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Interview zur EMGummersbacher Handball-Legende Heiner Brand hofft auf zweites Wintermärchen

Lesezeit 4 Minuten
Heiner Brand hält die goldene Sportpyramide in den Händen.

Nach dem Gewinn der Handballweltmeisterschaft im Jahr 2007 war Heiner Brand die goldene Sportpyramide verliehen worden. Sie gilt als Deutschlands wertvollste Sportauszeichnung.

Vor dem Start der Partien der Handball-Europameisterschaft in der Kölner Arena blickt Heiner Brand auf die Vorrunde und auch auf alte Zeiten.

Heiner Brand wurde 1978 als Spieler Weltmeister und 2007 als Trainer. Andreas Arnold sprach mit ihm über das damalige Handball-WM-Finale in Köln und den bisherigen Verlauf der EM in Deutschland.

Sind Sie schon im Handballfieber?

Heiner Brand: Die Zeiten des Handballfiebers sind für mich vorbei. Natürlich interessiert mich das Turnier und ich freue mich, dass eine EM erstmals auch in Deutschland stattfindet. Und ich werde auch bei dem ein oder anderen Spiel vor Ort sein.

Auch am heutigen Donnerstag, wenn es quasi vor Ihrer Haustüre mit dem Turnier in der Kölner Arena losgeht?

Nein, dann noch nicht, aber am Samstag. Dann werden wir mit dem Team der 1978er Weltmeistermannschaft in Köln sein, nachdem wir am Freitag den Geburtstag unseres Teamgefährten Joachim Deckarm gefeiert haben.

Die Kölner Arena ist Ort Ihres größten sportlichen Triumphs als Trainer. Kommen Erinnerungen hoch, wenn Sie dort sind?

Das ist lange her und ich bin niemand, der in der Vergangenheit lebt. Natürlich weiß ich noch genau, wie wir uns in das Turnier hineingesteigert haben und nach schwachem Start immer besser geworden sind. Und nachdem wir Spanien und Frankreich besiegen konnten, standen wir im Finale.

Handballerisch sind wir noch nicht auf höchstem Niveau. Aber insgesamt zeigt das Team bei der Europameisterschaft jetzt die typisch deutschen Tugenden, die wir bei unserer Fußball-Nationalmannschaft so lange vermissen.
Heiner Brand, Handballlegende aus Gummersbach

Und ganz Oberberg hat Sie schon vorher in Wiehl gefeiert.

Das waren unglaubliche Momente. An einem freien Tag standen alle Schüler der Grundschule, an der meine Frau lehrte, plötzlich vor dem Hotel. Auf der Fahrt zum Endspiel jubelten uns die Menschen am Straßenrand und auf den Brücken zu. Das war schon einzigartig.

Die Eröffnung der EM fand in Düsseldorf in einem Fußballstadion vor mehr als 50.000 Menschen statt. Hat Ihnen das gefallen?

Als einmaliges Event ist das okay, aber tatsächlich sehe ich Handball lieber in einer Halle, die dafür gedacht ist. Mir ist schon bewusst, dass viele Menschen diesen Eventcharakter suchen. Beim Skispringen ist das zum Beispiel auch so. Aber am Ende war Düsseldorf schon eine beeindruckende Veranstaltung.

Wie schätzen Sie das deutsche Team nach zwei Siegen ein?

Das ist in der Summe ein toller Erfolg gewesen. Zugegeben, die Schweiz hat am Ende chaotisch gespielt und Nord-Mazedonien war leistungsmäßig limitiert. Was bleibt, ist, dass wir einen herausragenden Torwart haben und mit Gummersbachs Julian Köster und Johannes Golla einen starken Innenblock in der Abwehr.

Und im Angriff?

Handballerisch sind wir noch nicht auf höchstem Niveau. Aber insgesamt zeigt das Team bei der Europameisterschaft jetzt die typisch deutschen Tugenden, die wir bei unserer Fußball-Nationalmannschaft so lange vermissen.

Wie haben Sie die erste Turnierniederlage der Deutschen gegen Frankreich erlebt?

Es war ein Spiel auf Augenhöhe, wobei das von mir angesprochene Plus der Deutschen aufseiten der Torhüter viel zu der Ausgeglichenheit beigetragen hat. Die Franzosen waren handballerisch nicht besser, hatten aber enorme Power im Spiel Eins gegen Eins und konnten dadurch den Kreisläufer immer wieder ins Spiel bringen. Am Ende war die deutsche Mannschaft dann ein wenig überfordert. Aber den Einzug ins Halbfinale sehe ich immer noch als möglich an.

Mit Julian Köster ist ein Spieler des VfL Gummersbach für Bundestrainer Alfred Gislason zu einer Schlüsselperson geworden.

Julian Köster hat bis dato eine sehr gute Leistung gezeigt. Köster ist für einen jungen Spieler bereits sehr komplett. Im vergangenen Jahr kam seine Entwicklung etwas ins Stocken. Doch danach kam Julian Köster auf einem höheren Niveau stabil zurück.

Das werden auch andere Bundesligisten sehen.

Natürlich, doch bis dato war die Entscheidung, beim VfL zu bleiben, für seine Entwicklung absolut richtig. Die Rolle, die er beim VfL zurzeit spielen kann, würde er bei Spitzenclubs wie dem THW Kiel noch nicht bekommen. Ob das auf Dauer so sein wird, das lasse ich mal dahingestellt.

Zum Schluss die Frage nach Ihrem Tipp: Wer wird Europameister und gibt es eine Neuauflage des Wintermärchens von 2007?

Ich habe schon woanders auf Deutschland getippt, wobei ich weiß, dass es ein Außenseitertipp ist, doch wer weiß? Ich bin gespannt.