Otto-Hahn-Gymnasiasten regen ein Mahnmal zur Nationalpolitischen Erziehungsanstalt an.
Gedenkstätte Bergisch Gladbacher Schüler fordern Mahnmal für NS-Gräuel
Einziger stummer Zeuge der Nationalpolitischen Erziehungsgestalt im Bensberger Schloss, kurz Napola genannt, ist ein schwarzer Holzstuhl, sonst gibt es nichts in der Stadt, was an die Nazi-Eliteschule erinnert. Schülerinnen und Schüler des Oberstufen-Literaturkurses des Otto-Hahn-Gymnasiums wollen verhindern, dass dieser dunkle Teil der Geschichte in Vergessenheit gerät und fordern dabei Unterstützung. Ihr Ziel ist: die Errichtung einer Gedenkstätte, konkret in Form von Stolpersteinen, besser noch als gut sichtbares Hinweisschild auf dem Schlossgelände, um an das Unrecht zu erinnern.
Rote und weiße Rosen, Kerzen, Trauerschleifen und ein gerahmtes Foto, das zwei Stolpersteine zeigt, in die die Namen von zwei ermordeten Zwangsarbeitern eingraviert sind. Das von den Schülern aufgebaute Mahnmal als Herzstück ihrer innovativen Ausstellung geht unter die Haut. Zu sehen ist auch der Stuhl, wenn auch nur virtuell in einer Videoanimation – aufbewahrt wird er im Stadtarchiv Bergisch Gladbach.
Die Schüler berührt der Mord an zwei Zwangsarbeitern
„Das hat uns besonders berührt“, berichtet Paula Schellenberg. Keiner im Literaturkurs hätte gewusst, dass sich im Schloss ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald befunden hat und dass es zwei Todesfälle gab. Im Stadtarchiv stießen die Schüler auf eine Fülle von aufbereiteten Dokumenten und Originalquellen, die zeigen, wie die Internatskinder indoktriniert, militärisch gedrillt und für den Dienst an der Waffe ausgebildet wurden. Ein Großteil ging nach dieser Schule zur SS.
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Besonders bewegten die Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums Artikel, in denen erwähnt wurde, dass zwei Personen im Schlosspark erschossen wurden. „Wir recherchierten weiter, wollten unbedingt die Namen und die Geschichte herausfinden“, erzählt Paula. Schließlich können die Täter genauso so alt gewesen sein, wie die Teilnehmer des Literaturkurses – zwischen 16 und 18 Jahre alt. In einem Buch wurden sie schließlich fündig: Am 22. März 1945 sollen demnach zwei Hitlerjungen die „Ostarbeiter“ Walerij Winogradow und Konstantin Wladimirnow nach einem angeblichen Weindiebstahl getötet haben.
Die Bestätigung für den Tod der beiden Männer fanden die Schüler, als sie im originalen Todesbuch die Todesscheine entdeckten. „Weitere Einzelheiten wie das Alter der Täter und ob sie aus dem NS-Elite-Internat Napola stammten, konnten wir leider nicht herausfinden“, bedauert Paula.
Ebenfalls berührend sind die Briefe als einziges erlaubtes Kontaktmittel, die die Napola-Schüler, isoliert von der Familie, nach Hause schickten. „Auffallend ist, dass echte Gefühle kaum geschildert wurden“, berichtet Paula. Als Hinweis für die Zwickmühle, in der sich Briefschreiber aufgrund der Zensur befanden, weist sie auf den Schluss eines Briefes hin, aus dem man die Not des Schreibers herauslesen kann: „So kann ich doch nicht alles schreiben, was in mir vorgeht. Aber ich weiß, Du wirst mich auch so verstehen und mein tapferes Mütterchen bleiben, ja?“
In ihrem Antrieb, weiter gegen das Vergessen dieser Zeit anzugehen, fühlen sich die Elftklässler durch das ernüchternde Ergebnis ihrer Umfrage bestätigt: Von 178 Befragten zwischen 16 und 90 Jahren war nur jedem Fünften die Napola-Bensberg ein Begriff.
Stadt Bergisch Gladbach unterstützt Anliegen der Schüler
Einige Zitate von meist älteren Passanten, die die Schüler an einem Markttag in Bensberg befragten, werden in der Ausstellung wiedergegeben: „Ich weiß, dass es das überall in Deutschland gegeben hat und möchte mich ungern daran erinnern.“ Oder: „Ich bin 1940 im Schloss geboren und habe noch nie etwas davon gehört“.
Auf ihrer Seite haben die jungen Leute die Stadtverwaltung: „Ich halte es für wichtig, sich mit der Vergangenheit, insbesondere der des Nationalsozialismus in Deutschland, auch weiterhin intensiv auseinander zu setzen“, betont Beigeordneter Ragnar Migenda auf Anfrage dieser Zeitung. Wer die Zukunft gestalten wolle, müsse die Vergangenheit verstehen und daraus entsprechende Lehren ziehen. „Die Aufbereitung der Geschichte in Bergisch Gladbach, hier in Zusammenhang mit dem Bensberger Schloss, erscheint mir richtig, wichtig und notwendig. Eine solche Aufbereitung begrüße und unterstütze ich“.
Wie Lehrerin Theresia Reusch mitteilt, sei nach den Sommerferien ein Termin mit Bürgermeister Frank Stein vereinbart. Der Versicherungskonzern Generali als Schloss-Eigentümer habe um etwas Zeit gebeten, um die Frage zu beantworten, ob die Versicherung ein Mahnmal auf dem Schlossgelände unterstütze. Der Verein Galerie und Schloss fühlt sich, wie berichtet, nicht zuständig, obwohl – wie Markus Schmidt sagt, der als früherer Journalist die Schüler in Fragen des Presserechts unterstützte – die Satzung dies sehr wohl hergebe.
Am Mittwoch ist der Andrang von Schülern des OHG groß. Die professionelle Ausstellung mit fünf, teils interaktiven Stationen und einer digitalen Zeitschrift informiert und wühlt auf.
Gewalt als Erziehungsmaßnahme
1933 wurden die ersten Napolas, Abkürzung für Nationalpolitische Erziehungsanstalt, gegründet. 15000 Schüler besuchten die insgesamt 40 NS-Ausleseschulen, in der in einer sechs- bis achtjährigen Ausbildung die kommende Führungsschicht des Nazi-Staates herangezogen werden sollte. Neben militärischem Drill gehörten auch Brutalität und Psychoterror zum Alltag.
Die Napola im Bensberger Schloss eröffnete am 1. Juli 1935. Nach einem Brand im Nordflügel wurden ab März 1944 etwa zwölf KZ-Häftlinge nach Bensberg überstellt. Am 2. November 1944 wurde das Außenlager des KZ Buchenwald mit der Napola nach Hardenhausen in Westfalen verlegt.(ub)