Bergisch Gladbach – Michael Krause setzt den Stecker ein. Klick. Noch ein paar Stunden, dann steht sein „Musik-Express“ wieder. Endlich. Nach zwei Jahren Zwangspause zurück in der Bergisch Gladbacher Stadtmitte, direkt vor dem Rathaus. „Ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagt Bärbel Barth vom Autoscooter nebenan. Auch wenn die vergangenen beiden Jahren tiefe Spuren hinterlassen haben.
Vier Tage Pfingstkirmes
Unter anderem mit Autoscooter Route 66, einem nostalgischen Riesenrad, Break Dance, Schweinchenbahn, Musik-Express und Frisbee lockt die Pfingstkirmes vom kommenden Samstag, 4. Juni, bis Dienstag, 7. Juni, auf den Gladbacher Konrad-Adenauer-Platz und um den Bergischen Löwen. Den Abschluss bildet am Dienstag ein Höhenfeuerwerk.
Noch bis Mittwoch, 8. Juni, 20 Uhr ist der Stadthausparkplatz gesperrt, die Bushaltestelle Markt zu einer Ersatzhaltestelle „An der Gohrsmühle“ verlegt, und der Wochenmarkt in der Hauptstraße. (wg)
„Ohne Überbrückungshilfen hätte ich den Betrieb nicht über die Runden bekommen“, sagt Michael Krause. „Privat musste ich schon meine Lebensversicherung verkaufen, sonst hätten wir es nicht geschafft.“ Auch wenn ihn dass jetzt Jahre nach hinten werfe, sagt der 51-Jährige, und die Gesichtszüge des Bielefelders hellen sich auf. „Wir können dankbar und zufrieden sein“, sagt er. Die Schausteller in Deutschland sind noch vergleichsweise gut dran gewesen. „Im europäischen Ausland gab’s nix, da sind viele Betriebe draufgegangen.“
Dass die Politik in Deutschland die Schausteller nicht vergessen habe, da ist Michael Krause überzeugt, habe auch ein Stück mit den Solidaritätsveranstaltungen zu tun, die Burkhardt Unrau in Bergisch Gladbach organisiert habe.
„Das war unser Sprachrohr, das hat auf jeden Fall geholfen“, sagt der Ostwestfale und lächelt: „Jetzt bin ich erstmal voller Vorfreude auf die Pfingstkirmes“, sagt der Schausteller, der seit 1994 regelmäßig auf der Gladbacher Kirmes ist. Wenn auch nach der Pandemie in deutlich geschrumpfter Besetzung. „Vorher hatte ich vier Mitarbeiter, bis auf einen haben die sich alle was anderes gesucht und es ist sehr schwer im Moment neue Leute zu finden.“
Das Problem kennt auch Dennis Ruppert, der gegenüber vor dem Park der Villa Zanders sein Frisbee-Fahrgeschäft aufbaut, nur zu gut. „Als es hier mit dem Aufbau losging, hatte ich nur einen Mitarbeiter, seit einer Stunde habe ich drei“, sagt er und freut sich: „Gut, dass das mit der Anmeldung so schnell geklappt hat.“
Bei Bärbel Barth und ihrem über 150 Jahre alten Autoscooter-Familienunternehmen packt bereits die nächste Generation mit an: Sohn Ludwig steckt Bodenplatten zusammen. „Jeder Platz ist ein Stück Heimat von uns“, sagt Bärbel Barth, die spürt, dass sich Gladbach in den vergangenen zwei Jahren verändert hat.
„Leider sind die Damen von Kamps nicht mehr da, die uns immer so gut versorgt haben“, sagt sie und schaut zu dem Ladenlokal hinüber, in dem zwischenzeitlich Brillen statt Brötchen verkauft werden. „Ich bin so froh, dass wir wieder hier sind“, sagt die 44-Jährige.
In der Corona-Zeit hat sie sich mit einem Job über Wasser gehalten, erst bei einem Bäcker, dann in einem Baumarkt. „Zu Hause wäre ich sonst verrückt geworden“, sagt sie. „Wobei auch so die Verzweiflung manchmal groß war: Von so einem Job kann man ja keinen Betrieb durchbringen“, weiß sie. „Aber jetzt hatte unser Familienbetrieb den Zweiten Weltkrieg und alles überstanden, da konnte wir doch jetzt nicht aufgeben“, fügt sie nachdenklich hinzu. „Und Schausteller ist auch kein Beruf – das ist dein Leben.“ Bärbel Barth schaut auf den Autoscooter, der langsam Gestalt annimmt, während ein Passant vorbeikommt und strahlend nur zwei Worte sagt: „Endlich wieder!“
Bärbel kennt den älteren Herrn. Wie viele Gladbacher. „Ich bin hier ja auch ein Stück groß geworden.“
Innenminister auf der Kirmes
Zur Eröffnung der Pfingstkirmes am Samstag, 11. Juni, 12 Uhr auf dem Konrad-Adenauer-Platz hat sich auch NRW-Innenminister Herbert Reul angekündigt. Kirmesorganisator Burkhardt Unrau hatte den Minister aus Leichlingen eingeladen, nachdem dieser auch bei einer der Solidaritätsveranstaltungen für die Schausteller und das Kulturgut Kirmes während der Corona-Zeit im Jahr 2020 in Bergisch Gladbach gesprochen hatte. Damals hatte sich Reul tief beeindruckt gezeigt von den Hintergründen der Schaustellerarbeit und gesagt, dass ihm in Gladbach vieles klarer geworden sei. (wg)
Unterdessen ist bei Nadine und Thomas Luxem gerade das Mittagessen fertig. Sie haben noch Zeit, bis zum Aufbau ihrer Entchenangel- und Dosenwerfen-Buden.
„Erstmal sind die großen Fahrgeschäfte dran, dann kommen wir“, sagt Thomas Luxem und freut sich. Die Töchter des Schwiegersohns sind da. Sie sind gerade vom Unterricht in der Grundschule An der Strunde zurück, die sie während der Kirmeszeit in Gladbach besuchen. So wie früher schon Luxems Kinder Angelina und Thomas.
Jetzt gibt’s Mittagessen mit der Enkelgeneration am Tisch vor dem Wohnwagen – in der Sonne. Was kann’s Schöneres geben?!
Schwerer Schicksalsschlag im Corona-Jahr 2021
Dabei war das vergangene Jahr schwer genug. Nadine Luxems Vater ist gestorben. Mit gerade mal 66. Er hatte früher auch ein Kirmesgeschäft auf der Gladbacher Kirmes. „Aber es tut gut, wieder nach Gladbach zu kommen“, sagt die 43-Jährige. „Ute und Burkhardt Unrau sind wie eine Familie für uns – und auch für die anderen Schausteller.“
Gerne verweise er auf Kirmessen in anderen Städten darauf, wie gut es in Bergisch Gladbach funktioniere, bekennt Thomas Luxem. Er zeigt sich überzeugt: „Wenn viele andere Veranstalter nur zehn Prozent von dem Herz hätten wie Ute und Burkhardt, dann gäbe es nirgendwo Probleme. Die veranstalten keine Kirmes, die leben das.“
Die Zwillinge räumen die Teller ab, Nadine Luxem kann’ kaum erwarten, das Entchenangeln aufzubauen. In den vergangenen zwei Jahren hat die Dürenerin in einem Pralinen-Laden gearbeitet. Die älteren Inhaber haben ihr am Ende sogar angeboten, den Laden zu übernehmen. Doch Nadine hat nicht lange überlegt und freundlich abgewinkt: „Nein, unser Leben kommt wieder“, hat sie damals gesagt. Jetzt ist es wieder da. Am Samstag startet die Gladbacher Pfingstkirmes, auf die sie sich immer freut– und in diesem Jahr ganz besonders.