Zwischen 8000 und 9000 Menschen säumten den Rosenmontagszug in Morsbach und jubelten den Gruppen, bestehend aus 1200 Jecken, zu.
RosenmontagszugBarbies knattern auf Rasenmähern durch Morsbach – Statement vor Zugbeginn
Man hört sie. Und man riecht sie. Und übersehen kann man sie auch nicht. Die Dullys haben ja schon vieles angezettelt, diesmal aber geben sie richtig Gas – im wahrsten Sinne des Wortes: Auf zehn Rasenmähern und einem uralten Eicher-Trecker brettern und knattern die Kerle durch Morsbachs Rosenmontagszug.
Sie tragen Minirock und enge Leggins, Glitzer-Cowboyhut und Stirnband, natürlich alles in Pink: Der frühere Kegelklub bringt eine kesse „Barbie-Demo“ auf die Straße, kreuz und quer brausen die Morsbacher durch den Kreisverkehr am Rathaus. „War doch mal an der Zeit, nach all den ernsten Demos“, findet Barbie-Mann Jörg Stausberg, dienstältester Dully.
Erst zwei Wochen vor dem Morsbacher Zug das Thema festgelegt
Aber wie setzt man ein so aktuelles Thema so kurzfristig um? „Indem man sich erst zwei Wochen vorher Gedanken macht – auf den letzten Drücker, eben wie immer“, erklärt der Ober-Dully und gesteht: „Wir sind froh, dass alle heil in der Ortsmitte angekommen sind – mancher Mäher drohte unterwegs nämlich schlappzumachen.“ Und prompt bleibt einer im Kreisel stecken: Benzinkanister her, Tank aufgefüllt, weiter geht die wilde Fahrt.
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44 Fußgruppen, 21 Motiv-Wagen und drei Musikkapellen mischen diesmal mit im närrischen Spektakel, rund 1200 Jecke sind das unterm Strich, davon machen 120 als Wagenengel die Parade sicher.
Gastgeber ist die KG Morsbach, auf einem Podest kommentieren Stefan Hähner und Dominik Mauelshagen das Geschehen von oben: „Da stehen bestimmt 8000, wenn nicht sogar 9000 Zuschauerinnen und Zuschauer am Straßenrand“, schätzen sie nach der ersten Runde durch die Ortsmitte am frühen Nachmittag. Und ähnlich wie die Dullys gehört auch der Kegelverein „Knall drop“ zu den ältesten Gruppen: Beide ziehen dort bereits seit 35 Jahren mit.
Kunterbunt ist der Reigen, bei dem Oberbergs kleinste Kommune nach dem Geheim-Treffen in Potsdam und den Ereignissen danach erneut Farbe bekennt und Flagge zeigt. So auch „Die Krawallas“. Die Morsbacherinnen tragen knallgelbes Gefieder und geben den Bibo – „Bibo“, das steht für „Bunt ist beautiful“, wobei das „O“ diesmal eine Null sein darf.
Und die wiederum steht für „null Toleranz den Braunen gegenüber“. Diesmal ziehen die 24 Krawallas um Lidija Schmallenbach aber nicht nur ihren Mottowagen, sondern schieben auch Krawalla-Schwester Erika im Rollstuhl durchs Getümmel – Ski-Unfall, Fuß kaputt.
„Karneval ist bunt, nicht braun!“ heißt es ebenso auf dem Wagen der Hueschosser Jongen Partei (HJP), die vor dem Umzug alle Teilnehmenden zum gemeinsamen Singen für die Vielfalt und den Zusammenhalt einlädt und sich auch sonst zeitkritisch gibt: Die Frauen und Männer tragen die schwarze Kluft der Cyborgs und übernehmen mit Künstlicher Intelligenz das Rathaus der Republik: „KI zieht ein, der Buko bleibt daheim“, so spielen sie auf den für das kommende Jahr angekündigten Abschied von Bürgermeister Jörg Bukowski an. „Vielleicht geht mit etwas KI im Rathaus dann manches schneller als heute“, überlegt HJP-Sprecher Frank Fassbender.
Lokalkolorit gibt's immer reichlich im Rosenmontagszug, die Kappesjesichter etwa nehmen Morsbachs Tourismus-Träume aufs Korn und bauen auf dem Hahn ein Eishotel, aus einer Kanone an ihrem Wagen schießt der Schnee. Für Qualität in der Bildungslandschaft der Gemeinde steht derweil die Leonardo-da-Vinci-Sekundarschule, deren Karnevals-AG das Wort „Qualität“ indes etwas anders verstanden hat: Die Kinder und Jugendlichen tummeln sich als Quallen – und damit als „echte Überlebenskünstler“ – im Rosenmontagszug.
Und lieber „Seifenblasen als Trübsal blasen“ möchte der Morsbacher Wohnverbund, der sich mit etwa 60 Bewohnerinnen, Bewohnern und Betreuungskräften in den Jeckenzug einreiht und im Gewand von Pustefix manche Kindheit lebendig werden lässt. Apropos Kindheit: 40 Jahre lang hat seine Tollität Markus I. (Held) davon geträumt, einmal Prinz zu sein, nachdem es Vater Heinz vor vier Jahrzehnten vorgemacht hat. „Seitdem wollte ich das auch“, verrät der 53-Jährige, der in den vergangenen Wochen „40, 50 Termine“ absolviert hat – müde, aber glücklich. „Die Session war kurz und kompakt, aber superschön.“
Morsbach singt vor dem Zug gemeinsam für den Zusammenhalt
Kräftig gesungen wird in Morsbach schon, bevor sich der Rosenmontagszug in Bewegung setzt: Am Wagen-Nr. 13, dem Gefährt der Hueschosser Jongen Partei (HJP), treffen sich Teilnehmende, um gemeinsam den bald 24 Jahre alten Kölsch-Klassiker „Unsere Stammbaum“ der Bläck Fööss anzustimmen. „Damit greifen wir den Gedanken auf, dass Karneval bunt ist und nicht braun“, erklärt HJP-Sprecher Tim Zimmermann, schließlich trage auch der Motivwagen der HJP eben dieses Motto.
„Das Lied steht für Vielfalt und vor allem Zusammenhalt, und genau das macht Morsbach aus.“ Die Idee stammt aus den Reihen dieses „mindestens 30 Jahre alten Zusammenschlusses“ von zwei Kegelklubs und einer Freundesgruppe. Und seit vielen Jahren schon mischt die HJP nicht nur am Rosenmontag in der närrischen Republik kräftig mit. Nachdem eine Morsbacher Unternehmerin im November an dem Geheim-Treffen in Potsdam teilgenommen hatte, waren Ende Februar in Morsbach rund 700 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen rechtes Gedankengut zu protestieren.