- Viele hatten bis zum Schluss gehofft – die traurige Gewissheit kam am Freitag.
- Der Karstadt im Einkaufszentrum „Bergischer Hof“ schließt nach 45 Jahren.
- Wir haben uns in der FiIliale bei den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umgehört.
Gummersbach – Die schlechte Nachricht hat ihre Schatten vorausgeworfen: Als Galeria Karstadt Kaufhof am Freitag um 9.30 Uhr die Pforten für die Kundschaft öffnet, tragen die Verkäufer und Verkäuferinnen tiefschwarze Trauerkleidung. Zwischen bunten T-Shirts, glitzernden Uhren, Sommerkleidern und Schildern, die Rabatte und purzelnde Preise versprechen, herrscht Begräbnisstimmung. Die Angst geht um in der Gummersbacher Filiale, die nach 45 Jahren von der Schließung bedroht ist.
Einige stehen einige in kleinen Gruppen beisammen, flüstern gedämpft miteinander. Eine junge Verkäuferin ringt um Fassung. Sie hat die Nachricht vom bevorstehenden Aus am Morgen in der Zeitung gelesen. „Was soll denn dann werden?“, stößt sie unter Tränen hervor. „Ich kann, ich darf meinen Arbeitsplatz nicht verlieren!“
Eine Kollegin fürchtet, in ihrem Alter – sie ist Ende 50 – nie wieder Arbeit zu finden. „Gerade jetzt, wo durch Corona die gesamte Situation sowieso so schwierig ist.“ Sie denkt daran, wie viele Kilometer sie in den vielen Jahren ihrer Beschäftigung bei Karstadt gelaufen ist, wie viele Kunden sie bedient hat, wie sie auch in schwierigen Zeiten immer loyal gewesen ist. Es sei ja immer wieder von Einsparungen, auch von Filialschließungen die Rede gewesen. „Bisher sind wir immer davon gekommen. Aber jetzt? Das soll jetzt alles vorbei sein?“, fragt sie fassungslos. „Ich muss mich wohl mit der Entscheidung abfinden, aber es wird lange dauern, bis ich damit zurechtkomme.“
„Ich blicke positiv in die Zukunft“
Andere überlegen, ob sie schon jetzt beim Jobcenter vorsprechen sollen, nur eine Verkäuferin zeigt demonstrativ Zweckoptimismus: „Ich blicke positiv in die Zukunft, ich bin sicher, dass es eine Lösung geben wird.“ Andere wehren ab, wollen sich nicht äußern – ein Mitarbeiter – nicht in Schwarz, sondern im Businessanzug – ist unterwegs, um zum Stillschweigen auch gegenüber Kunden aufzufordern und nicht alles zu glauben, was durchgesickert ist. Etliche der Kunden haben aber auch schon die Nachricht von der drohenden Schließung gehört, drücken ihr Mitgefühl aus. Auf allen Etagen ist es gespenstisch still.
„Es ist traurig und sehr, sehr schlimm!“, sagt Rita Göch. „Wenn Karstadt schließt geht doch ein Stück Gummersbacher Geschichte kaputt“, seufzt die 65-jährige und erinnert sich, wie sie am Tag der Eröffnung des Kaufhauses ihre Fahrprüfung bestanden hat. Eine andere Kundin hat noch schnell ihren Warengutschein eingelöst: „Ehe da plötzlich zu ist und ich ihn nicht mehr los werde!“
„Dann kaufe ich eben nichts mehr. Feierabend!“
Clemens Homans schiebt einen Kinderwagen, er würde die Spielwarenabteilung für den Nachwuchs vermissen. Vor allem aber fragt er sich besorgt, was ein Karstadt-Aus für ein so zentrales Gebäude wie das Einkaufszentrum „Bergischer Hof“ für Folgen hätte. „Das ist doch dann“, fürchtet Joachim Rätzer, „es ist ein Unding und schlimm für alle, die ihre Sachen nicht im Internet kaufen.“
Zu diesen Kundinnen gehört Gerlinde Dressler, die mit einer Einkaufstüte voller luftiger Sommershirts aus dem Geschäft kommt. „Das ist ganz furchtbar! Wo soll ich denn dann hin?“, überlegt sie. Die Fahrt zum Einkaufen nach Köln ist der 77-jährigen Derschlagerin zu weit. „Dann kaufe ich eben nichts mehr. Feierabend!“
Das könnte Sie auch interessieren:
Johann Grimm kann es nicht glauben, dass es das Geschäft, in dem seine ganze Familie seit vielen Jahren ihre Einkäufe macht, demnächst nicht mehr geben könnte. 44 Jahre lang hat er nebenan gearbeitet, kann sich noch gut an den nicht unumstrittenen Bau erinnern. „Das ist eine bittere Pille. Ich kann das noch gar nicht glauben“, fürchtet er und hat Mitleid mit den Angestellten: „Ich habe im Lauf der Jahre fast alle, die hier arbeiten, kennengelernt. Was sollen die denn dann bloß machen?“
Am Nachmittag, als die Schließung in Gummersbach bestätigt wird, herrscht Gewissheit. Für Zweckoptimismus ist jetzt kein Platz mehr.