Vor drei Jahren wurden auf der Bundesstraße 256 zwischen den Kreisen Oberberg und Rhein-Sieg 28 Tempolimits eingerichtet. Eine Bilanz.
Zwischen Waldbröl und WindeckSpitzenreiter rast mit 202 Sachen über Schladernring
Bald ist es drei Jahre her, dass die Straßenmeisterei in Waldbröl eine Anordnung des Oberbergischen Kreises ausgeführt hat: Am 25. August 2021 sind entlang der Siegstraße, der Bundesstraße 256 zwischen der Marktstadt und der Gemeinde Windeck im Rhein-Sieg-Kreis, allein auf oberbergischer Seite 17 Schilder gesetzt worden.
Diese sollen auf der berüchtigten und in Bikerkreisen höchst beliebten Strecke die Geschwindigkeit an gefährlichen Stellen von Tempo 100 auf 70 oder 50 drosseln. Als „Schladernring“ ist diese bekannt geworden – vor allem, nachdem der Landesbetrieb Straßenbau die B 256 zwischen Oktober 2014 und Dezember 2017 für 12,1 Millionen Euro saniert und damit ungewollt attraktiv gemacht hat für Zweiradfans, die gerne mal Gas geben auf glattem Asphalt.
Am 27. Juni ist zwischen Waldbröl und Windeck zuletzt ein Motorradfahrer gestorben
Ob die Schilder ihren Zweck erfüllen und damit das Fahren auf dieser Straße sicherer machen, darüber herrschen längst starke Zweifel. Zuletzt hat dort am Abend des 27. Juni – auf der Seite des Rhein-Sieg-Kreises – ein 24 Jahre alter Biker aus Niederkassel sein Leben verloren: Mit hoher Geschwindigkeit war der Mann gegen eine Felswand geprallt, jegliche Hilfe kam zu spät. Er starb an der Unfallstelle, zuvor hatte der Niederkasseler mit zwei Freunden die kurvenreiche Strecke befahren.
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Rund 8,5 Kilometer misst die B 256 zwischen dem Verkehrskreisel an der Zufahrt zum Naturerlebnispark Panarbora und dem Kreisel zwischen den Windecker Ortschaften Rosbach und Schladern. Oliver Zur (48) fährt diese Kilometer nahezu täglich und dann auch zweimal, um zum Arbeitsplatz in Buchholz-Mendt (Landkreis Neuwied) zu kommen und von dort wieder nach Hause: „Noch immer fliegen einem in den vielen Kurven die Knieschleifer entgegen, sie hängen mit dem Kopf knapp über dem Mittelstreifen“, schildert der Vertriebsleiter eines IT-Unternehmens. „Manchmal begegnet man derselben Maschine sogar dreimal, der Biker kommt einem entgegen, dann wiederum überholt er – und das geht dann so weiter.“
An den Wochenenden ist der „Schladernring“ weiterhin attraktiv für Bikerinnen und Biker
Seiner Meinung nach bewirken die Schilder wenig. „Im Gegenteil: Die Strecke ist attraktiv wie nie zuvor, vor allem am Wochenende“, urteilt der Waldbröler Zur. „Und das sieht man auch an den vielen Kennzeichen von jenseits der Anrainerkreise Oberberg und Rhein-Sieg.“
Monika Treutler, Polizeisprecherin in Gummersbach, beruft sich dagegen auf Erfahrungswerte der Polizei, sie ist überzeugt: „Die Unfallzahlen auf dem oberbergischen Teil wären weitaus höher, gebe es das Tempolimit nicht. Auch wäre der Schladernring dann noch attraktiver für jeden, der Motorrad fährt.“
Und auch Rudolf Bergen, Mobilitätsmanager Waldbröls, bestätigt dies mit Blick auf die Ergebnisse einer Unfallkommission, in der die Stadt ebenso vertreten ist wie die Polizei, der Oberbergische Kreis, der Rhein-Sieg-Kreis und der Landesbetrieb Straßenbau. Bergen: „Die Kommission hat die Situation auf unserer Seite im vergangenen April noch einmal bewertet und sieht keinen weiteren Handlungsbedarf.“ Allerdings erreichten das Rathaus in der Motorradsaison auch weiterhin viele Beschwerden ein, ergänzt der Mobilitätsmanager: „Diese betreffen dann aber meist den Lärm.“
Polizeisprecherin aus Gummersbach räumt ein, dass sich die Unfallzahlen kaum verändert haben
Gleichwohl räumt die Polizeisprecherin Treutler ein, dass sich die Zahlen der Unfälle in den vergangenen drei Jahren kaum von denen in der Zeit vor jener neuen Beschilderung unterscheiden: In der Zeit zwischen dem 1. Januar 2021 bis Ende vergangenen Juni krachte es dort 23-mal, in den Jahren zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezember 2020 nur einmal mehr. „Die häufigsten Ursachen waren eine nichtangepasste Geschwindigkeit und Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot“, ergänzt die Sprecherin.
Etwa 2,6 Kilometer dieser Strecke fallen in die Verantwortung des Rhein-Sieg-Kreises. Auf dessen Seite stehen seit August 2021 elf Schilder, die das Tempo regeln. „Seitdem hat es 18 Unfälle gegeben“, berichtet Stefan Birk, Polizeisprecher in der Kreisstadt Siegburg. „Ein Motorradfahrer ist gestorben, fünf Verkehrsteilnehmer wurden bei Unfällen schwer, zwölf leicht verletzt.“
Diese Zahlen gäben der Regionalstelle Rhein-Berg im Landesbetrieb Straßenbau Anlass zu weiterem Handeln, kündigt Sprecher Reiner Herzog an: „Die Lage ist im Rhein-Sieg-Kreis ist weiterhin so auffällig, dass in der Unfallkommission über weitergehende Maßnahmen beraten werden muss – und wird.“
Die Forderung nach mehr Sicherheit ist in der Waldbröler Stadtpolitik schon in den 1990er Jahren laut geworden
Einer, der die Geschwindigkeitsbegrenzungen immer wieder gefordert und das Thema im Rat der Stadt Waldbröl forciert hat, ist der SPD-Mann Wastl Roth-Seefrid. Der 49-Jährige wohnt im Nachbarort Schönenbach, auch da ist der Lärm von Motorrädern oft zu hören. „Doch insgesamt ist es deutlich ruhiger als früher“, findet er. „Allerdings gibt es immer noch viele Idioten, die in der Woche und gern am Abend die Strecke rauf- und runterrasen.“
Um insbesondere Spurkenbach – dort verläuft die Siegstraße mitten durchs Dorf – zu entlasten, ist bereits am 13. April 2005 auf dem Stück zwischen dem Abzweig nach Krahwinkel und dem nach Seifen eine Sperrung eingerichtet worden, die Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern an Feiertagen und Wochenenden, jeweils in der Zeit von 8 bis 22 Uhr, das Befahren dieser Straße verbietet. „Und das wird befolgt“, betont die Polizeisprecherin Treutler.
Den Lärm insgesamt werde man dagegen wohl nie in den Griff bekommen, ahnt indes Reinhard Grüber. Der 84 Jahre alte Ur-Waldbröler war Sprecher der Interessengemeinschaft B 256, die sich bereits in den 1990er Jahren für mehr Sicherheit auf dieser Strecke eingesetzt hat, der frühere Fahrlehrer stritt in der Stadtpolitik vehement für Tempolimits. Groß war seine Freude, als diese vor drei Jahren dann endlich kamen: „Ich finde, dass sie seither zu 100 Prozent Wirkung zeigen.“
Blick in die Statistik für die Strecke zwischen Waldbröl und Windeck
Tote haben die Unfälle auf oberbergischer Seite nach Angaben von Polizeisprecherin Monika Treutler seit dem 1. Januar 2016 nicht mehr gefordert. Bis Ende 2020 aber wurden acht Menschen schwer, sieben leicht verletzt. Seit 1. Januar 2021 wurden dagegen fünf Menschen mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht, leichte Verletzungen trugen neun davon. Beteiligt an allen Unfällen seit dem Jahresbeginn 2016 waren laut Treutler 21 motorisierte Zweiräder und 18 Autos. Eine nicht der Strecke angepasste Geschwindigkeit ist bis heute dieser Statistik zufolge die häufigste Ursache für einen Unfall. „Einen Schwerpunkt gibt es nicht“, ergänzt Treutler. „Die Orte der Unfälle verteilen sich über die gesamte Strecke.“
Allein im Juni hat die Polizei im Rhein-Sieg-Kreis 59 Geldstrafen gegen Bikerinnen und Biker verhängt, die zu schnell waren. Sprecher Stefan Birk: „Der Spitzenreiter war mit 202 Sachen auf der Piste unterwegs.“ Gegen die Fahrinnern und Fahrer anderer Fahrzeugtypen wurden sogar 464 Verwarnungen ausgesprochen. In zehn Fällen insgesamt, so Birk, habe die Polizei den Führerschein kassiert.
Das sagen Anwohnerinnen und Anwohner aus Waldbröl
Ursula Smits (78), Spurkenbach: „Ich bin zufrieden mit den Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind. Ich wohne nicht direkt an der Siegstraße, aber früher ist der Krach von dort bis zur anderen Seite des Ortes vorgedrungen. Das ist heute nicht mehr der Fall.“ Gleichwohl sei es dort im Sommer noch immer lauter als im Winter, „zumal es noch genügend Menschen gibt, die das Tempolimit einfach nicht kümmert.“
Frank Ordner (58), Spurkenbach: „In Richtung des Rhein-Sieg-Kreises ist die Situation heute deutlich besser, in der Woche gibt es das ständige Rauf- und Runterfahren mit einer Stoppuhr am Straßenrand fast gar nicht mehr.“ Allerdings: „Wer heute dort Gas gibt, der tut das dann auch richtig und rast – darunter leiden vor allem diejenigen, die direkt an der Straße wohnen“, sagt Ordner.
Wilfried Schumann (75), Seifen: „In unserem Ort ist es bedeutend ruhiger geworden, der Lärm ist lange nicht mehr so massiv wie früher. Bedauerlich ist, dass wir nicht mehr so viele Polizeikontrollen wie früher sehen, denn es gibt immer noch genügen Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer, die dort entlangbrettern und auch gerne den kleinen Kreisverkehr an unserem Ortseingang (Foto) als Herausforderung sehen.“ Als Vorstandsmitglied des örtlichen Friedhofvereins hatte sich Schumann im Juli 2020 im Gespräch mit dieser Zeitung etwa beklagt, dass bei Beerdigungen die Traueransprache des Pfarrers aufgrund des Verkehrslärms rund um Seifen oft nicht zu verstehen gewesen sei.
Werner Ritsche (78), Spurkenbach: „Bei schönem Wetter ist alles so wie früher, die Maßnahmen bewirken gar nichts. Es gibt eine vierköpfige Bikergruppe, die immer wieder zurückkommt, um von hier bis Windeck-Rosbach hin- und herzufahren. Auch Kolonnen kann man auf der Strecke sehr oft sehen. Sonntags geht das besonders gut, weil es dann keine Kontrollen gibt. Ich bin echt enttäuscht, zwischen 15 und 16 Uhr ist dann immer am schlimmsten.“ Auch habe er schon manches Autorennen beobachtet.