ProzessFürs Stalken nicht zu alt – 65-jähriger Bergisch Gladbacher verurteilt

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Eine Frau steht an einer Glasscheibe, hinter der ein Stalker steht. (gestellte Szene).

Eine Frau steht an einer Glasscheibe, hinter der ein Stalker steht. (gestellte Szene).

Ein 65-jähriger Gärtner aus Bergisch Gladbach ist als Stalker verurteilt worden. Der Mann soll seine Ex-Freundin (64) bedroht haben. 

 „Lassen Sie meine Mandantin in Ruhe! Ich werde Sie jedes Mal anzeigen!“ Von der mit fester Stimme vorgetragenen nicht-amtlichen „Gefährderansprache“ durch eine Kölner Rechtsanwältin scheint der soeben als Stalker verurteilte 65-jährige Bergisch Gladbacher Gärtner nicht wirklich beeindruckt zu sein. „Passen Sie auf, dass ich Sie nicht anzeige“, gibt der in süddeutsch anmutender Tracht im Gericht  erschienene Angeklagte zurück.

Der Strafprozess gegen Hugo H. (Name geändert) im Bergisch Gladbacher Amtsgericht offenbart Abgründe, die man(n) kaum mehr glauben mag: Einmal, dass im Jahre 2024, nach mehr als 50 Jahren Frauenbewegung in Deutschland, so etwas überhaupt noch passiert, zum anderen, dass ein kurz vor der Rente stehender und damit einigermaßen lebenserfahrener Mann eine derartig schlimme Bereitschaft zur (psychischen) Gewaltausübung zeigen kann. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts stalkt Hugo H. die ein Jahr jüngere Kölnerin Jutta K. Er droht ihr am Telefon, lässt ihr keine Ruhe, lässt die schwer kranke Frau nicht in Frieden leben.

Dürre Anklage scheint auch den Angeklagten zu überraschen

Zum Entsetzen der als Zeuginnenenbeistand auftretenden Kölner Anwältin hat die Staatsanwaltschaft aus einer ganzen Reihe von Vorfällen nur zwei zur Anklage gebracht: Eine SMS von Dezember 2021, bei der er Jutta K droht, er werde sie überall in ihrem Veedel suchen und dabei auch die Feuerwehr einschalten, wenn sie sich nicht bei ihm melde. Hinzu kommt eine telefonische Bedrohung aus dem Jahre 2023. Weitere Taten sind im Hinblick auf diese beiden Vorwürfe nicht angeklagt worden. Nicht nur die Anwältin der Zeugin wundert sich: „Das ist alles?“, fragt auch der verwundert wirkende Angeklagte nach.

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In seiner Einlassung bestreitet der Gärtner die Vorwürfe. Ja, Jutta und er hätten mal Stress gehabt, nachdem sie zuvor viel miteinander in der Natur unternommen hätten, doch im April 2023 hätten sie sich die Hand gegeben und sich seither nicht mehr gesehen. „Ich habe weder 2021 noch 2023 Drohungen ausgesprochen.“

Die Drohungen geflüstert, nicht gebrüllt

Bei Jutta K. klingt das ganz anders, als sie von ihrer Anwältin in den Saal geholt wird, um ihre Aussage zu machen. Sie wirkt nervös, fahrig, ein bisschen wie ein Nervenbündel, das wohl auch wegen ihrer schweren körperlichen Erkrankung. Die 64-Jährige bittet Richterin Miriam Kuschel inständig darum, drei, vier Tonaufnahmen von ihrem Handy abspielen zu dürfen: Nachrichten, die Hugo H. auf ihren Anrufbeantworter gesprochen habe.

Sie erhält die Erlaubnis, tut sich schwer, die richtigen Nachrichten zu finden und abzuspielen, die Anwältin springt ihr zur Seite: „Ganz ruhig!“ Schließlich gelingt es ihr und man hört eher geflüsterte als gebrüllte Drohungen wie  „Ich mach' dich kaputt“ oder „Ich mach‘ dich so platt.“

Gladbacher strahlt leichte Verwirrtheit aus

Nach der ersten Sequenz bestreitet Hugo H, der Sprecher gewesen zu sein: „Das ist nicht meine Stimme“; nach den weiteren schweigt er zunächst. Das ändert sich, nachdem er das Plädoyer des Staatsanwaltes gehört hat: 1800 Euro Geldstrafe (90 Tagessätze) wegen Nötigung und Bedrohung. Gegen den Angeklagten spreche dessen Penetranz, für ihn allenfalls eine leichte Verwirrtheit.

Diese „leichte Verwirrtheit“ hat sich in der Verhandlung insbesondere bei Hugo H.s Ausführungen über böse Nachbarn, die ihm ans Leder wollten, gezeigt, und als er darüber berichtet, dass ihm die Polizei einmal zu Unrecht einen Platzverweis auf einem katholischen Friedhof habe erteilen wollen.

Coronatest unmittelbar vor Prozessbeginn

Der Angeklagte, der vor Prozessbeginn angegeben hat, möglicherweise an Corona erkrankt zu sein, sich nach einem Schnelltest mit negativem Ergebnis aber doch seinem Verfahren stellen kann, bleibt bis zum Schluss bei seiner Version: Er habe nichts gemacht. Notfalls müsse es ein Stimmengutachten geben.

Mit ihrem Urteil entspricht Richterin Kuschel der Forderung des Anklägers. Hugo H. kündigt stehenden Fußes Rechtsmittel an – dann aber mit eigenem Verteidiger und notfalls bis zum Bundesgerichtshof, wie er sagt.

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