medizinische Fachangestellte Marianne D. (38), mit der Bahn zu einem Fußballspiel gefahren. Abends strandeten sie erst einmal auf dem Deutzer Bahnhof. „Es fuhren überhaupt keine Regionalbahnen an dem Abend, wir mussten die S-Bahn nehmen“, berichtete Susanne B. (alle Namen geändert) jetzt als Zeugin vor Gericht.

Angeklagter bezichtigt Zeuginnen

Entnervt von der Situation setzte sie sich auf eine Bank auf dem Bahnsteig, auf der bereits zwei junge Männer saßen; Marianne D. blieb stehen. Relativ schnell eskalierte die Situation. Während die beiden Halbstarken, der gebürtige Oberberger Abdul K. (18) aus Kürten und sein Begleiter Hakim P. (21) aus Bergisch Gladbach, später gegenüber der Polizei angaben, von den beiden Frauen rassistisch beleidigt worden zu sein, schilderten die beiden Frauen sowohl gegenüber der Polizei als auch im Prozess die Situation völlig anders.

Sie seien von den Lachgas konsumierenden jungen Männern sehr schnell, sehr unflätig und mit sehr starkem sexuellen Bezug angesprochen worden, und zwar vor allem von dem gar nicht zu seinem Prozess erschienenen Hakim P. Das Wort „Nutten“ gehörte noch zu den harmlosesten Begriffen; beide Zeuginnen wiederholten die Worte nur widerstrebend.

Wer den schmutzigen Weg geht, muss sich nicht wundern, wenn er schmutzig wird
Der Verteidiger des Angeklagten zur Zeugin

Die Situation auf dem Bahnsteig gipfelte nach Darstellung der beiden Bochumerinnen darin, dass Hakim P. Susanne B. an die Brust fasste, woraufhin er ihre Hand im Gesicht zu spüren bekam; die Frau rief telefonisch die Polizei, die sofort auf dem Bahnsteig erschien und den kompletten Vorfall vor Ort aufnahm.

Vorfall? Waren die Frauen nicht letztlich selbst schuld? Diese Weltsicht aus einem anderen Jahrhundert schien der Verteidiger des jungen Kürteners ins Spiel bringen zu wollen, als er den Satz „Wer den schmutzigen Weg geht, muss sich nicht wundern, wenn er schmutzig wird“ sprach.

Strafbefehl für Prozess-Schwänzer

Damit verursachte der Jurist jedenfalls bei der Staatsanwältin sichtbares Kopfschütteln; mit seiner weiteren Bemerkung „Es war um 23.32 Uhr. Das war nicht abends, das war frühmorgens“ erntete er ihren expliziten Widerspruch: „Das war abends.“

Da der vor Gericht stehende Kürtener Azubi anderseits bislang noch nicht strafrechtlich aufgefallen war und an dem Abend auch nicht die entscheidende Rolle gespielt hat, schlug die Anklägerin eine Geldauflage in Höhe von 300 Euro zugunsten eines gemeinnützigen Vereins vor. Das Geld bekommt der Rösrather Kinderschutzbund.

Gegen den zum Prozess nicht erschienen Mitangeklagten, der in seinem Strafregister bereits neun Eintragungen hat, erließ Richter Ertan Güven einen Strafbefehl in Höhe von 700 Euro, 70 Tagessätze zu zehn Euro.