Wie Rhein-Bergs Abgeordnete in Berlin die Lage nach dem Aus der Ampel erleben und deuten – und wie ihre Parteien im Bergischen rotieren.
Neue Kandidatur in Rhein-BergChristian Lindner will wieder Finanzminister werden
In Berlin hat er von Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Laufpass bekommen, in Rhein-Berg will der geschasste Finanzminister Christian Lindner (FDP) neu durchstarten. Auf seine bereits erfolgte Aufstellung als Direktkandidat in seinem Wahlkreis zu verzichten, kommt für den 45-Jährigen aus Wermelskirchen keinesfalls in Frage: „Ich kandidiere nicht nur für den nächsten Bundestag, sondern für die Wiederaufnahme meiner Arbeit als Finanzminister in einer neuen Regierung“, äußert er sich am Tag nach seiner Entlassung als Finanzminister (6.11.) im Gespräch mit der Lokalredaktion.
Bereits im September hatte die FDP Rhein-Berg den früheren FDP-Kreisvorsitzenden erneut zu ihrem Bundestagskandidaten gemacht. Einstimmig. Ist er nach der Amtsenthebung in Berlin nun im Wahlkampf eher ein Klotz am Bein? „Im Gegenteil“, sagt die FDP-Kreisvorsitzende Dorothee Wasmuth: „Wir bekommen sehr viel Respekt für seine Haltung und seine Konsequenz, von unseren Mitgliedern, aber auch aus der Bevölkerung insgesamt zurückgemeldet. Dass Christian Lindner konsequent geblieben ist und die Schuldenbremse nicht aufgeweicht hat, rechnen ihm viele hoch an.“
Ein bisschen habe sie allerdings auch ein „Déjà-vu zum Ampel-Ende in Bergisch Gladbach“, so Wasmuth: „Da wären auch die Grünen bereit gewesen, weiter zu arbeiten, während die SPD ins Persönliche abgeglitten ist. Das hat jetzt auch Christian Lindner sehr getroffen.“
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SPD Rhein-Berg veröffentlicht rasch Namen ihres möglichen Bundestagkandidaten
Nicht alle Parteien waren im Kreis schon so weit wie FDP und Grüne – letztere hatten wie berichtet ihren amtierenden Bundestagsabgeordneten Maik Außendorf aus Bergisch Gladbach jüngst erneut als Kandidaten für die da noch im September 2025 angesetzte Bundestagswahl nominiert. Jetzt soll die Wahl spätestens Ende März stattfinden. Und die SPD hatte am Mittwochabend noch nicht mal einen Bewerber um die Kandidatur öffentlich gemacht.
Das änderte sich binnen 24 Stunden. Noch in der Nacht meldete sich SPD-Kreisvorsitzender Hinrich Schipper mit eine Stellungnahme zur Entlassung von Finanzminister Christian Lindner zu Wort und stärkte Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Rücken. Scholz habe einen wichtigen Schritt getan. Christian Lindner hingegen habe „mehrfach in den letzten Monaten gezeigt, dass ihm das Jagen von Prozentpunkten und Geschenke an seine Klientel wichtiger“ seien als sich dem Wohl des Landes zu widmen. Auch er habe bereits „kurz nach der Erklärung des Kanzlers . . . viele positive Rückmeldungen aus der Partei erhalten“.
Bundestagskandidat der Grünen schmunzelt über neue Pläne von Lindner
Am Donnerstagmittag gab Schipper dann im Gespräch mit dieser Zeitung bekannt, dass er selbst gerne für den Deutschen Bundestag kandidieren wolle. „Schon vor meiner Wahl zum SPD-Kreisvorsitzenden im September habe ich mich mit einer Kandidatur für den Bundestag auseinandergesetzt“, so Schipper, der als SPD-Kreisvorsitzender auf Marcel Kreutz folgte, der 2025 für SPD und Grüne als Bürgermeisterkandidat in Bergisch Gladbach ins Rennen geht.
Für Donnerstagabend setzte Schipper ein Gespräch mit Kreisvorstand und SPD-Ortsvereinsvorsitzenden an, um das weitere Vorgehen zu besprechen. „Eigentlich wollten wir am 21. November eine Nominierung im Kreisvorstand vornehmen, die Kandidatur dann öffentlich machen und am 4. Dezember die Aufstellung folgen lassen.“ Zumindest im Hinblick auf die Veröffentlichung sei dieser Plan nun allerdings hinfällig, so Schipper. Wenn er als SPD-Bundestagskandidat aufgestellt wird, dürfte er im Wahlkampf wieder auf den entlassenen Finanzminister treffen – dann als Bundestagskandidat Christian Lindner. „Ich bin gespannt“, sagt Schipper.
Terminkalender der Abgeordneten in Berlin ändert sich im Halb-Stunden-Takt
Dass Lindner seine Arbeit als Finanzminister in einer neuer Regierung fortsetzen will, wie er angekündigt hat, lässt den Bundestagsabgeordneten Maik Außendorf aus Bergisch Gladbach schmunzeln: „Ich weiß nicht, wer mit ihm nochmal koalieren möchte“, so der Grünen-Politiker und Mit-Architekt der Bergisch Gladbacher Ampel von 2020, der 2021 über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag eingezogen war.
Aktuell wird Außendorfs Kalender „jede halbe Stunde“ umgebaut, wie er aus Berlin berichtet: „Eigentlich sollte ich heute um 10.40 Uhr zum Thema ,Wirtschaftliche Lage' im Plenum reden, aber das ist dann abgesagt worden.“ Gleichwohl gebe es zahlreiche wichtige Projekte, die noch „konstruktiv zu Ende gebracht“ oder geregelt werden müssten. Daher sei auch eine Vertrauensfrage erst Mitte Januar gerechtfertigt.
Allein für das ERP-Programm, das noch aus dem Marshall-Plan herrühre, müsse das jährlich zu aktualisierende Gesetz noch verabschiedet werden: „Da hängen 11,7 Milliarden Euro für die Wirtschaft dran“, macht Außendorf die Bedeutung deutlich. Ein Wahltermin am 9. März, wie er auch schon im Gespräch war, würde in seinem Wahlkreis unterdessen für eine außergewöhnliche Parallelität sorgen: „Wahlkampf im Karneval – das hatten wir auch noch nicht.“
Rhein-Bergs CDU-Bundestagsabgeordneter ist gleich doppelt betroffen
Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU), der bei den beiden vergangenen Bundestagswahlen das rheinisch-bergische Direktmandat für das Berliner Parlament holte, ist von der vorzeitigen Neuwahl doppelt betroffen: Zum einen endet seine Zeit im Deutschen Bundestag früher, da er angekündigt hatte, nicht erneut kandidieren zu wollen. Zum anderen hat die CDU Rhein-Berg zwar eine Bewerberin und zwei Bewerber, aber noch keinen Bundestagskandidaten oder eine -kandidatin aufgestellt.
Die Aufstellungsveranstaltung, bei der sich Caroline Bosbach, Fabian Felder und Michael Freiherr von Maltzahn bewerben, finde wie geplant am Freitag, 22. November statt, sagt Tebroke, der zugleich CDU-Kreisvorsitzender ist. „Danach werden wir alles schnell hochfahren, wir waren aber auf alles vorbereitet.“ Andererseits, so räumt der Bundestagsabgeordnete ein: „Wir haben ja viel spekuliert, ob die Ampel bis zum Ende halten würde, aber dass es jetzt so schnell ging, war doch überraschend.“
Dr. Harald Weyel (AfD), der im Oktober von seiner Partei erneut als rheinisch-bergischer Kandidat für den Bundestag aufgestellt wurde, in den er 2017 und 2021 über die Liste einzog, will am Tag nach dem Bruch der Ampel vor allem eins: „Neuwahlen so schnell wie möglich.“