Bergneustadt – Heute vor 110 Jahren kam das beschauliche Bergneustadt der großen Welt ein Stück näher. Mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Bergneustadt–Olpe am 31. August 1903 war Bergneustadt nicht mehr Endstation für die Bahn aus dem Aggertal – und der Lebenstakt in der Feste wurde deutlich erhöht. Erst 75 Jahre später, am 28. Dezember 1979, fuhr der letzte fahrplanmäßige Personenzug.
Viele jüngere Bergneustädter können sich heute kaum noch vorstellen, dass ihre Stadt einst an den Schienenverkehr angeschlossen war. Auch deswegen erinnert der Sammler Horst Kowalski ab heute mit einer Fotoausstellungen an drei Standorten an die Geschichte des Eisenbahnverkehrs im Tal der Dörspe.
Von der neuen Verbindung ins Sauerland profitierten vor allem die Industriebetriebe, berichtet Kowalski: „Zum Beispiel der Textilbetrieb Krawinkel: In der 50er Jahren kamen mehr als 450 Beschäftigte mit der Eisenbahn aus dem ,Kölschen’ zur Arbeit nach Bergneustadt.“ Als „Kölsche“ bezeichneten die Bergneustädter den sauerländischen Kreis Olpe – denn der gehörte schon damals zum Erzbistum Köln. Das Bistum hatte sich vehement für den Bau der Eisenbahnanbindung gen Köln eingesetzt, weiß der 77-Jährige. Bald bekam der Bergneustädter Bahnsteig eine Überdachung, damit die hunderten Berufspendler nicht Wind und Wetter ausgesetzt waren – das Bahnhofsgebäude konnte die Menschenmassen allein nicht mehr fassen.
Bereits am 20. Mai 1898 war der Bau der Strecke per Gesetz beschlossen worden. Das Papier beinhaltete einen Kostenvoranschlag: Die Summe belief sich auf stolze 3 367 000 Mark. Allein der Bau des Wegeringhauser Tunnels war mit 455 000 Mark veranschlagt – als alles fertig war, hatte die Grabung durch das oberbergische Schiefergebirge sogar 753 000 Mark verschlungen. Kowalski schmunzelt: „Kostenüberschreitungen bei Bahnbauprojekten gab es damals schon.“#
Der Tunnelbau kostete deshalb so viel, weil sich das Gestein als äußerst widerspenstig erwies. Das Tunnelprofil – also die Röhre – musste aus statischen Gründen vergrößert werden, erklärt Kowalski. Das zahlte sich in den folgenden Jahrzehnten für die Industriebetriebe aus der Region rund um Olpe aus: Eben weil die Röhre größer als einst geplant war, konnten die Güterzüge auch größere Lasten transportieren, die über die Waggons herausragten. Kowalski nennt beispielhaft Heizölkessel.
Trotzdem erlangte die Strecke wegen der schwierigen topographischen Verhältnisse nie überregionale Bedeutung – die Kurven waren zu eng, die Steigung zu stark. Nur nach dem Ersten Weltkrieg, als die Siegermächte erhebliche Wiedergutmachungsleistungen forderten, kamen plötzlich viele Güterzüge durch Bergneustadt, berichtet Kowalski: „Die Deutschen wollten wichtige Wirtschaftsgüter vor den Franzosen in Sicherheit bringen.“
„Bis in die 80er Jahre wurde die Strecke aus strategischen Gründen auch mit Geldern des transatlantischen Bündnisses Nato unterhalten“, berichtet Kowalski. Mit dem Schienenbus waren im Januar 1985 Sicherheitsexperten unterwegs, um die Strecke in Augenschein zu nehmen. Auch diesen Moment hat Kowalski fotografiert.
Die Ausstellung
Die Fotoausstellung „Vor 110 Jahren – Mit der Bahn nach Olpe“ ist ab Samstag an drei Standorten zu sehen. Der Bergneustädter Sammler Horst Kowalski zeigt sein umfangreiches Archiv im Heimatmuseum an der Wallstraße 1 (täglich geöffnet zwischen 11 und 17 Uhr, außer montags), im Fenster des SPD-Bürgertreffs an der Kölner Straße 215 und in der Sparkassen-Filiale Wiedenest an der Olper Straße.
An den drei Orten zusammen zeigen rund 150 historische Schwarz-Weiß-Bilder und Fotografien neueren Datums die bewegte Geschichte der Schienenverbindung ins benachbarte Sauerland. Kurze Bildtexte erzählen Besonderheiten – wie Aussichtstriebwagen, der ab den 1930er Jahren unregelmäßig auf dem Gleis verkehrte. Der „gläserne Zug“, so Kowalski, hatte sogar Oberlichter.