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VerwirrungWas gehört in Oberbergs Kleidercontainer?

Lesezeit 4 Minuten

Zu schade zum Wegwerfen: Tatjana Zimmer, Ehrenamtliche vom Bergneustädter Lädchen, mit gespendeten Winterjacken. Viele Menschen nutzen die Altkleidercontainer des Bav, um aussortierte Textilien loszuwerden.

Neue EU-Verordnung sorgt für Verwirrung bei den Oberbergern.

„Dürfen Altkleider noch in die schwarze Tonne oder ist das jetzt seit dem 1. Januar verboten?“ Torsten Rohmann, Geschäftsführer des Asto (Abfall- Sammel- und Transportverband Oberberg), der in Bergneustadt, Waldbröl, Marienheide, Wipperfürth und Wiehl den Müll sammelt und für die Entsorgung zuständig ist, stöhnt. Die Frage, von ratlosen Bürgerinnen und Bürgern gestellt, könne er kaum noch hören, gesteht er. Wohin mit den zerrissenen Bettlaken, die schon ein zweites Leben als Putzlappen hinter sich haben?

Was tun mit den löchrigen Hosen der Kinder? Das gehört doch nicht in die Sammelcontainer oder jetzt doch? Aber sollte man da eigentlich nicht nur tragbare Kleidung deponieren? „Es gibt da eine Menge Missverständnisse“, klärt Rohmann auf. Schuld daran seien keineswegs die Bürger, sondern eine EU-Verordnung: Seit Anfang des Jahres hat auch Deutschland demnach eine gesetzliche Pflicht zur getrennten Sammlung von Alttextilien mit dem Ziel, möglichst die Wiederverwertung der Kleidung oder ein hochwertiges Recycling des Materials zu ermöglichen. „Aber das betreiben wir bereits seit zehn Jahren!“, erklärt Lars Lück, stellvertretender Leiter der Abfallwirtschaft beim Bav, der Alttextilien auch für den Asto mit sammelt. „Wir haben bereits eine tolle Trennung der Abfallströme“, versichert auch Rohmann.

Oberberger sind Altmeister

Die Oberberger sind praktisch bereits Altmeister im Altkleidersammeln: Allein in den 465 Containern des kommunalen Abfallwirtschaftsverbands – leicht zu erkennen an ihrem Fachwerkhaus-Design – werden in Rhein-Berg und Oberberg insgesamt 1300 Tonnen gebrauchte Textilien pro Jahr gesammelt, so Lück. Hinzu kommen kommerzielle und karitative Sammler, die ebenfalls ihre Container aufstellen. „In die Container gehören alte Sachen, die nicht kaputt sind, auch vorgewaschene Lappen und Bettwäsche.

Alles, was dreckig, nass und kaputt ist, auch Wollreste und Textilschnipsel, gehört weiterhin in die schwarze Tonne“, erklärt Rohmann. Damit sich nicht Berge von Säcken vor überfüllten Containern stapeln, will man beim Bav in Zukunft Füllstandsensoren einbauen, wie sie bereits bei Elektroschrottcontainern in Betrieb sind. „Wir haben ja an den Sammelstellen keine Überwachungskameras“, führt Lück aus. „So wissen wir, wie oft die Container geleert werden müssen.“

Sogar Farben und Lacke sind im Elektromüll

Bisher kommen Lkw bei manchen Containern wöchentlich zur Leerung, bei anderen alle 14 Tage. „Die Fahrer kontrollieren und sortieren vor Ort vor, wir verzeichnen rund zehn Prozent Fehlbefüllung“, bedauert Lück. „Sogar Farben und Lacke und Elektromüll stecken zwischen den Textilien.“ Je mehr Unbrauchbares im Container landet, umso schlechter die Qualität. Und umso geringer der Erlös, denn der Inhalt wird sortiert und vermarktet. „Der Erlös wirkt sich auf die Müllgebühren aus, je mehr falsch befüllt wird, umso teurer wird der Müll für die Bürger“, stellt Lars Lück vom Bav fest.

Abgeholt werden die Alttextilien von dem kommunalen Eigenbetrieb des Bav, der Reloga. „Durch die Missverständnisse beim neuen Gesetz befürchtet man, dass insgesamt die Qualität des Containerinhalts schlechter wird durch mehr verschmutzte und verdreckte Sachen“, sagt Birgit Wennekers, zuständig für das Stoffstrommanagement. Das belastet auch die Mitarbeiter der Firma, die schließlich den Inhalt sortieren und verpacken. „Jedes Kleidungsstück wird von einem Menschen angefasst und auf seine Tragfähigkeit geprüft.“

Insgesamt habe die Qualität deutlich nachgelassen. „Es gibt eine weltweite Krise auf dem Markt für Alttextilien“, sagt Wennekers. Gründe dafür sieht sie unter anderem in einer Überflutung durch billige Kunstfasern aus China, Schwierigkeiten bei den Absatzmärkten etwa durch den Krieg in der Ukraine, Insolvenzen bei den Verwertern. Was zu schade ist für Container oder Tonne, wird von karitativen Einrichtungen genommen. So sammeln etwa das Lädchen in Bergneustadt, Karins Lädchen in Gummersbach, die Fundgrube in Wipperfürth oder die Awo-Fundgrube in Engelskirchen hochwertige und saubere Altkleider und Schuhe.


Zahlen

60 Kleidungsstücke kauft laut einer ARD-Recherche jeder Deutsche im Durchschnitt jedes Jahr. 16 Kleidungsstücke gibt er oder sie laut Statistischem Bundesamt in Sammlungen, das sind insgesamt 1,1 Millionen Tonnen im Jahr. 70 Prozent mehr Altkleider als vor zehn Jahren wurden laut Statistischem Bundesamt 2024 gesammelt. 40 Prozent davon werden nach Osteuropa und vor allem nach Afrika verkauft, auch vom Bav gesammelte Kleidung, so Wennekers: „Abnehmerinnen sind oft Frauen, die die Kleider in großen Ballen an den Häfen abholen, aufarbeiten und weiter verkaufen.“

62 Prozent der gesammelten Altkleidung wird laut Fachverband Textilrecycling als Secondhand-Ware wiederverwertet, 14 Prozent werden zu Putzlappen, Fleece für die Autoindustrie oder Dämmstoffen, 12 Prozent werden als Fasern recycelt. 10 Prozent, so Wennekers von der Reloga, sind unbrauchbar und werden verbrannt.