Bergisch Gladbach – Das Aufgebot, mit dem die Verwaltungsspitze ihr Flaggschiff-Projekt Stadthaus-Neubau gestern der Öffentlichkeit präsentiert hat, hätte illustrer nicht sein können: Bürgermeister Lutz Urbach, Stadtkämmerer Jürgen Mumdey, Stadtbaurat Harald Flügge und nicht zuletzt Chef-Grundstücksverwalter und Co-Dezernent Bernd Martmann suchten auch den geringsten Zweifel daran zu zerstreuen, dass das 27-Millionen-Vorhaben am S-Bahnhof ein ganz großer Wurf und „eine historische Chance“ sei – auch und gerade in Zeiten der notorischen Finanzknappheit und Überschuldung der Kommune.
Investition von 27 Millionen Euro
Ein Haar in der Suppe ist aber auch schwer zu finden: Die Verwaltung hat seit 2014 ihre Hausaufgaben gründlich gemacht und sich die Ergebnisse von einem externen Gutachter, Thomas Mandt vom auf Behördenneubauten spezialisierten Fachbüro VBD, bestätigen lassen. Mit 27 Millionen Euro für die Errichtung eines neuen winkelförmigen Stadthauses am Bahnhofskopf liegt man in der Wirtschaftlichkeit um 13 bis 14 Millionen besser als die nächstgünstigste Alternative, berechnet nach drei Methoden (Ergebnisrechnung, Finanzrechnung, Barwert). Dafür gibt es 380 bis 400 moderne Büroarbeitsplätze auf 7500 Quadratmetern gegenüber der Rhein-Berg-Passage und entlang der Jakobsstraße bis etwa Höhe Theas-Theater.
Die Planungsvarianten
Variante A: Bestandslösung und Miete (Sanierung des bestehenden Stadthauses, dazu kommt die Anmietung zusätzlicher Flächen, der Bürgermeister behält das Büro im Rathaus wie auch in Variante B und D).
Variante B: Kleine Neubaulösung und Miete (Teilneubau Bahnhofskopf, Anmietung von Flächen).
Variante C: Große Neubaulösung (der favorisierte Vorschlag: Neubau Bahnhofskopf und Jakobstraße, der die komplette Verwaltung aufnimmt).
Variante D: Bestandslösung mit Erweiterungsbau (Sanierung des Stadthauses, Ergänzungsneubau in der Jakobstraße).
0-Variante: nur die nötigsten Reparaturen am bestehenden Stadthaus.
Zanders-Variante: Nutzung von Büroimmobilien der Firma Zanders . (gf)
Wenn Finanzausschuss und Rat am 8. beziehungsweise 13. Dezember dem Grundsatzbeschluss zustimmen, könnte ein erster Spatenstich etwa 2018 erfolgen, vorher müssen Bebauungsplan entwickelt, Architektenplan entworfen und die Beschaffung organisiert werden.
Grundwasserproblem
Was nicht drin ist in den Kosten, weil es die Wirtschaftlichkeit der Ersatzbeschaffung für die Stadtverwaltung nicht betrifft, ist ein möglicher Umzug der Stadtbücherei, die derzeit im Forum-Gebäude sitzt und eine eigene Wirtschaftlichkeitskalkulation aufstellt. Der über 40 Jahre alte Plattenbau ist morsch und hat ein Grundwasserproblem, das auch bei einer auf drei bis 3,5 Millionen Euro angesetzten Sanierung nicht gelöst wäre.
Die Unterbringung in einer Ergänzung am Bahnhof wäre für grob fünf Millionen Euro extra zu haben. Hinzu kommen gewerbliche Räume im Erdgeschoss der neuen Bahnhofskopfbebauung. Die sollen vermietet werden und gelten somit als rentabel, ebenso wie die Parkplätze, die bewirtschaftet werden sollen.
Dabei gibt es durchaus Synergieeffekte: So könnte das Fahrgastzentrum der Bahn mit Bücherei und Bürgerbüro entreemäßig vernetzt werden, und eine Restauration könnte auch den Kantinen-Betrieb für die Stadt übernehmen, die damit eine eigene Einrichtung überflüssig machen würde.
Arbeitsplatz kostet im Schnitt 70.000 Euro
Aber solche Effekte sind noch gar nicht eingepreist: Man sei bei der Grundkonzeption von einem vorsichtigen und bescheidenen Ansatz ausgegangen, so Martmann. Jeder Arbeitsplatz schlägt mit Kosten von durchschnittlich 70.000 Euro zu Buche, der Behördenstandard liegt sonst schon bei 80.000. „Doppelbüros sind Normalausstattung“, sagt Lutz Urbach. „Wir haben Bedarfe zugrunde gelegt, nicht Bedürfnisse.“
Urbach ist bis 2020 gewählt und hofft, noch selbst in das neue Gebäude einziehen zu können. „Ich habe natürlich ein schönes Büro im alten Rathaus, aber das habe ich so vorgefunden, und wenn ich da sitze, habe ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich an die Kollegen auf der anderen Seite vom Marktplatz denke.“
Das Stadthaus – das alte Kreishaus am Konrad-Adenauer-Platz und das alte Finanzamt an der Gohrsmühle, in den 90ern zusammengefügt mit einem Zwischentrakt – wird 60 Jahre alt, doch niemand hat Lust, dies zu feiern. „Wir haben endlich mal die Chance, nicht die abgelegten Baulichkeiten zu übernehmen, die für andere Behörden nichts mehr taugen, und uns selbst neu aufzustellen“, schwärmt Urbach.
Nicht zuletzt macht das fast absurde Zinstief die Neubaulösung besonders attraktiv, „obwohl wir für alle Varianten – Sanierung, Teilneubau und Komplettersatz – natürlich die gleichen Zinssätze zugrunde legen“, wie Martmann betont. „Bei Kassenkrediten sind wir jetzt deutlich im Negativ-Zinsbereich, und selbst bei Investitionskrediten haben wir nur eine Eins vor dem Komma“, erklärt Kämmerer Mumdey, der sich den Tiefzins auch über langfristige Darlehensverträge mit Lebensversicherern und Pensionsfonds sichern will.
Identität des Stadtzentrums
Und dann kommt natürlich die Chance dazu, den alten Standort zu vermarkten. „Da kann man was für die Identität des Stadtzentrums tun, wenn man die Ecke von diesen alten Baukörpern befreit“, ist Stadtbaurat Flügge überzeugt. Urbach hat sich von Kinobetreiber Helmut Brunotte bestätigen lassen, dass dieser sich für einen Kinoneubau anstelle der Stadthäuser erwärmen könnte. Aber Flügge sieht auch andere Lösungen. Das gilt ebenso für den Bahnhof.
Hier besitzt die Stadt noch mehr Flächen entlang der Jakobstraße, die von der Schwerpunktverlagerung profitieren würden. Und auch für die Brachen auf Cox- und Köttgengelände würden Impulse gesetzt.