Der verstorbene Papst Franziskus ist beispielsweise mit Äußerungen zum Ukraine-Krieg immer wieder angeeckt. Das zeigt: Päpste sind auch Politiker, ob sie das wollen oder nicht. Darin liegen auch große Chancen.

Franziskus und die PolitikAppeasement gefährdet die Glaubwürdigkeit einer Kirche

Problematische Beziehung: Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch und Putin-Freund Kirill 2016 in Havanna- zwei Jahre nach der russischen Okkupation der Krim.
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Staatstrauer in Italien, die Flaggen auch in Deutschland auf halbmast, führende Politiker aus aller Welt, die zur Trauerfeier in Rom erwartet werden: Der Tod von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers sind nicht nur aus der Innensicht der katholischen Kirche, sondern auch politisch hochrelevante Geschehnisse. Denn ob er will oder nicht – ein Papst ist immer auch Politiker. Anders als jeder andere Religionsführer ist er persönlich Subjekt des Völkerrechts. Der Heilige Stuhl ist durch Botschafter in aller Welt vertreten.
Franziskus hat diese Rolle allerdings nicht immer klug genutzt. So wuchtig seine Worte über „die Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gegenüber den Flüchtlingen beim Lampedusa-Besuch 2013 waren, so begrenzt war etwa sein Verständnis für die Umstände, die Menschen in die Flucht treiben. Die ebenso wuchtige Aussage über eine Wirtschaft, die angeblich tötet, trug wenig zur Auseinandersetzung mit korrupten und kriminellen Systemen in Afrika und zur russischen Destabilisierungspolitik ebendort bei. Gegenüber Moskau setzte Franziskus ohnehin auf allzu leise Töne – ob es um die russischen Kriegsverbrechen an der Seite des Assad-Regimes in Syrien ging oder um die Aggression gegenüber der Ukraine, die – beginnend mit der Okkupation der Krim und dem Donbass-Krieg seit 2014 – fast sein gesamtes Pontifikat überschattete.
Kann es die katholische Kirche zwei Jahrzehnte nach dem Tod des päpstlichen Weltpolitikers Johannes Paul II. nicht besser? Bei Franziskus führte das Zusammentreffen von zwei Umständen zu Problemen: Er stand westlichen, marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzipien skeptisch gegenüber und neigte zudem zu spontanen Äußerungen – wie dem Aufruf an die Ukraine, die weiße Flagge zu hissen, den Franziskus sich von einem Journalisten in den Mund legen ließ. Zu einem schlüssigen Auftreten gegen Autokraten hat er erst wieder in der Auseinandersetzung mit der US-Regierung von Donald Trump gefunden.
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Wahlkollegium hat sich stark verändert
Welches politische Bewusstsein ein künftiger Papst haben wird, steht in den Sternen. Die Zusammensetzung der Wählerschaft hat sich durch die von Franziskus vorangetriebene Berufung von Kardinälen aus dem sogenannten globalen Süden stark verändert. Bischöfe aus kleinen Diözesen sind neu dabei, während ein – auch politisch relevantes – Schwergewicht wie das Erzbistum Paris nicht mehr vertreten ist. Die Folgen sind schwer einzuschätzen. Für etliche Papstwähler wird die soziale Not in ihrer Heimat wichtiger sein als die Auseinandersetzung mit russischer oder chinesischer Bedrohung oder die Rechte sexueller Minderheiten.
Trotz dieser unübersichtlichen Lage wäre es den Kardinälen sehr zu wünschen, dass sie beim Konklave neben der spirituellen auch die politische Dimension ihrer Entscheidung in den Blick nehmen. Beide sind eng verknüpft: Ein klug agierender Papst kann politischen Pressionen auf Ortskirchen Grenzen setzen und so den Freiraum zur Glaubensausübung erweitern. Umgekehrt gefährdet Appeasement zum Beispiel gegenüber Kremlchef Wladimir Putin und seinen Komplizen im Moskauer orthodoxen Patriarchat auch die Glaubwürdigkeit kirchlicher Verkündigung. Der laute Protest, auf den manche Franziskus-Äußerung zum russisch-ukrainischen Krieg gestoßen ist, belegt indirekt das große politische Gewicht des Papstamtes. Und die großen Chancen, die es eigentlich bietet.