Oberberg – Hochwasser, Großbrand, drohende Schweinepest oder Pandemie – wenn der oberbergische Krisenstab im Falle einer Großschadenslage zusammentritt, sitzt seit 2007 auch ein Soldat mit am Tisch. Meist ist es Marco Tessitori, Oberstleutnant der Reserve und Chef des hiesigen Kreisverbindungskommandos (KVK). Seit dem vollständigen Rückzug der Bundeswehr aus Oberberg hält die zwölfköpfige Truppe die Stellung hier. Ihre Mitglieder stehen den Zivilbehörden als Berater zur Seite und knüpfen – falls die Truppe um Hilfe gebeten wird – Kontakte zu den zuständigen Stellen.
Wie jetzt im Rahmen der Corona-Krise: Als klar wurde, dass die Mitarbeiter des Kreises mit der Nachverfolgung der Kontakte Infizierter nicht mehr nachkommen, setzten Tessitori und Landrat Jochen Hagt ein Hilfeersuchen an die Bundeswehr auf. Das nahm auf ziviler Seite den Weg über die Bezirks- zur Landesregierung in Düsseldorf. Den Dienstweg musste Tessitori zwar auch nehmen, „aber der ist bei der Bundeswehr kürzer, und wir können schneller reagieren“. Die Kräfte müssen nicht erst aufwendig rekrutiert werden, sondern sie sind an ihren Standorten jederzeit vorhanden.
Nach 48 Stunden ging es schon los
Über das ihm vorgesetzte Landeskommando in Düsseldorf wurde das Gesuch zügig der zuständigen Stelle in Berlin zugeleitet, geprüft und genehmigt. Geprüft wird dabei nicht, ob die erbetene Unterstützung erforderlich ist oder nicht, sondern nur, ob sie nicht auch von zivilen Kräften gegeben werden könnte, beschreibt Tessitori das Verfahren. Beim Transport vieler Menschen zum Beispiel komme die Bundeswehr nicht zum Einsatz, wenn die Aufgabe auch von zivilen Busunternehmen übernommen werden kann. Im Fall der Unterstützung bei der Kontaktverfolgung war die Sache eindeutig, „und kaum entschieden stand die Truppe 48 Stunden später auch schon auf dem Hof“, berichtet Tessitori mit ein wenig Stolz in der Stimme.
Viermal wurde der Einsatz bereits verlängert und zwischendurch auf 15 Soldaten aufgestockt. Die rücken allmorgendlich von ihrem Standort in Bonn aus am Kreishaus an. Betreut werden sie vor Ort von Franz Siepe. Der Stabsfeldwebel ist das Verbindungsglied zur Kreisverwaltung und hilft, wenn es den Soldaten, in Oberberg ja völlig fremd, an irgendetwas mangelt. Siepe ist Anfang Dezember 65 geworden, macht aber trotzdem noch bis zum Jahresende weiter. Dann, so sagen es die Regeln der Bundeswehr, muss er die Uniform endgültig an den Nagel hängen.
Einen Ersatz für ihn hat der KVK-Kommandeur noch nicht gefunden. Die Nachwuchsgewinnung ist seit dem Abschaffen der Wehrpflicht auch hier nicht einfacher geworden. Dem KVK tritt man nicht bei, sondern man fragt an und wird – nach Tessitoris Auswahl – von der Bundeswehr dazu beordert.
„Ich trage die Uniform immer drunter“
Zwölft Kräfte stark ist jedes der bundesweit 407 Kreisverbindungskommandos. Der Chef und sein Stellvertreter Thomas Meier stehen im Rang eines Oberstleutnants. Beide sind auch nach ihrem aktiven Dienst in der Bundeswehr offiziell nach wie vor Zeitsoldaten – allerdings mit ruhendem Dienstverhältnis. Beide haben einen Zivilberuf, aber „im Grunde trage ich die Uniform immer drunter“, erklärt Tessitori. Zu den übrigen zehn Mitgliedern zählen ein Arzt und ein technischer Leiter, dessen Fachkenntnisse je nach Einsatzlage ebenfalls gefragt sein können. Die übrigen acht Mitglieder stellen die „Schichtfähigkeit“ des KVK her, lösen ihre Kameraden also ab, wenn Einsätze rund um die Uhr andauern sollten – was aber bislang in Oberberg noch nicht vorgekommen ist. Aber bereit dafür ist das KVK.
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2006 wurden die Kreisverbindungskommandos bundesweit ins Leben gerufen. Aber nicht überall sind sie so schnell von den zivilen Krisenstäben als vollwertige Mitglieder akzeptiert worden wie in Oberberg, sagt Tessitori. Bereits im Jahr darauf wurde man Teil des Krisenstabs, 2008 wurde die erste gemeinsame Stabsrahmenübung abgehalten. „Das hat gut geklappt“, sagt der KVK-Chef, „beide Seiten haben rasch erkannt, dass sie von einander profitieren können“. Die Zivilisten bekommen den kurzen Draht zur Truppe, die Soldaten erhalten tiefen Einblick in die oberbergischen Strukturen und können im Notfall schnell und effizient helfen – auch mal abseits des Dienstwegs. Beim Waldbrand auf dem Gummersbacher Hömerich im April genügten persönliche Kontakte zur Bundeswehrfeuerwehr am Flughafen Köln/Bonn, damit zwei riesige Spezialfahrzeuge anrückten.