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Grundstücke in Leverkusen werden knappDie Stadt will auf Erbbaurecht setzen

Lesezeit 5 Minuten

Die Aquilasiedlung in Küppersteg gehört zu den wenigen Beispielen von Geschosswohnungen im Erbbaurecht auf städtischem Grundbesitz.

  1. In Leverkusen werden Baugrundstücke knapp und die Mieten steigen.
  2. Die Stadt will daher Grundstücke nur noch im Erbbaurecht verpachten.
  3. Soziale Kriterien sollen über die Vergabe von Bauland mit entscheiden.

Leverkusen – Es ist nichts weniger als ein radikaler Kurswechsel, den die Stadtverwaltung vorbereitet hat und den der Rat in seiner nächsten Sitzung beschließen soll. Es geht um den künftigen Umgang mit Grund und Boden aus städtischem Besitz.

Der Kompass für diesen neuen Kurs trägt den schlichten Titel „Erbbaukonzept“, hinter dem sich ein Umdenken in Richtung altbewährter Wertsicherung verbirgt. Im Erbbaurecht werden Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern langfristig verpachtet. Das Grundstück verbleibt rechtlich beim Eigentümer, kann aber vom Erbbauberechtigten bebaut und genutzt, aber auch verkauft oder vererbt werden.

Nach Ablauf der im Grundbuch eingetragenen Vertragslaufzeit fällt das Grundstück – sofern nichts anderes vereinbart wird – an den Grundeigentümer zurück, der den Pächter seinerseits entschädigen muss, indem er ihm beispielsweise den Wert eines errichteten Gebäudes zahlt.

Bei der Kirche abgeschaut

In ganz großem Stil wird diese Art von Grundstücksbewirtschaftung seit Alters her von der Katholischen Kirche betrieben. Bei Städten und Gemeinden war dies in der Nachkriegszeit, in den 1950er Jahren zur Überwindung der damaligen Wohnungsnot noch verbreitet und ist seither immer mehr aus der Mode gekommen. Doch inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Auch in Leverkusen wurden in Erbbau verpachtete Grundstücke in den vergangenen Jahren bevorzugt verkauft, wie der Rat es auch im Jahr 2000 noch einmal ausdrücklich gewollt hat.

Heute sind noch insgesamt 45 Hektar städtischer Fläche nach Erbbaurecht an 447 Berechtigte verpachtet. Zumeist, in 259 Fällen, handelt es sich um Einzelparzellen. Dass ganze Siedlungsabschnitte mit mehrgeschossigen Wohnhäusern darauf entstanden – wie die Aquilasiedlung in Küppersteg –, ist eher die Ausnahme.

Nun soll das also anders werden: „Erbbaurechtsgrundstücke der Stadt Leverkusen werden grundsätzlich nicht mehr verkauft“, heißt es in der Beschlussempfehlung an den Stadtrat. Und: „Städtische Grundstücke sollen zukünftig grundsätzlich als Erbbaurecht vergeben werden.“ Hintergrund sind der immer knapper werdende Baugrund im Stadtgebiet und die erneute Wohnungsknappheit. „Die Wohnungskosten in Leverkusen sind zuletzt innerhalb eines Jahres um neun Prozent gestiegen“, hat die Stadtverwaltung errechnet.

Bevölkerungszahlen steigen

Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung sagen für die benachbarten Metropolen Köln und Düsseldorf bis zum Jahr 2040 Einwohnerzuwächse von 15,8 und 14 Prozent voraus. Bei einer ähnlichen Entwicklung müsste Leverkusen für das Jahr 2040 mit 192 510 Einwohnern rechnen. Dafür müssten in den kommenden 20 Jahren zusätzliche 12 500 Wohnungen entstehen.

Um auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen und möglichst die ständig steigenden Wohnungskosten ein wenig stabil zu halten, will die Stadt Leverkusen daher verstärkt als Grundeigentümer auftreten. Was auch voraussetzt, dass die Kommune weitere Flächen kauft und strategisch zur städtebaulichen Entwicklung einsetzt.

So will die Stadt per Erbbaurecht Einfluss nehmen

Aus der Begründung zum neuen Erbbaukonzept:

„Die Bodenwerte in unserer Stadt steigen unentwegt. Im Jahre 2018 waren Bauflächen für Ein- und Zweifamilienhäuser im Vergleich zum Jahr 2017 durchschnittlich vier Prozent teurer, gebrauchte Häuser wurden nach Ablauf eines Jahres bereits zehn Prozent teurer gehandelt. Einerseits sollte die Stadt Leverkusen als Eigentümerin diesen Wertzuwachs selbst generieren und andererseits diesen nicht an Private verschenken, die obendrein auf dieser Grundlage auch noch etwaige Mieten oder Wiederverkaufspreise erhöhen würden. Für neue Erbbaurechte soll ein angemessener Erbbauzins erhoben werden. Somit soll analog zur Handhabe der Katholischen Kirche als hiesiger wohl größter Erbbaurechtsgeber ein Erbbauzins von vier Prozent im Jahr gelten.“

Darüber hinaus hat sich die Stadtverwaltung Gedanken darüber gemacht, wie das Erbbaurecht bei Gewerbeflächen instrumentalisiert werden kann: „Potenzielle Gewerbeflächen sind in Leverkusen nochmals deutlich knapper als Wohnraum. Gleichzeitig ist Gewerbe allerdings aufgrund der damit einhergehenden Steuereinnahmen von enormer Bedeutung für die Stadt, Warum hat die Stadt also nicht die Lenkungsmacht über das Gewerbe?

Warum nutzt die Stadt nicht nach einigen Dekaden ihre Möglichkeiten, unpassende Gewerbetreibende die beispielsweise hohe Steuerschulden haben, gegen das Umweltrecht verstoßen oder schlicht nicht mehr in die Zeit passen, aus ihrem Grundbesitz zu entlassen und ihre Flächen für innovative Gewerbetreibende einzusetzen?“ (ger)

So sollen die in den kommenden 35 Jahren nach und nach auslaufenden Erbbaupachtverträge aus den 1950er Jahren möglichst vorzeitig erneuert werden. Das schafft einerseits den Nutzern Rechtssicherheit und eine gesicherte Verkehrsfähigkeit ihres Hauses, der Stadt andererseits bessere Planbarkeit und höhere Einnahmen. Denn bisher hat Leverkusen aus seinen Erbbaugrundstücken bei einem extrem niedrigen Jahreszins von einem Prozent des Grundstückswertes lediglich 370 000 Euro jährlich eingenommen. Bei dem sonst üblichen und von der Kirche praktizierten Zinssatz von mindestens vier Prozent könnten dies künftig 3,15 Millionen Euro jährlich werden. In den Augen der Stadtverwaltung ein teures Missverhältnis zulasten der Allgemeinheit.

Soziale Vergabekriterien

Bei der künftigen Vergabe von Grundstücken in Erbpacht sollen soziale und wirtschaftliche Kriterien angewendet werden, die in einer ausführlichen Liste mit einem Punktesystem aufgeführt sind – auch das ein Vorschlag des Fachbereichs Liegenschaften, von Ludger Hallack, der sich in zahlreichen anderen Städten informiert hat. Ein sozialer Ansatz also, um die zugespitzte Lage auf dem Grundstücksmarkt zu entschärfen.

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Durch strategische Zukäufe von Grundstücken hofft die Stadt auch an Flächen für eigene Projekte zu kommen. Oberbürgermeister Uwe Richrath denkt dabei nicht nur an die von ihm versprochenen 1000 neue Kitaplätze in Leverkusen, sondern im Zusammenhang damit auch gleich an bezahlbaren Wohnraum für die dort Beschäftigten. Dass Kommunen über das Erbbaurecht Wohnstrukturen und Klimaschutzprojekt steuern können, ist für den SPD-Mann „ein klarer Zukunftstrend“.