Leverkusen – Was sehen Politiker – oder auch normale Bürger – in Düsseldorf oder Berlin wohl vor ihrem geistigen Auge, wenn sie an Leverkusen denken? Wald, Wohnhäuser und spielende Kinder sind es nicht, da ist sich Marita Kebel sicher. „Die denken doch alle, hier ist sowieso nur das Bayerwerk, da können wir schön unseren ganzen Verkehrsmüll abladen“, sagt die 54-Jährige.
„Aber wir wohnen hier, und wir wohnen hier gerne und deswegen sind wir heute hier um zu zeigen: Das ist unsere Stadt und wir lassen uns nicht weiter zumüllen.“ Die umstehenden nicken heftig, die meisten von Ihnen sind Freunde und Nachbarn, die heute alle zusammen aus Bürrig mit dem Fahrrad nach Lützenkirchen gekommen sind. Hauptsächlich sind sie beim Protest gegen die Deponie-Öffnung aktiv, der sie in ihrer Nachbarschaft mehr betrifft, als es ein Lkw-Parkplatz im Bürgerbusch oder dem Gebiet zwischen Steinbüchel und Lützenkirchen tun würde.
„Es geht darum, gemeinsam ein Zeichen für die Lebensqualität in unserer Stadt zu setzen, egal, ob es mich persönlich jetzt direkt betrifft oder nicht“, sagt Kebel. „Natürlich fände wir es auch gut, wenn viele der Anwohner hier zum nächsten Protest gegen die Deponieöffnung und gegen die Megastelze kämen.“
Genau diese Stimmung in der Stadt hat auch Oberbürgermeister Uwe Richrath ausgemacht. „Ich merke dass immer deutlicher, wo ich auch hinkomme, dass die Belastungsgrenze einfach erreicht ist.“ Megastelze, A1-Brücke, A3-Ausbau – die Leverkusener seien es gewohnt, viel zu ertragen, aber nun sei ein Punkt erreicht, an denen vielen bewusstwerden „dass es hier echt um die Lebensqualität geht, dass Lärm und Feinstaub ein richtiges Problem sind, gegen das man auch auf die Straße gehen muss.“
Und so ging Richrath am Samstag um 14:40 Uhr auf die Straße – genau gesagt, die eigens kurzfristig von der Polizei abgesperrte Bruchhauser Straße – und rief in das ihm gereichte Megafone: „Gebt ein Klingelzeichen, dass man bis nach Düsseldorf und Berlin hört!“
Lautstark geklingelt und gepfiffen
Die Menge tat, wie ihr geheißen: Fahrradklingeln und Trillerpfeifen schrillten in einer Lautstärke, dass zumindest einigen kleinen Kindern der Schock ins Gesicht geschrieben stand. Aber wird man es bis Düsseldorf hören? Oder am Besten bis Leipzig, wo die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) sitzt, die für die Raststättenplanung verantwortlich ist?
„Das wird zumindest zur Kenntnis genommen“, ist sich Landtagsabgeordneter Rüdiger Scholz (CDU) sicher. „Solche Aktionen haben immer ihre Wirkung, das kann man ja alleine daran sehen, dass es vor fünf Jahren schon einmal geklappt hat.“ Scholz ist einer von vielen Politikern aller Parteien, die sich an der Bruchhauser Straße eingefunden haben, um dem veranstaltenden Bündnis „Lev kontra Raststätte“ ihre Unterstützung zu demonstrieren.
Initiativensprecher Peter Westmeier war vollauf zufrieden mit der Aktion: „Wir haben unser Ziel erreicht, die Fahrradkette ist über die gesamte Strecke geschlossen!“ rief er in das Megafone und bekam umgehend den Jubel der Menge zurück. Die Resolution des Leverkusener Stadtrates gegen die Raststättenplanung sei eine große Hilfe.
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„Aber das größte Argument sind die Bürger und der Druck von der Straße!“ Wie viele Menschen am Samstag mit und ohne Fahrräder vom Bürgerbusch bis zum Hufer- und Fester Weg standen, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. „1500 müssen es mindestens gewesen sein, aber wir haben die ganze Strecke abfotografiert und werden das genau dokumentieren“, sagt Westmeier.
„Natur statt Beton“
Eine an der Strecke ist Corinna Laxi, sie trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Natur statt Beton“, im Gegensatz zur Bürriger Freundesgruppe wäre sie von dem Bauvorhaben direkt betroffen. Denn auch an dem Haus hinter ihr hängt ein großes Banner mit der selben Aufschrift. „Wir haben vor vier Jahren hier gebaut, weil wir unseren Kindern eine etwas grünere Umgebung bieten wollten“, sagt die Mutter von einem dreijährigen Sohn und einer siebenjährigen Tochter.
Mehr Autos, mehr Abgase, mehr Lärm, das war es nicht, was sie sich von ihrer neuen Heimat versprochen hatte. „Deswegen haben wir uns mit den Nachbarn zusammen gesetzt, und gemeinsam das Banner und die T-Shirts bemalt.“ Der Protest gegen Leverkusen als Verkehrsmüllhalde verbindet: Über Gartenzäune und Stadtteilgrenzen hinaus.