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Prozess gegen MesserangreiferAngeschossene Passanten sagen in Gummersbach als Zeugen aus

Lesezeit 3 Minuten
Der Gerichtssaal mit den Verfahrensbeteiligten.

Auch am zweiten Verhandlungstag verfolgte der Angeklagte den Prozesse beinahe teilnahmslos.

Im Prozess gegen den von Polizeikugeln niedergeschossenen 30-Jährigen sagte am Freitag ein Zeuge: „Der war nicht mehr in dieser Welt“.

Am zweiten Verhandlungstag am Gummersbacher Amtsgericht gegen den 30 Jahre alten Messerangreifer wurden zahlreiche Zeugen gehört. Unter ihnen auch die beiden Männer (43 und 74), die am 14. November bei der Schussabgabe von zwei Querschlägern aus den Waffen der Polizei getroffen wurden.

Angeschossener Passant vernahm einen Schlag auf der Brust

Der 43-Jährige berichtete, dass ihn ein Projektil im rechten Gesäß getroffen habe. Als er das merkte, sei er sofort in den Drogeriemarkt Rossmann gelaufen und habe nach einem Arzt verlangt. Trotz einer Operation leidet der Mann bis heute an den Folgen. „Verwundert“ reagierte der Vorsitzende Richter Ulrich Neef auf die Aussage des Mannes, nach der die Staatsanwaltschaft ihn laut einem aktuellen Schreiben nicht entschädigen werde – weil alles „regelkonform und verhältnismäßig gelaufen“ sei und der Täter ein Messer in der Hand gehabt habe, sagt der Betroffene. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sagte am Nachmittag als Pressesprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, dass sein Haus der falsche Ansprechpartner sei, weil gegen die Polizisten nicht ermittelt worden sei. Richtig sei es, sich an die Polizei zu wenden und zivilrechtlich vorzugehen.

Der zweite Geschädigte berichtete derweil am Freitagnachmittag, dass er am Tatort zwar einen Knall vernommen und einen Schlag auf der Brust verspürt habe, doch erst daheim habe er einen Bluterguss und eine Prellung im Brustbereich entdeckt. Bevor die beiden Männer zu Wort kamen, hatten bereits 13 weitere Zeugen den Sachverhalt aus ihrer Sicht geschildert. Unter ihnen war auch die Frau, die ein Video des Vorfalls wenige Minuten später ins Internet stellte.

Zeuge: „Wie von Sinnen, als habe er was genommen“

Im Grunde waren die Berichte identisch: Erst das Geschrei in der Fußgängerzone, dann tauchen die Polizisten und der Angeklagte vor dem Backwerk-Geschäft auf, wo es dann zu der finalen Auseinandersetzung mit der Polizei kommt. Nach einem gescheiterten Versuch, den 30-Jährigen mit einem Stuhl zum Aufhören zu zwingen, trifft dieser in der Gemengelage einen Polizisten mit einem Teppichmesser im Gesicht, um dann zunächst Reißaus Richtung Deutsche Bank zu nehmen. Doch er dreht um und läuft mit ausgestreckten Arm und Messer in der Hand auf die Polizisten zu, die ihn niederschießen.

Neef wollte von den Zeugen wissen, ob sie es sich erklären können, warum der 30 -Jährige unvermittelt noch einmal umdrehte. Niemand konnte sich das erklären. Wissen wollte der Vorsitzende Richter auch, wie die Zeugen den Angeklagten erlebt hatten. „Wie von Sinnen, als habe er was genommen“, „Er war nicht mehr in der Welt“, „Der ist wie raderdoll auf die Polizei zugestürmt“ oder „Situationsadäquat war das auf keinen Fall“, waren einige der Eindrücke, die die Zeugen wiedergaben.

Rechtsanwalt Udo Klemt gab bereits am Vormittag eine Stellungnahme ab und sagte, dass sein Mandant ein „akten- und polizeibekannter psychisch kranker Mensch“ sei. Er verstehe nicht, dass die Polizei vergangene Woche ausgesagt habe, „wir kennen ihn nicht“. Klemt fragte: „Warum wussten sie es nicht?“

Als Leitender Oberarzt des Zentrums für seelische Gesundheit in Marienheide berichtete Stefano Ragogna, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, von diversen Klinikaufenthalten des Angeklagten. Immer wieder sei es zu Abbrüchen gekommen, weil er die Regeln gebrochen und weiter konsumiert habe. Er beschrieb seinen ehemaligen Patienten als einen Menschen mit einer schweren Persönlichkeitsstörung, der regelmäßig Cannabis, Alkohol konsumiere und Haarspray schnüffle. Der Arzt sagte: „Es ist keine Besserung in Sicht. Die Behinderung ist von Dauer.“

Der Prozess wird am 17. Mai fortgesetzt.